Make America Great Again, die MAGA-Ideologie von Donald Trump, nimmt konkrete Formen an. Trump will sich nicht nur das autonome Grönland — wenn nötig militärisch — einverleiben, sondern auch Panama( bzw. den Kanal) und das nördliche Nachbarland Kanada.
Entrüstete Reaktionen waren die Folge, die »offiziellen« Grönländer winkten ab, auch Panama hält vom neuen Gringo-Imperialismus nichts. In Kanada ist die Verwunderung nicht weniger groß. Das große Kanada als 51. Bundesstaat der USA? Trump-Berater Elon Musk, neben dem Präsidenten — ohne gewählt worden zu sein — der mächtigste Mann der USA, kanzelte den kanadischen Premier Justin Trudeau und seinen Annexionswiderspruch ab. Hey Mädchen, »textete« Musk auf seiner Plattform X.
Ob die kanadische Einheitsfront hält? Möglicherweise laufen die kanadischen Konservativen und Reaktionären mit wehenden Fahnen zu Trump über. Wie die US-Internetkapitalisten, die lange — verbal — Alliierte der Demokraten waren.
Im möglichen kanadischen MAGA-Chor fehlt Québec, die auf Eigensinn und Eigenermächtigung setzende französischsprachige Provinz. Seit 2006 gilt Québec als »Nation in einem vereinten Kanada« mit Französisch als offizielle Amtssprache. Fast 80 Prozent der Bevölkerung sind französischsprachig.
Unabhängiges Québec
Seit den frühen 1960er Jahren werben Separatisten für eine Loslösung von Kanada, für einen eigenen Staat Québec. Beim ersten Unabhängigkeitsreferendum 1980 votierten fast 60 Prozent der Québecer für den Verbleib bei Kanada, beim zweiten Referendum 1995 konnten sich die Loyalisten nur noch äußerst knapp durchsetzen. Die kanadische Bundesregierung versuchte über eine »liberal« gehandhabte großzügige Einbürgerung in Québec das loyalistische Lager zu stärken.
Und 1998 legte der Oberste Gerichtshof unmissverständlich fest, dass Provinzen sich nicht einseitig unabhängig erklären dürfen. Eine hohe Hürde.
Das Höchstgericht von Québec wiederum bestätigte das landeseigene Gesetz zur Selbstbestimmung. Die Richter klärten auf, dass es sich nicht um eine einseitige Unabhängigkeitserklärung handeln würde, sondern um die Einleitung von Verhandlungen zwischen der Bundes- und der Provinzregierung.
Im Parlament von Québec vertritt der Parti Québécois (PQ) von René Lévesque den Separatismus, derzeit nur eine kleine Parlamentsfraktion, in der Hochphase des Separatismus kreuzten mehr als 40 Prozent der Québécois den sozialdemokratischen PQ an. Trotz der »Volatilität« des Parti Québécois bockt die Provinz gegen ihre Vereinnahmung. So wurde die Verfassung von 1982 noch immer nicht ratifiziert, genausowenig das Meech-Lake-Abkommen von 1987. Verfassung und Abkommen kamen Québec weit entgegen — aber zu wenig weit, deshalb die Ablehnung. Auch die First Nations opponierten dagegen.
Québec gegen Trump
Die Provinz Québec reagierte deshalb auch harsch ablehnend auf die Pläne von Trump. So schreibt Michel David in der Tageszeitung Le Devoir, dass die Legault-Regierung verpflichtet sei, die Grenze zu den Vereinigten Staaten zu sichern. Tatsächlich patroulliert die Sûreté du Québec — die eigene autonome Polizei — an der Grenze zu den USA.
Ministerpräsident Legault formulierte seine Erwartung an die kanadische Bundesregierung so: »Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie die Visavergabe deutlich verschärft und ihrerseits alle notwendigen Maßnahmen ergreift.«
Legault appellierte an die Québecer, sich nicht am Trump-Spiel zu beteiligen. Ein kühler Kopf sei notwendig, ergänzte der ehemalige Separatist und erinnerte die USA daran, dass sie auf Aluminiumimporte aus Québec angewiesen sind. Darauf Zölle zu erheben, wie Trump angekündigt hatte, verteuert das von der US-Industrie dringend benötigte AIuminium.
