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Experiment Brandmauer beendet?

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Vor einigen Monaten hatte ich die Gelegenheit, mit einer Südtiroler Politikerin links der Mitte privat über die Sinnhaftigkeit von Brandmauern (aka Cordons sanitaires) in der Politik zu diskutieren. Sie hielt — und hält? — das Konzept für wenig hilfreich, weil man mit allen diskutierten müsse und sie keinen Sinn darin erkennen könne, gegen richtige Vorschläge zu stimmen, nur weil sie von der falschen Seite kommen. Ausländische Poltikerinnen, speziell aus Deutschland, seien zwar regelmäßig sehr irritiert darüber, dass hierzulande alle mit allen sprechen, doch gerade der Erfolg der AfD zeige ja, so meine Gesprächspartnerin, dass auch Brandmauern letztendlich nichts brächten.

Mein Gegenargument war erstens, dass durch die Normalisierung, die sich ergibt, wenn man (auch und gerade öffentlich) auf Augenhöhe mit Demokratiefeinden spricht, viel menschenfeindliches Gedankengut auch auf andere Parteien abfärbt und den Weg in den öffentlichen Diskurs findet. Zweitens aber — und vor allem — habe ich darauf hingewiesen, dass die AfD in Deutschland wohl an Zustimmung gewinne, aber dank konsequenter Ausgrenzung trotzdem noch so gut wie nirgends an die Macht gekommen sei. Während sich ja in anderen Ländern, darunter insbesondere Italien (aber auch Österreich) bereits gezeigt habe, dass das mit der »Entzauberung« nicht funktioniert, habe die Brandmauer in Deutschland bis heute (bzw. bis zum Zeitpunkt unseres Gesprächs) immerhin dafür gesorgt, dass die Feinde unserer Grundordnung nicht an die Schalthebel gelangt sind.

Vielleicht bin ich da auch zu optimistisch, doch meine Gesprächspartnerin schien das (wenigstens teilweise) überzeugt zu haben. Jedenfalls stimmte sie mir zu, dass die Lage in Deutschland zwar ernst, aber insofern erheblich besser war, da die AfD nicht (mit-)regiert.

Um den tatsächlichen Erfolg der Brandmauer bewerten zu können, hätte man natürlich noch mindestens ein paar Jahre abwarten müssen, um zu sehen, wie es endet. Jetzt aber, wo die CDU offenbar die Nerven wegschmeißt — oder aber ihrer eigentlichen politischen Veranlagung folgt — und die Ausgrenzung der AfD zur Disposition stellt, wird das Experiment womöglich ganz scheitern.

Falls es demnächst keine Brandmauer mehr gibt, die Friedrich Merz ja schon massiv durchlöchert hat, werden wir auch nie erfahren, ob sie ihren Zweck hätte auf Dauer erfüllen können.

Cëla enghe: 01 02 03 04



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Comentârs

10 responses to “Experiment Brandmauer beendet?”

  1. Hartmuth Staffler avatar
    Hartmuth Staffler

    Es gibt wohl einen deutlichen Unterschied zwischen “mit allen diskutieren”, was immer sinnvoll sein kann, und einer “Brandmauer” gegen Extremismen. Diskutieren kann und soll man immer, vor allem auch mit Menschen gegensätzlicher Ansichten. Zusammenarbeiten sollte man aber nur mit Personen, die auf dem demokratischen Teppich bleiben. Die SVP hat diese Brandmauer überschritten, in der Erwartung, dafür mit ein paar Brosamen entschädigt zu werden. Jetzt haben sich auch diese Brösel zerbröselt, geblieben ist nur ein unentschuldbarer Tabubruch.

