Der berühmte Zanzara-Moderator war am Tag der Frau im Bozner Stadttheater
Ausgerechnet Giuseppe Cruciani, der aufrechte Kämpfer für die Meinungsfreiheit auf Radio 24 der Wirtschaftszeitung Il Sole 24 Ore. Am 8. März, am internationalen Tag der Frau, stellte Cruciani in Bozen sein Programm Via Crux vor. Für eine bestimmte Meinungsfreiheit. Ein Beispiel, das einiges über diesen Radiomoderator aussagt:
E ancora, Cruciani è lo stesso che si vanta di aver sdoganato soggetti come “er brasiliano” , arrestato recentemente per aver preso a bastonate la fidanzata fino a romperle il braccio.
Cruciani provoziert gerne, gegen die Tierschützer beispielsweise. Er wundert sich dann über die heftigen Reaktionen, die er anheizt und befeuert.
Cruciani für Weltkongress der Familien
Im Jahr 2019 trat Cruciani beim Weltkongress der Familien in Verona auf, Verfechter der traditionellen Familie Vater-Mutter-Kinder, Gegner der Abtreibung, der freien Sexualität, der Schwulen und Lesben. Für seinen Auftritt wurde Cruciani verteidigt, als Kreuzritter der Gedanken- und Meinungsfreiheit. Ein »Libertärer«, der ideologisch meilenweit vom Weltkongress entfernt sein soll und ihn trotzdem gegen Angriffe von »links« verteidigte.
Dieser Weltkongress wird von der Internationalen Organisation für die Familie getragen. Diese Organisation sponsert US-Präsident Trump und zählt zu den Mitautoren des reaktionären Project 2025 zum Umbau der USA.
Der erwähnte Weltkongress vernetzt die ultrakonservativen US-amerikanischen Evangelikalen mit der russischen Kirche, mit der Putin-Partei Einiges Russland und mit der russischen Oligarchie. Besonders aktiv ist Konstantin Malofeev, Finanzier der prorussischen Milizen, die 2014 in der Ostukraine den Bürgerkrieg anzettelten.
Dieses Netzwerk wirkt jetzt. Trump lässt die Ukraine fallen, ist Putin doch sein Partner in dieser Welt.
Cruciani kämpft für das Recht des Weltkongresses, in der Öffentlichkeit aufzutreten. Allein schon diese Darstellung ist schief, denn niemand stellt dieses Recht in Abrede. Genauso wenig das Engagement von Cruciani, für die Reaktionären die Meinungsfreiheit zu verteidigen.
Cruciani gegen die Linken
Kein Pardon kennt Cruciani mit den Linken, mit den linken Frauen, mit den linken Studenten. Ihnen wirft er Gewalttätigkeit vor, Provokationen, Gewalt besonders gegen Polizisten:
Fino a quando si potranno tollerare le violenze contro gli agenti che non possono fare nulla perché questi stronz* delinquenti e pezzi di merd* che attaccano le divise sanno benissimo, e questo è il punto, che gli agenti in Italia sono impotenti.
– Giuseppe Cruciani
Für seine Rundumschläge hagelt es im Gegenzug Kritik, die rechte Tageszeitung il Giornale verteidigt den Zanzara-Moderator. Der Corriere del Trentino feierte Cruciani als die »voce più irriverente e scorretta d’Italia«. Er verbeißt sich auch emotional in die Südtirol-Autonomie.
Cruciani gegen das in Südtirol gesprochene Deutsch
Cruciani antwortete im Interview mit dem Corriere del Trentino vom 24. November 2024 auf die Frage, was er denn von den beiden Sonderautonomien für das Trentino und Südtirol hält:
Non me ne frega nulla, ma il tedesco parlato in Alto Adige mi dà fastidio. Quella è Italia e qualsiasi discriminazione nei confronti della lingua italiana mi fa inc…are. È un posto che gode di autonomia e agevolazioni, quindi tutto dovrebbe funzionare alla perfezione perché ci sono un sacco di soldi: è chiaro che è un posto che ha dei privilegi rispetto alle altre parti d’Italia, questo deriva dalla storia, da alcuni accordi che sono stati presi e nessuno ha il coraggio di modificarli. Intanto, però, le persone di lingua italiana sono considerate di rango inferiore rispetto a quelle di lingua tedesca.
