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Traum und Realität.
Autonomiereform und Autonomiekonvent

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Die in Rom errungene Reform des Statuts ist ein Schritt nach vorn für die Südtirol-Autonomie. Doch gemessen an den Forderungen des Autonomiekonvents von 2016/17 nimmt sich das Ergebnis bescheiden aus.

LH Arno Kompatscher (SVP) hat seine Autonomiereform in Rom durchgebracht, sofern auch das Parlament dieses Paket 2026 absegnet. Dieses Ergebnis einer Rechtsregierung abgetrotzt zu haben, verdient allen Respekt. Im heutigen Kontext war ein echtes drittes Autonomiestatut nicht drin, doch Konsolidierung und partielle Erweiterung der Zuständigkeiten sind allemal ein Zugewinn. Die Regierungsvorlage vom 9. April 2025 (Modifiche allo Statuto speciale per il Trentino-Alto Adige/Südtirol) in eine Reihe mit den Marksteinen der Autonomiegeschichte wie der »Paketschlacht« vom November 1969 und der Streitbeilegungserklärung vom Juni 1992 zu stellen, wäre reichlich übertrieben.

In den Medien und auf der SVP-Landesversammlung ist der Inhalt des Reformpaketes ausgiebig dargelegt und bewertet worden. Der Landtag, das einzig direkt gewählte Organ auf Landesebene, wird bezeichnenderweise erst später zugeschaltet. Doch wie stellt sich diese Reform aus der Sicht jener Bürger:innen dar, die beim Autonomiekonvent 2016/17 mitgewirkt haben? An jenem bisher aufwändigsten Beteiligungsprozess hatten sich rund 2.000 Personen beteiligt, fürs Forum waren 100 Mitglieder repräsentativ ausgewählt worden und der Konvent der 33 — der Kern des Autonomiekonvents — tagte 27 Mal in anderthalb Jahren, bevor er im September 2017 im Landtag offiziell sein Abschlussdokument vorstellte. Die Erwartungen waren hoch, das Ergebnis enttäuschend, weil all diese Vorschläge sang- und klanglos ins Archiv verräumt wurden.

Doch gerade weil damals so viele Bürger:innen aller Sprachgruppen mit verschiedenster politischer Ausrichtung die Reform des Statuts durchdiskutiert haben, ist es die kleine Mühe wert, das heutige Verhandlungsergebnis mit den Forderungen des Autonomiekonvents abzugleichen. Hier einige zentrale Punkte:

  1. Die autonomen Zuständigkeiten des Landes sollten laut Konvent ausgebaut werden, vor allem durch Umwandlung aller sekundären Zuständigkeiten in primäre. Dies erfolgt jetzt nur bei fünf Zuständigkeiten, neu dazu kommt der Umweltschutz und der Handel wird von sekundär auf primär hochgestuft.
  2. Der Konvent hatte verlangt, dass als Schranken der autonomen Gesetzgebung nur mehr die Verfassung, das EU- und Völkerrecht und die allgemeinen Grundsätze der Verfassung gelten sollten. Das nationale Interesse ist als Schranke geblieben.
  3. Bei einer Abänderung des Autonomiestatuts durchs Parlament hätte ein Vetorecht des Regionalrats und der Landtage eingeführt werden sollen. Erreicht worden ist jetzt nur eine schwache Einvernehmensregel, die vom Parlament überstimmt werden kann.
  4. Zur Unterscheidung zwischen Sachfragen mit verpflichtender bzw. fakultativer Durchführungsbestimmung hätte ein neuer Koordinierungsmechanismus eingeführt werden sollen. Jetzt bleibt unklar, wie viel die Sechserkommission entscheiden darf.
  5. Das Regierungskommissariat hätte bei Übergang seiner Befugnisse auf den Landeshauptmann abgeschafft werden sollen. Jetzt bleibt es.
  6. Die Region hätte, so der Konvent, weiter entkernt werden sollen. Doch laut heutiger Reform ändert sich bei der Region nichts.
  7. Bei Proporz und Zweisprachigkeit war gefordert worden, die öffentlichen Wettbewerbe zwei- oder dreisprachig durchzuführen. Auch hier ändert sich jedoch nichts.
  8. Die direkten Mitentscheidungsrechte der Bürger:innen (Volksabstimmungsrechte) hätten geklärt und ausgebaut werden sollen. Das war anscheinend überhaupt kein Thema.
  9. Die Pflicht zur Zweisprachigkeit in der Toponomastik hätte (wie in Aosta) gestrichen werden sollen. Für eine Rechtsregierung kein Thema, ganz zu schweigen von der ebenso vom Konvent geforderten Möglichkeit, in Südtirol bei bestimmten Voraussetzungen einen Selbstbestimmungsprozess einleiten zu können.
  10. Die Finanz- und Steuerautonomie hätte ausgebaut werden sollen, mit mehr Spielraum für Landessteuern und dem Übergang der Finanzämter. Bei dieser Reform kein Thema.
  11. Im Statut hätte ein neues Kapitel eingefügt werden sollen, das die internationalen Beziehungen sowie jene mit der EU regelt. Im heutigen Paket findet sich dazu nichts.
  12. Für die Senkung der Ansässigkeitsdauer fürs Wahlrecht hatte es im Konvent keine Mehrheit gegeben. Jetzt ist das erfolgt, bringt aber für den Schutz der Minderheiten keine echten Gefahren.

In zahlreichen weiteren Bereichen des Autonomiestatuts haben die Mitglieder des Konvents 2017 konkrete Verbesserungen vorgeschlagen. Noch weiter geht ein umfassender Reformvorschlag, den ich im Buch Mehr Autonomie wagen dargelegt habe. Verglichen mit diesen Vorschlägen ist das jetzige Ergebnis tatsächlich kein großer Wurf. Die engagierten Mitglieder des Konvents konnten sich zwar nicht erwarten, dass sich das Land all diese Vorschläge zu eigen machen würde, aber sie schafften es anscheinend auch nie auf den Verhandlungstisch. Eines ist der Wunsch, würde wohl Kompatscher an dieser Stelle einwerfen, was anderes die harte Wirklichkeit. Aus der Sicht der Konventsmitglieder freilich ernüchternd, denn — wie aus der Autonomiegeschichte ersichtlich — gibt es auf der Baustelle Autonomie nur rund alle 30 Jahre Fortschritte.


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