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Prinzipienlose SVP.

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Historiker Hans Heiss über den Marsch der Volkspartei ins stramme rechte Lager

Die SVP hat sich eingerichtet, im Lager der Lega und der Fratelli. Zu diesem Fazit kommt Hans Heiss. Der zweite Teil der Ära Kompatscher, nach den vorletzten Landtagswahlen (2018), kam einem Bruch gleich. Die SVP holte die weit rechtsstehende Lega, damals stärkste italienische Partei in Südtirol, in die Landesregierung. Mit einem »Wertekatalog« sollte sie zu einer »moderaten« Politik verpflichtet werden.

Die Partei in der Partei, der Bauernbund, sorgte damals dafür, dass die Lega zum Partner wurde. Die neue Lega, von Matteo Salvini in eine stramme Rechtspartei umgerüstet, entfernte sich immer mehr von ihren traditionellen föderalistischen Werten.

Bei den letzten Landtagswahlen zerbröselte die Lega, Nutznießer waren die Fratelli. Beide kamen in die Landesregierung — bis LR Christian Bianchi von der Lega zu FI wechselte. Erweitert um die Freiheitlichen, rutschte die Landesregierung deutlich nach rechts. Die österreichische Tageszeitung Die Krone titelte: Kompatschers Rechtswalzer. Ein Tabubruch sondergleichen, eine Koalition mit den Fratelli d’Italia, den politischen Nachfahren des neofaschistischen Movimento Sociale Italiano.

Wertekatalog und rote Linien

Auch hier gab es Signale für die Weichenstellung von außen. Vor den italienischen Parlamentswahlen 2022 durfte Giorgia Meloni (FdI), damals noch eine Randerscheinung, im Tagblatt der Südtiroler für ihre Anliegen werben. Auf einer ganzen Seite. Es war eine klare Ansage an die SVP, die Fratelli nach den Landtagswahlen in die Landesregierung zu holen.

Wie schon bei der Lega mit dem Wertekatalog zog Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP) »rote Linien«, die nicht überschritten werden dürfen. Trotzdem begleiteten Proteste, auch von SVP-Wählern, die Koalitionsverhandlungen. Viele Kompatscher-Fans waren enttäuscht. Die roten Linien, finden manche, werden ständig überschritten.

Der langjährige SVP-Parlamentarier Karl Zeller sprach von einem »Pakt mit dem Teufel«, der Landeshauptmann von einer »Zweckgemeinschaft«, einer Zweckehe, mit der die Autonomie saniert werden solle. Ausgerechnet mit der rechtesten italienischen Partei, deren Vorläufer allesamt strikt nationalistisch und extrem zentralistisch waren. Wurde da nicht der Bock zum Gärtner gemacht?

Rechte in der SVP kompatibel mit der italienischen Rechten

Es scheint so zu sein, sagt Hans Heiss, dass der rechte Markenkern der SVP kompatibel mit der äußersten italienischen Rechten ist. Heiss wirft Kompatscher vor, mit seiner Koalition die Fratelli »normalisiert« zu haben, die damit in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind.

Ein erschreckendes Beispiel für die Prinzipienlosigkeit der SVP, analysiert Heiss und verweist auf die Entwicklung in Bozen. Auch hier scheint sich die SVP einzurichten — und zwar rechts. Einerseits kandidieren auf der SVP-Liste in Bozen italienische und migrantischstämmige Kandidaten. An und für sich positiv, damit könne er sich anfreunden, unterstreicht Heiss, gleichzeitig ist aber die SVP kräftig nach rechts abgedriftet.

Was gab es denn da für eine Aufregung, wenn italienische Kandidaten auf der SVP-Liste zur Wahl standen, frotzelt Heiss. Zum Beispiel Elena Artioli, eine zweisprachige Boznerin. Sie durfte bei den Bozner Gemeindewahlen mitmachen, nicht aber bei den Landtagswahlen. Das war dann zu viel des Guten. Inzwischen scheint das gar kein Thema mehr zu sein, es werden gar nicht mehr die Parteigremien mit dem für die SVP heiklen Thema befasst.

Fakt ist auch, dass auch eine überschaubare Anzahl italienischer Wähler:innen schon immer das Edelweiß ankreuzte.

Ausufernde SVP-Prinzipienlosigkeit

Die Prinzipienlosigkeit ufert inzwischen aus. Heiss verweist auf den Aufruf des Landesverbandes der Handwerker (LVH), in Bozen Claudio Corrarati vom rechtsrechten italienischen Wahlbündnis zu wählen. Denn: »Correrati ist eine starke Stimme des Handwerks.« Er ist Direktor des italienischen Handwerkerverbandes CNA. Der LVH zählt zu den SVP-Vorfeldorganisationen, stellt Heiss klar. Dieser Aufruf lässt also tief blicken, hinein in die künftige Koalition in Bozen. Corrarati findet das Wohlgefallen der SVP. Anders formuliert: Es wachse zusammen, was zusammengehört, sagt Heiss.

Entsprechende Versuche gab es schon in mehreren Laboren. In Bruneck, als Bürgermeister Christian Tschurtschenthaler mit der italienischen Rechten zusammenarbeitete. In Leifers votierten 2015 bei der Stichwahl die SVP-Wählenden haufenweise für den stramm rechten Christian Bianchi.

In Meran holte sich, von der grauen Eminenz Siegfried Unterberger eingefädelt, die SVP 1980 wieder den Bürgermeistersessel. Der »deutsche« Bürgermeister blieb aber nicht ein SVP-Monopol. Der stadtbekannte Historiker Paul Rösch und seine Grüne Allianz nahmen 2015 der SVP das Amt ab. Für eine Amtsperiode. Die »Wirtschaft« in der SVP wollte den Grünen Rösch loswerden, schielte nach rechts und verhalf Dario Dal Medico zum Wahlsieg. Den Rechten in der SVP geht es nicht um einen deutschen Bürgermeister, sondern um eine andere Politik, um eine interethnische Zusammenschau der wirtschaftlichen Interessen. Um den Futtertrog, könnte man auch sagen.

Der heutige SVP-Obmann Dieter Steger, vor 20 Jahren Bozner Stadtobmann, versuchte vor einem Vierteljahrhundert ähnliches. Bei der Stichwahl um das Bürgermeisteramt zwischen dem liberalen Katholiken Giovanni Salghetti und dem Nationalisten Giovanni Benussi, beides Nachfahren von Vertriebenen aus Istrien, gab die SVP keine Wahlempfehlung ab. Ein nicht unbeträchtlicher Teil der SVP-Wähler:innenschaft stimmte für Benussi und seine rechtsrechte Allianz. Steger warb damals für eine Anerkennung des rechten Wahlsieges und für die Zusammenarbeit mit Benussi.

Steht im Mai ein ähnliches Experiment an? Wird die Bozner SVP dem »Handwerker« Corrarati zum Wahlsieg verhelfen? Heiss würde dazu sagen, es wächst zusammen, was zusammengehört. Die Prinzipienlosigkeit der SVP macht es möglich.


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