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Kalaallit Nunaat will kein US-Bundesstaat werden.
Grönland-Dänemark

Autor:a

ai


In seiner Rede vor dem Kongress wiederholte Präsident Donald Trump sein Ziel: »Wir bekommen Grönland so oder so«

Am 11. März wählen die Grönländer:innen ein neues Parlament. Wegen der unverfrorenen US-Annexionspläne ließ der linke Regierungschef Múte B. Egede die Wahlen vorziehen.

Laut Umfragen stehen die Chancen für die beiden linken Regierungsparteien Inuit Ataqatigiit (Gemeinschaft des Volkes, IA) und Siumut nicht schlecht, die absolute Mehrheit zu erzielen. Die Wahl, ließ Egede verlauten, sei auch ein Votum für die Eigenstaatlichkeit.

Nicht nur die Grönländer sind nervös, auch Dänemark, die einstigen Kolonialmacht. Schon in der ersten Amtszeit formulierte Donald Trump seine territorialen Gelüste, er wollte Grönland kaufen. Wie eine Immobilie in New York oder in Moskau. Kurz nach seiner erfolgreichen Wahl im November 2024 kündigte Trump mit Nachdruck an, Grönland den USA einzuverleiben. Bei seiner »Inauguration« als Präsident und kürzlich im Kongress ließ er seine Bürger:innen wissen: »Wir bekommen Grönland so oder so«. Make America great again. Männerfreund Wladimir Putin macht mit seiner Annexionspolitik Schule.

Trumps Sohn Donald jr. besuchte Grönland, ließ sich von einigen Einheimischen feiern (er soll sie dafür bezahlt haben) und teilte seinem Papa mit, die Grönländer wollten unbedingt US-Amerikaner werden.

Grönland ist nicht nur im Visier der Trump-USA, auch Russland und China, Profis in Sachen Annexionen fremden Landes, haben es auf Kalaallit Nunaat abgesehen. Wegen der Bodenschätze. Es kümmert sie nicht, dass die Insel — zwar autonom — noch zu Dänemark gehört und laut Umfragen eine große Mehrheit der Grönländer:innen unabhängig sein möchte.

Ein Entwurf für die Unabhängigkeit

Dafür liegt seit 2017 ein Verfassungsentwurf des Parlaments vor.  Der vorliegende Text ist für die Unabhängigkeitsbefürworter das Instrument für die Eigenstaatlichkeit. Die katalanische NRO Ciemen, ein Zentrum für Selbstbestimmung, analysierte den Verfassungsentwurf. Aus der Analyse, veröffentlicht auf der Onlineplattform Nationalia, im Folgenden einige Erläuterungen.

Der Entwurf lässt die zu wählende Regierungsform offen, ob Monarchie oder Republik, bleiben Königin oder König »Staatsoberhaupt«, ungeklärt auch, wie weit die Souveränität reichen soll. Vollautonomie oder absolut unabhängig von Dänemark. In der Präambel scheint der Begriff des »souveränen Staates« auf, im Artikel 1 leicht abgewandelt ein »Staat mit Souveränität«. Eindeutig ist nur, dass Grönländisch die einzige Amtssprache sein wird.

»Wir, das grönländische Volk, üben unsere souveränen Rechte in unserem Land, Grönland, aus und legen hiermit diese Verfassung als die Verfassung des souveränen Staates des grönländischen Volkes, Grönland, fest«, heißt es in der Präambel der möglicherweise künftigen Verfassung, 70 Jahre nachdem Grönland seine erste Verfassung erhielt — die dänische.

Die Gewaltenteilung

Die grönländischen Verfassungsautoren haben in ihrem Entwurf dänische Anleihen eingebaut. Justiz (Eqqartuussiviit), Parlament (Inatsisartut) und Regierung (Naalakkersuisut) bilden die drei Säulen des neuen Staates.

Vorgesehen ist auch ein zentraler Staatsanwalt, der von der Regierung berufen wird.

Das Staatsoberhaupt wird weiterhin der Regierungschef sein.

Souveränität und andere Staaten

Der Entwurf sieht auch vor, dass Grönland staatliche Befugnisse an andere Staaten oder internationale Organisationen delegieren kann. Dies deutet darauf hin, dass ein künftiges souveränes Grönland als Staat in freier Assoziation mit Dänemark konstituiert werden könnte.

Das Parlament muss mit einer Dreiviertelmehrheit und die Hälfte der Wählenden per Referendum der Assoziierung zustimmen. Im Fall der freien Assoziierung werden bestimmte Befugnisse einem anderen Staat übertragen und zwar in Zuständigkeitsbereichen, in denen es Grönland an Kapazitäten und/oder Mitteln fehlt. Beispielsweise finanzielle Transaktionen.

