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Kalaallit Nunaat oder Nunarput:
Blaupause für Unabhängigkeit liegt vor.

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Seit vier Jahren liegt ein Verfassungsentwurf für die grönländische Eigenstaatlichkeit vor. Sieben Jahre lang arbeitete sich eine Sonderkommission an diesem Thema ab. Der Wunsch unter der grönländischen Bevölkerung ist groß, sich von der einstigen Kolonialmacht loszulösen.

Juristische Hürde dafür gibt es keine. Das grönländische Autonomiestatut von 2009 sieht vor, dass Grönland (Kalaallit Nunaat) diesen Entscheid unilateral fällen darf. Also ohne Abstimmung mit der dänischen Regierung.

Mit diesem Autonomiestatut tritt die dritte Stufe der Dekolonialisierung in Kraft, die ersten zwei bestanden in der Deklarierung Grönlands als eigenständigen Bestandteil des dänischen Königreichs (1953) und in der Einführung einer begrenzten Selbstverwaltung (1979).

Schwieriger ist die Finanzierung der Unabhängigkeit. Bisher garantiert der dänische Staat über die »Blocksubvention« das Auskommen der autonomen Insel. Die Transferleistungen belaufen sich laut Neuer Zürcher Zeitung NZZ jährlich auf mehr als 500 Millionen Euro und entsprechen 20 Prozent der regionalen Wirtschaftsleistung. Damit kann die Regionalregierung die Hälfte der öffentlichen Ausgaben finanzieren.

Für die NZZ sind die fehlenden Finanzen und eine eigene tragfähige Wirtschaft (trotz strategischer Rohstoffe wie seltene Erden) der größte Stolperstein auf dem Weg in die Unabhängigkeit. Die Frage ist, ob sich Grönland — die Frage stellt die NZZ — die Unabhängigkeit überhaupt leisten kann.

Trump befeuert Unabhängigkeit

Der neue US-Präsident Donald Trump befeuerte mit seinen Aufkauf-Thesen die grönländische Unabhängigkeitsrhetorik.  Wie schon 2019 »signalisierte« Trump sein Interesse an »dem Besitz und der Kontrolle« Grönlands. Nicht durch eine militärische Eroberung, wie sie Trump-Freund Wladimir Putin in der östlichen Ukraine erfolgreich vorexerziert, sondern mit einer Art Immobiliendeal will der US-Präsident Grönland in den Status eines US-Bundesstaates »erheben«.

»Es ist an der Zeit, dass wir selbst einen Schritt unternehmen und unsere Zukunft gestalten«, reagierte Mute Egede (Inuit Ataqatigiit) in seiner Neujahrsanspracheauf den Trump-Plan. Über die Zukunft ihrer Insel werden laut dem Ministerpräsidenten von der autonomistischen linken Koalitionsregierung (21 der 31 Sitze im Landtag) die Bewohnerinnen und Bewohner entscheiden. Eine Mehrheit ist für die Unabhängigkeit.

Offen ist der Zeitplan, wann das Referendum stattfinden soll und ungeklärt sind die zu erwartenden Auswirkungen der Unabhängigkeit auf den Lebensstandard.

Während Grönland auf die Unabhängigkeit drängt, kündigte Dänemark dagegen vorbeugend Investitionen auf der Insel an. Besonders in seine militärische Präsenz. Die dänische Regierung will ihre Militärbasen aufrüsten und lehnt, wie die grönländische Regierung auch, Trumps Pläne ab.

Auch für die USA ist Grönland von strategischer Bedeutung. Das US-Verteidigungsministerium unterhält einen Air-Force-Stützpunkt mit Frühwarnsystem für ballistische Raketen.

Mit Russland und China in die Unabhängigkeit?

Vor einigen Jahren noch signalisierten Russland und China ihre Unterstützung für die grönländische Unabhängigkeit. Die grönländischen Linksparteien suchten deshalb auch die Nähe zu den beiden angeblichen antikolonialistischen Mächten. Seit der russischen Invasion in der Ukraine ist das Verhältnis zwischen der Insel und den beiden anti-westlichen Staaten deutlich abgekühlt.