  2. Cicero avatar
    Cicero

    Sagen wir es klar, es ist nicht die Ausgrenzung der AFD sondern es sind in Wirklichkeit die AFD- Wähler, (zwischen 20 und 25 Prozent), die ausgegrenzt werden sollen.
    Aber Ausgrenzung ist ja die neue (linke) Methode Andersdenkenden aufzuzeigen wer in Wirklichkeit die Demokratie gepachtet hat, wobei das einfacher als einfach ist, indem man die “anderen” kurzerhand als Demokratiefeinde und Nazis deklariert.
    Wobei auffällt dass deren Anzahl letzthin enorm gestiegen ist und sich um die CDU-Wähler erweitert hat.
    Die “Guten” sind jetzt klar erkennbar nur mehr die Links-Grünen und die diversen Ausgrenzungsmethoden sind deshalb legitim, weil es ja gegen die “Richtigen” geht.
    Diese Vorgangsweise ist aus der Geschichte sattsam bekannt.
    Aber noch lebt der Parlamentarismus und es ist der Wähler der ggf. die Brandmauer einreißt. Niemand sonst.

    1. Wolfgang Mayr avatar
      Wolfgang Mayr

      Cicero ist redlich bemüht, rechtsradikale Parteien schönzuschreiben. Der deutsche Verfassungsschutz stellte fest, daß die AfD in Teilen rechtsradikal ist. Ach ja, der Verfassungsschutz ist links unterwandert, gell? 1933 wählte ein Drittel der Deutschen die NSDAP, sie wurden “eingebunden”, der Rest der Geschichte ist bekannt.

      1. Cicero avatar
        Cicero

        Naja ich schreibe halt “schön” was ein gewichtiger Teil der Wähler als Souverän für gut, richtig und wichtig hält. Wenn die Wähler nun mal eine bestimmte Partei mit einer Stimmenmehrheit ausgestattet haben, dann wird das eben von diesem Teil der Wähler (FPÖ-30-35 Prozent) so gewünscht, auch wenn manche versuchen, Parteien oder einzelne Exponenten getrennt von deren Wählern einzuordnen.
        Tatsache ist, dass jedem Bürger kraft der demokratischen Staatsordnung zugestanden wird sich in freien Wahlen zu äußern, sich im Vorfeld über die Positionen von antretenden Parteien zu informieren, diese dann mit seinen Bedürfnissen abzugleichen und dementsprechend die Stimme abzugeben.
        Deshalb werden Parteien bzw. deren Positionen nur durch deren Wähler groß, sonst verschwinden sie.
        Wenn nun Parteien die regulär zu Wahlen antreten pauschal als Nazis, Faschisten und rechtsextrem diffamiert werden, sind immer deren Wähler gemeint, die das Programm wählen.
        Wobei rechtsradikal und rechtsextrem immer noch zwei verschiedene Paar Schuhe sind.
        Ob der deutsche Verfassungsschutz die AFD als rechtradikal? oder gar rechtsextrem (eher das) einstuft, weil die Organisation bzw. deren Mitglieder links unterwandert sind, weiß ich nicht, denn die politische Gesinnung ist privat und geht den Staat nichts an solange diesbezüglich keine Straftaten begangen werden.
        Was wir aber sicher wissen ist, dass der deutsche Verfassungsschutz nicht unabhängig agieren kann, weil er eine nachgeordnete Behörde des Innenministeriums ist (wie z.B RKI-Gesundheitsminieterium) und diesem WEISUNGSGEBUNDEN .
        Die partei-politische Einflussnahme ist also nicht nur leicht möglich sondern wahrscheinlich.
        Ging es in den 1980iger Jahren noch gegen die Grünen, so ist momentan der “Kampf gegen Rechts” die Losung den die Politik vorgibt. Schauen wir mal welche Parteien der Opposition noch folgen werden.
        Unter diesem Aspekt schaut die Sache halt ein bisschen anders aus, gell?