Grönland könnte auch eine zwischenstaatliche Union eingehen, beispielsweise mit der Europäischen Union. In einem solchen Fall erhält die EU entsprechende Befugnisse übertragen, die sich durch die zwischenstaatliche Zusammenarbeit ergeben.

Das 49 Absätze umfassende 15-seitige Dokument spart, wie erwähnt, einige Schlüsselfragen aus, wie die Staatsbürgerschaft, die Rechtspflege sowie Gebiete, die immer noch vom dänischen Festland verwaltet werden.

Staatsbürgerschaft

Alle Büger:innen haben Anspruch auf die grönländische Staatsbürgerschaft. Auch jene, die im Ausland geboren wurden oder bei denen nur ein Elternteil grönländischer Staatsbürger ist, heißt es im Artikel 3. Laut grönländischer Landesregierung sind elf Prozent der Grönländer im Ausland geboren, meist in Dänemark.

Unbeantwortet blieb die Frage, wer einen grönländischen Pass erhält, wenn Grönland unabhängig ist. Der Ausschuss kündigte an, mit einem Gesetz jene Verpflichtungen zu regeln, die mit der Erlangung der Staatsbürgerschaft verbunden sind, wenn die betreffende Person bereits Staatsbürger eines anderen Landes ist. Damit sind wohl die Grönländer in Dänemark gemeint.

Die Verfassung garantiert eine Reihe von Freiheiten, die Versammlungsfreiheit, die freie Ausübung der Religion, die freie Wahl, die Meinungsfreiheit. Festgeschrieben ist zudem das Recht auf Arbeit und das Recht auf eine eigene Wohnung. Eine Reihe von Absätzen befasst sich mit den Rechten des Kindes.

Recht auf Boden- und Naturschätze

Im Verfassungsentwurf wird das Recht Grönlands auf die eigenen Bodenschätze festgeschrieben. »Das grönländische Volk hat das Recht, die eigenen Ressourcen zu nutzen« und im Sinne der Inuit-Jägerkultur wird auch das Recht auf die Jagd garantiert. Als Leitmotiv gilt die ökologische, soziale und kulturelle Nachhaltigkeit.

Dialog statt Konfrontation

Der Verfassungsentwurf soll bei den anstehenden Verhandlungen mit Dänemark über die Unabhängigkeit als Grundlage dienen. Nuuk und Kopenhagen müssen sich laut dem Entwurf auf ein entsprechendes Abkommen einigen, das vom dänischen und grönländischen Parlament genehmigt wird und über das die Grönländer:innen bei einem Referendum abstimmen.

Insgesamt setzen die Autoren des Entwurfs auf Dialog und Verständigung mit dem Ziel, die grönländischen Beziehungen zu Dänemark auf eine neue, lockerere Stufe zu stellen.

Siumut und IA sehen im Entwurf einen ersten Schritt in Richtung Souveränität, die dritte Unabhängigkeitspartei Naleraq hingegen kritisiert ihn als halbherzig.

Die grönländische sozialdemokratische Abgeordnete im dänischen Parlament, Aki-Matilda Høegh-Dam, würdigte den moderaten Entwurf als einen Schritt auf dem Weg zur Schaffung eines souveränen grönländischen Staates. Sie kann sich vorstellen, dass mit Dänemark noch über die Staatsbürgerschaft und das Wahlrecht verhandelt wird.

Die Sozialdemokratin plädiert außerdem für ein Assoziierungsabkommen zwischen Grönland und Dänemark. Für sie ist eine gemeinsame Lösung zum Vorteil beider Länder.

Wegbereiter Selbstverwaltungsgesetz

Das aktuelle Selbstverwaltungsgesetz von 2009 gewährt Grönland vollständige interne Selbstverwaltung (der dänische Staat ist nur mehr für die Währungspolitik, für Justiz, für die Sicherheits- und Außenpolitik zuständig), ermöglicht internationale Beziehungen und erkennt sein Recht auf Selbstbestimmung, also die Unabhängigkeit, an.

Trotz der weitreichenden Autonomie ist Grönland weiterhin auf einen dänischen Zuschuss angewiesen: Satte 500 Millionen Kronen für 50.000 Einwohner, das entspricht einem Viertel des BIP und macht mehr als die Hälfte des öffentlichen Haushalts aus.

Die grönländische Diskussion wird US-Präsident Trump wenig kümmern. Er wird sich über grönländische Belange hinwegsetzen wie er sich über die Ukraine hinweggesetzt hat. Die 50.000 Inuit und sonstige Grönländer haben der US-Supermacht wenig entgegenzusetzen. Lässt Trump die Insel besetzten?

Sein Annexionsgetöse wird den Unabhängigkeitsprozess beschleunigen, wahrscheinlich auch die grönländisch-dänische Zusammenschau. Trotz der üblen dänischen Kolonialgeschichte.

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