Russland und China interessieren sich besonders für die zu bergenden Bodenschätze, zugedeckt von einem Eispanzer. Noch. Auch andere asiatische Staaten sehen in Grönland eine gewaltige Rohstoffreserve. Plötzlich wird die »dänische Provinz« mit ihren knapp 60.000 Einwohner:innen im Eis weltpolitisch interessant. Grönland, eine globale Eisinsel.

Die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) die ihr Augenmerk meist auf globale Themen richtet, schaute sich auch Grönlands Unabhängigkeitsbestreben an. Ein schwieriges Unterfangen, findet die SWP, sind doch Kalaallit Nunaat, Dänemark und die USA eng miteinander verstrickt.

Kalaallit Nunaat, Dänemark, USA

Die SWP-Thesen zusammengefasst: vom Status quo profitieren alle: »Dänemark ist durch die Insel als arktischer Küstenstaat international wichtig und Grönland erhält einen Großteil seiner Ausgaben finanziert. Zur wirtschaftlichen Eigenständigkeit führen viele Wege, doch sie sind mühsam. Die geopolitische Signifikanz des Landes steht im Kontrast zur kleinen Bevölkerungszahl.«

Die Regierung von Kalaallit Nunaat operiert inzwischen mit zwei grundlegenden Dokumenten, mit dem Verfassungsentwurf zur Eigenstaatlichkeit und mit einem Strategiepapier zur Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Die linken Unabhängigkeitspolitiker beanspruchen eine inklusive Außenpolitik Nothing about us without us«).

Es gilt der Anspruch auf Gleichbehandlung als außen- und sicherheitspolitischer Akteur im Verhältnis zu den USA und zur EU. Trotz der eigenstaatlichen Bestrebungen will laut SWP die linke Regierung das Dreiecksverhältnis nicht beschädigen. Grundlagen dieses Verhältnisses sind das trilaterale Abkommen zur US-Basis Pituffik und das arktische Fähigkeitspaket.

Ungeklärt bleibt, ob eine stärkere US-Präsenz auf der Insel Dänemark als Schutzmacht verdrängen wird und wie die grönländischen Parteien darauf reagieren werden. Fakt ist, geografisch gehört die Insel zum amerikanischen Kontinent, bleibt damit nordamerikanisch verankert.

Wie weiter? Freie Assoziation?

Die autonome Inselregierung bestimmt zweifelsohne den Verlauf des Unabhängigkeitsprozesses. Dänemark soll dabei helfen, empfiehlt die SWP, die politischen und sozioökonomischen Grundlagen für eine erfolgreiche Unabhängigkeit in Zukunft zu schaffen.

Als kluge dänische Politik bezeichnet die SWP die Abschwächung der Abhängigkeit von Kopenhagen, also einen größeren Radius der Selbstverwaltung. Damit könnte Kalaallit Nunaat weiterhin im dänischen Verbund verbleiben. Also eine »Unabhängigkeit« unter dänischem Dach.

Eine ähnliche Entwicklung beschreibt auch der Politologe Rasmus Leander Nielsen, der davon ausgeht, dass es keinen klaren Schnitt zwischen Kalaallit Nunaat und Dänemark geben wird. Laut Nielsen von der Universität Ilisimatusarfik/Grönland wird es auf eine »freie Assoziation« hinauslaufen, in der sich zwei souveräne Staaten auf eine enge Zusammenarbeit in gewissen Bereichen einigen.

Als Beispiel zitiert Nielsen das Verhältnis zwischen Marshall-Inseln und USA. Kalaallit Nunaat könnte die Verteidigungspolitik Dänemark übertragen und die übrigen bisherigen »zentralstaatlichen Befugnisse« — wie Verfassung, Staatsbürgerschaft, Außenpolitik sowie Währung und Finanzen — zurückholen. Nielsen wirft der grönländischen Politik vor, trotz ihres Unabhängigkeitstraums nie klar definiert zu haben, was die Selbständigkeit überhaupt bedeutet.

Grönland war bis 1953 dänische Kolonie und ist seit 1979 ein autonomes Territorium des Königreichs. Zuletzt sorgten Enthüllungen über menschenrechtsverletzendes »Fehlverhalten« dänischer Behörden in Kalaallit Nunaat für Aufsehen, darunter eine »erzwungene Geburtenkontrolle« in den 1960er Jahren.

Cëla enghe: IA, Siumut, Atassut, Inatsisartut


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