      2. Hartmuth Staffler avatar
        Hartmuth Staffler

        Es stimmt einfach nicht, dass Parteien oder gar ihre Wähler pauschal als Nazis oder Rechtsextreme diffamiert werden. Wohl aber wird gegen Politiker argumentiert, die ihre rechtsextreme Position durch entsprechende Äußerungen kundmachen. Das ist dann nicht pauschal, sondern sehr konkret. In einer Demokratie muss es erlaubt sein, politische Meinungen zu kritisieren, und es muss vor allem Pflicht sein, undemokratische Meinungen zu kritisieren. Eine solche demokratische Diskussion hat mit Diskriminierung überhaupt nichts gemein.

    2. Hartmuth Staffler avatar
      Hartmuth Staffler

      Ausgegrenzt werden nicht Wähler, sondern Politiker, die undemokratische, menschenverachtende Parolen von sich geben. Mit einem Putin-Freund würde ich zwar reden in der wahrscheinlich sinnlosen Hoffnung, ihn überzeugen zu können, aber ich würde alles begrüßen, was dazu taugt, ihn aus der politischen Verantwortung auszuschließen. Ob ein Politiker gut oder schlecht ist, hängt nicht von seiner politischen Farbe ab, sondern vor allem von seinen Einstellungen zu Menschenrechten und Demokratie.

    3. Simon avatar

      Aber Ausgrenzung ist ja die neue (linke) Methode Andersdenkenden aufzuzeigen wer in Wirklichkeit die Demokratie gepachtet hat, wobei das einfacher als einfach ist, indem man die “anderen” kurzerhand als Demokratiefeinde und Nazis deklariert.
      Wobei auffällt dass deren Anzahl letzthin enorm gestiegen ist und sich um die CDU-Wähler erweitert hat.

      Das ist Humbug und wehleidiges Opfergehabe, ein durchsichtiger Versuch, die CDU auf die Seite der AfD zu holen und die Brandmauer ins Lächerliche zu ziehen.

      Die CDU-Wählerinnen werden jedoch keineswegs mit der AfD gleichgesetzt und/oder ausgegrenzt. Ganz im Gegenteil wird fast ausnahmslos ausdrücklich anerkannt, dass es sich bei der Union um eine demokratische Partei handelt — weshalb sie (auch sehr scharf) dafür kritisiert wird, dass sie sich der Zusammenarbeit mit einer illiberalen, antidemokratischen, (»in Teilen«) rechtsextremen Partei wie der AfD öffnet.

  3. Karl-Heinz Völker avatar
    Karl-Heinz Völker

    Die Brandmauer trennt momentan Union/FDP/BSW/AfD und SPD/Grüne/Linke. (vgl große Demonstrationen der letzten Tage)

    Die Brandmauer wird fallen und Union und SPD die nächste Regierung stellen

    1. Simon avatar

      Was SPD und Grüne derzeit von den Unionsparteien und der FDP trennt, ist keine Brandmauer, sondern die unterschiedliche Auffassung über die Brandmauer, also über die Zusammenarbeit mit undemokratischen, rechtsextremen Parteien. Übrigens vertreten SPD und Grüne genau jene Linie, die CDU-Chef Friedrich Merz bis vor wenigen Monaten selbst vorgegeben und eingefordert hatte.

      1. Karl-Heinz Völker avatar
        Karl-Heinz Völker

        Moment, ich habe geschrieben “vgl große Demonstrationen der letzten Tage”

        Sehen Sie sich die Bilder an

        https://www.journal-frankfurt.de/journal_news/Politik-10/Alice-Weidel-in-Neu-Isenburg-Massiver-Protest-gegen-AfD-Auftritt-Blockaden-Vandalismus-und-politische-Kritik-43456.html

        AfD verhindern heißt Merz verhindern

        Siehe auch das bemalte CDU Büro.

        Offensichtlich bedauern die abgebildeten Demonstranten auch den Fall des “Antifaschistischen Schutzwalls” 1989, Erichs Enkel vermutlich.

        Klar, die SPD repräsentieren diese Leute nicht.

        Und daher wird die SPD wohl mit der CDU koalieren

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