Eines erreichte Trump bereits: Die Provinzen sind sich uneins darüber, wie sie auf die angekündigte feindliche Übernahme reagieren sollten. Diplomatisch oder widerständisch? Der Premierminister von Ontario, Doug Ford, ein konservativer Unternehmer, verfolgt eine harte Linie: Kanada soll den US-Amerikanern den Strom abdrehen. Jean-Francoise Lisse von Le Devoir findet, dass die Expansionsgelüste des neuen US-Präsidenten die Existenz Kanadas bedrohen. Lisse fordert zum Widerstand gegen den US-Despoten auf.
Ein drittes Unabhängigkeitsreferendum?
Der neue Vorsitzende des Parti Québécois, Paul St-Pierre Plamondon, kündigte vorbeugend gegen den Trump-Wahn ein drittes Unabhängigkeitsreferendum an. Die Separatisten können eine lange Tradition bürgerlichen Ungehorsams aufweisen. Dazu zählen die Referenden und der Versuch, wieder in die Québecer Regierung zu kommen.
In separatistischen Kreisen fragt man sich, ob sich eine Trump-Regierung gegen ein unabhängiges Québec wenden würde. Die bisherigen US-Regierungen hielten sich vordergründig zurück, mischten sich nicht offiziell in die innerkanadischen Angelegenheiten ein.
Anlässlich des Referendums von 1995 konnte sich aber US-Botschafter James Blanchard mit einer Ansage nicht zurückhalten. Es gebe keine Garantie, warnte er die Separatisten, dass ein unabhängiges Québec automatisch dem Freihandelsabkommen oder Organisationen wie NATO und NORAD beitreten könnte. So ähnlich tönte es im Vorfeld des schottischen und des katalanischen Unabhängigkeitsreferendum.
US-Außenminister Warren Christopher ließ Québec zehn Tage vor der Abstimmung wissen, dass die Beziehungen der USA zu einer ehemaligen kanadischen Provinz nicht unbedingt dieselben sein würden wie zuvor.
Auf dem Forum der Föderationen 1999 stellte sich auch US-Präsident Bill Clinton hinter die kanadische Einheit. Er beschwor und würdigte den kanadischen Föderalismus als Gegenentwurf zum Québecer Separatismus.
Québec, Kuba des Nordens?
Eine Einmischung war das allemal, aber immerhin in ziviler Form. Donald Trump wird wohl völlig anders reagieren. Ein linkes Québec wäre für ihn wohl ein nördliches Kuba hinter den Großen Seen. Trump versteht wahrscheinlich auch nicht die Beweggründe der Québecer, ihre nationale Identität bewahren zu wollen.
Andererseits ist Québecs Wirtschaft eng mit der der USA verflochten. Die US-Industrien sind auf den Wasserkraftstrom aus Québec angewiesen.
Dafür wurde nach Umsiedlungen Land der Frist Nations überflutet. Das ist übler Québecer innerer Kolonialismus: Die autochthonen Völker werfen Québec vor, ihnen die Selbstverwaltung vorzuenthalten und zu verweigern. Das Verhältnis zwischen den Nachfahren der Ureinwohner und den frankophonen Siedlern ist stark belastet.
Das ökonomische Argument ist nach wie vor das mit Abstand wirksamste des föderalistischen Lagers. Die einen Rückgang ihres Lebensstandards in einem unabhängigen Québec befürchten, könnten zu dem Schluss kommen, dass es besser ist, in Kanada, wie unvollkommen es auch sein mag, zu bleiben, als sich dem Zorn von Trump auszusetzen.
Schutzschild Kanada?
In Québec wird aber auch die MAGA-Strahlkraft gefürchtet. Nicht nur die Separatisten haben Angst, dass der Trump-Wahlsieg Pierre Poilievre und seine Konservativen befeuern wird. Die Wähler in Kanada könnten versucht sein, der amerikanischen Wählerschaft nachzueifern.
Eine Umfrage ergab, dass 38 Prozent der Kanadier Poilievre geeigneter finden, mit Trump zu verhandeln. Das macht deutlich, kommentierte das Journal de Montréal, wie sehr Kanada und auch Québec für US-Ideen empfänglich sind. »Wir werden daher einem mächtigen ultrakonservativen und sogar faschistischen Druck ausgesetzt sein«, warnt die Zeitung.
Kanadische Exporteure werden laut Journal auch von der neuen US-Wirtschaftspolitik erheblich benachteiligt sein. Einige von Trumps Beratern betrachten die kanadischen und die Québecer sozialen Sicherheitsnetze als unfairen Wettbewerb.
Cëla enghe: Regierung von Québec, Bremer Institut für Kanada- und Québec-Studien, Le Journal de Montreal, Québec-Studien Universität Augsburg, First Nations & Meech Lake Agreement, EFA for Québec
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