– Giuseppe Cruciani
Nationalistischer Müll, gehegt und gepflegt — nicht nur — von der italienischen Rechten. Ist das Meinungsfreiheit? Sein »antideutsches« Bashing hat Tradition. Im Jahr 2016, nach den Gesprächen mit dem Staatspräsidenten Sergio Mattarella, trat SVP-Senator Hans Berger vor die Presse und hielt den ersten Teil seiner Rede auf Deutsch.
Cruciani gegen Senator Berger
Für den Moderator eine Art »Vilipendio«, wahrscheinlich gar ein Verbrechen an Italien. Cruciani über Berger (ab Minute 5:28):
C’è un tizio della Sudtiroler Volkspartei (…) il quale parla in te-de-sco. Parla in tedesco davanti alle telecamere! Parla in tedesco! (…) Esci dal Quirinale – parli davanti agli italiani. Poi a casa tua, a Bolzano, parli in quella minchia di tedesco di merda. Ma non puoi parlare in tedesco davanti al Quirinale, parli in i-ta-liano! Queste cose mi fanno impazzire.
– Giuseppe Cruciani (Transkription von Salto)
Auch Meinungsfreiheit? Nicht entgrenzter Nationalismus? Diesen — sehr freundlich und diplomatisch formuliert — »unfreundlichen« Sager griff damals Simon auf und sorgte für Reaktionen in Südtirol. So kritisierte der damalige Landtagspräsident Roberto Bizzo den Starmoderator scharf, Berger erhielt eine ganze Menge solidarische »Post«.
Cruciani und die Journalistenkammer
Und was macht die Journalistenkammer? Ein Gesetz aus dem Jahr 1963 regelt die disciplina degli iscritti. Eine Disziplinarkommission »prende adeguati provvedimenti per gli iscritti che si rendano colpevoli di fatti non conformi al decoro e alla dignità professionale, o di fatti che compromettano la propria reputazione o la dignità dell’Ordine (art. 48)«. Ist Hass und Hetze nicht ein Verstoß gegen die »professionelle Würde«?
Diese Attacken gegen Südtirol weit unter der Gürtellinie sollen von der Diszplinarkommission gesichtet worden sein. Immerhin, der »Vorfall« liegt neun Jahre zurück. Irgendwann wird sich dann der Kammerrat der Lombardei damit befassen — oder auch nicht.
Erstaunlich: Im Fall »Hager-Benko« verfügte die regionale Journalistenkammer in unglaublicher Geschwindigkeit den befristeten Ausschluss des Journalisten Lorenzo Barzon. Er stand im Verdacht, einer »kriminellen Vereinigung« anzuhören. Offensichtlich war er kein Krimineller, die Kammer hob seine Suspendierung wieder auf.
Belegterweise 2016 und 2024 hantierte Cruciani mit ethnischem Hass. Im zweiten Fall vor der Haustür, auf den Seiten des Corriere del Trentino. Da muss die regionale Journalistenkammer aber zuerst klären, ob sie dafür zuständig ist. Cruciani ist nämlich nicht in der Journalistenkammer von Trentino-Südtirol eingetragen. Also darf »man« in Trient und in Bozen hetzen, wenn man nicht in der Region ansässig ist? Ansässigen ist das Hetzen aber verboten. Tatsächlich?
Cruciani und JD Vance
Wahrscheinlich dachte US-Vizepräsident JD Vance bei seiner berüchtigten Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz an Meinungsmacher wie Cruciani. Die sich kein Blatt vor den Mund nehmen, die politisch unkorrekt sind, die wüten und toben. Angeblich gegen die Zustände in Europa. Nicht Russland sei eine Gefahr für Europa, sondern diese angestrebte staatliche Kontrolle und Überwachung unliebsamer Meinungen.
Wäre es Zensur, wenn die Journalistenkammer Cruciani auffordern würde, sein untergriffiges Bashing — egal gegen wen — bleiben zu lassen? Das wird sich die Journalistenkammer eh nicht trauen. Empfehlenswert dazu der Kommentar in der Tageszeitung La Repubblica von Luigi Manconi »Perché la Zanzara di Cruciani non mi piace (più)«.
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