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Kein Einvernehmen für den Minderheitenschutz?
Autonomiereform

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ai

Laut dem Autonomiereformentwurf gibt es bezüglich künftiger Änderungen am Autonomiestatut von Trentino und Südtirol eine schwache Einvernehmensklausel. Anders als die Verfassungsreformentwürfe von 2006 (Silvio Berlusconi, FI) und 2016 (Matteo Renzi, PD) vorgesehen hätten, erhalten die Region und die beiden autonomen Länder kein Vetorecht, falls die jetzige Autonomiereform verabschiedet wird.

Vielmehr handelt es sich beim sogenannten »Einvernehmen« um ein nicht bindendes Gutachten, das Trentino und Südtirol abgeben können, aber nicht müssen. Fällt dieses Gutachten negativ aus (oder unterbleibt es), kann das italienische Parlament am Autonomiestatut trotzdem Hand anlegen. Allerdings darf dann das bereits zuerkannte Autonomieniveau nicht unterschritten werden.1im italienischen Originalwortlaut: «fermi restando i livelli di autonomia già riconosciuti» Der Verfassungsrechtler Roberto Toniatti hat in seinem Beitrag für den Corriere bereits darauf hingewiesen, wie dehnbar diese Formulierung ist — und dass im Ernstfall ausgerechnet das zentralistisch agierende Verfassungsgericht entscheiden müsste, ob eine gegen den Willen von Trentino und Südtirol beschlossene Reform des Statuts das bereits zuerkannte Niveau unterschreitet oder nicht. Karl Zeller (SVP) würde ihn dafür wohl einen »Zweifelscheißer« nennen.

Was jedoch auch auffällt: Bei einem negativen oder ausbleibenden Gutachten der betroffenen Länder und der Region wäre das Parlament zwar dazu verpflichtet, das aktuelle Autonomieniveau zu achten, vom Minderheitenschutzniveau ist aber nicht die Rede — auch nicht im Begleitbericht, wo festgehalten ist, dass insbesondere das Autonomieniveau, das 1992 zur Streitbeilegung mit Österreich geführt hat, nicht unterschritten werden darf. Auch wenn die beiden Themen in Südtirol oft parallel — wenn nicht sogar synonym — behandelt werden, sind sie es nicht. Es kann Minderheitenschutz ohne Autonomie geben und es gibt Autonomie ohne Minderheitenschutz (zum Beispiel in Sizilien).

Wenn schon die im Reformtext enthaltene Maßgabe des aktuellen Autonomieniveaus schwammig ist, ist der fehlende Bezug auf den Minderheitenschutz für Interpretationen noch anfälliger. Um zwei Beispiele zu nennen: Selbst wenn das italienische Parlament so grundlegende Säulen wie den muttersprachlichen Unterricht oder das Recht auf Gebrauch der Muttersprache vor öffentlichen Ämtern abschaffen würde, ließe sich problemlos argumentieren, dass dies zwar den Minderheitenschutz einschränkt, Südtirol jedoch genauso autonom bliebe. Das Land könnte ja tatsächlich genauso viel (oder genauso wenig) selbst entscheiden wie zuvor.

Natürlich wäre zu erwarten (und zu hoffen), dass Österreich als Schutzmacht versuchen würde, derartige Eingriffe zu verhindern. Das könnte es aber jetzt — vor der Autonomiereform — genauso. Innerstaatlich wäre die Einvernehmensklausel in einem solchen Fall jedoch womöglich wertlos.


Es ist übrigens interessant, dass mit der nun anstehenden Reform genau das gemacht wird: Das Autonomieniveau von 1992 wird (zumindest teilweise) wiederhergestellt, während der Minderheitenschutz — im Einvernehmen — aktiv abgeschwächt wird und hinter das Niveau von 1992 zurückfällt. Man kann sich zwar darüber streiten, wie schwer das wiegt, doch dass dies der Fall ist, steht außer Frage.

Cëla enghe: 01 02 03 || 01

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    im italienischen Originalwortlaut: «fermi restando i livelli di autonomia già riconosciuti»


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