Zehn neue Richterinnen wurden dieser Tage in Bozen vereidigt, davon sechs deutscher, drei italienischer und einer ladinischer Muttersprache. Zeitungsberichten zufolge sind jedoch genau die Hälfte der angeblich deutschsprachigen Richterinnen eigentlich »Italienerinnen«, einer von ihnen stammt aus Trient, ein anderer sogar aus Rom. Natürlich gibt es auch in der ewigen Stadt Menschen, deren Muttersprache eine andere als Italienisch ist, doch das ist hier offensichtlich nicht der Fall.
Nun ist klar, dass die Zugehörigkeitserklärung frei ist und sich jede als das deklarieren darf, was ihr beliebt. Streng formal ist also das Vorgehen dieser Richterinnen in Ordnung und kann juristisch nicht beanstandet werden. Vergegenwärtigt man sich diese gängige Praxis, könnte man höchstens kritisieren, dass die amtliche Erklärung nach wie vor für statistische Zwecke benutzt wird, um die Zusammensetzung der Südtiroler Gesellschaft zu beschreiben. Dafür gäbe es weit tauglichere, international gebräuchliche Methoden.
Da es sich im speziellen Fall um Richterinnen handelt, also um Menschen, die Gesetze interpretieren und zur Anwendung bringen sollen, wundert mich jedoch, mit welcher Kritiklosigkeit einfach hingenommen wird, dass gesetzliche Spielräume ausgenutzt werden, um sich einen persönlichen Vorteil zu verschaffen. Ist es nicht Aufgabe einer Richterin, die Intention des Gesetzgebenden in ihren Entscheiden mitzuberücksichtigen? Was also soll man sich — speziell zu sensiblen Fragen des Minderheitenschutzes — von jemandem erwarten, die so handelt? Welches Vertrauen soll die Bevölkerung in sie stecken und welches Vorbild kann sie mit dieser Form der Schlaumeierei sein?
Über Sinn und Unsinn des Proporzes haben schließlich nicht Richter-, sondern wir Bürger- und die Politikerinnen zu befinden. Gerichtspräsident Heinrich Zanon, der angeblich nichts am Verhalten der Richterinnen auszusetzen hat, benennt ein weiteres Problem: Viele Richterinnen seien trotz Zweisprachigkeitsnachweis außerstande, ein Urteil auf Deutsch zu verfassen. Na dann!
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