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Mussolini ist Ehrenbürger der Kulturhauptstadt.
Görz

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Die beiden aneinander grenzenden Städte Görz (Julien) und Neu-Görz bzw. Nova Gorica (Slowenien) sind — neben Chemnitz (Sachsen) — die europäischen Kulturhauptstädte 2025. Voneinander trennt sie eine Staatsgrenze, die nach dem Zweiten Weltkrieg neu durch das historisch mehrsprachige Gebiet gezogen wurde und seit dem Beitritt von Slowenien zur EU wesentlich durchlässiger geworden ist. Slowenisch und Italienisch, Friaulisch und Deutsch gehören zu den autochthonen Sprachen, die hier gesprochen werden.

Im Gemeinderat von Görz kam deshalb im November der Vorschlag auf, dem faschistischen Diktator Benito Mussolini — besser spät als nie — die 1924 erteilte Ehrenbürgerschaft der Stadt abzuerkennen. Spätestens im Faschismus wurde hier schließlich mit rassistischer Gewalt und ungebremster Brutalität versucht, die kulturelle und sprachliche Vielfalt der Region zu unterdrücken, um Italien zu einem monolingualen und kulturell sowie politisch-ideologisch homogenen Nationalstaat zu machen.

Außerdem fiel das faschistische Italien gemeinsam mit Nazi-Deutschland in Jugoslawien ein und beging grausame Kriegsverbrechen.

Doch wer gedacht hätte, dass dem Ansinnen, die Ehrung für den Diktator zurückzunehmen, gerade im Vorfeld der verbindenden Kulturhauptstadtschaft nichts hätte im Wege stehen können, hat die Rechnung ohne die politischen Gegebenheiten im Italien des 21. Jahrhunderts gemacht. Bürgermeister Rodolfo Ziberna (FI), der seine ehemalige Mitgliedschaft bei den sozialistischen Demokraten (PSDI) hervorhob und sich als Antifaschist bezeichnete — jedoch gleichzeitig einer rechtsrechten Stadtmehrheit vorsteht, der auch die neofaschistische FdI angehört —, lehnte den Widerruf ab. Dafür führte er die in Italien sehr beliebte, höchst fadenscheinige Begründung an, man dürfe »die Geschichte nicht auslöschen«, sondern müsse sie bekannt machen, damit sie sich nicht wiederhole. Als hätte die Rücknahme einer Ehrung irgendetwas mit der Auslöschung von Geschichte zu tun.

Vielmehr ist die aktive Entscheidung, die Ehrenbürgerschaft beizubehalten, Ausdruck und Bestätigung von ideologischer Nähe.

Der Beschluss löste sowohl in der Partnerstadt Neu-Görz und in der slowenischen Hauptstadt Laibach als auch bei der slowenischen Minderheit in Görz und Julien Entsetzen und Empörung aus. In Italien ist Mussolini jedoch bis heute wichtiger als Versöhnung, Aufarbeitung und Wiedergutmachung.

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Comentârs

6 responses to “Mussolini ist Ehrenbürger der Kulturhauptstadt.
Görz

  1. Karl-Heinz Völker avatar
    Karl-Heinz Völker

    Was soll man dazu sagen? Passt zum Denkmal in Re di Puglia.
    So schafft man sich Freunde :-)

    Brava gente oder doch lianta de gnole ?

    1. Karl-Heinz Völker avatar
      Karl-Heinz Völker

      Ich muss ergänzen:
      ich habe Urlaub in der Nähe von Gorizia verbracht, durchwegs freundliche Menscher erlebt und eher eine Nostalgie für Kaiser Franz Joseph erlebt, nie für Mussolini und Spießgesellen.

      1. Karl-Heinz Völker avatar
        Karl-Heinz Völker

        Mir fällt noch Anton Kuh “Die Narren von Görz” dazu ein, auf YT ist Qualtingers Lesung zu hören.

  2. Hartmuth Staffler avatar
    Hartmuth Staffler

    Man kann auch ergänzen, dass in Brixen der faschistische Kriegsverbrecher Gennaro Sora, der in Abessinien tausende Frauen und Kinder ermordet hat, weiterhin Ehrenbürger ist. Die SVP-Mehrheit weigert sich standhaft, dem Sora die Ehrenbürgerschaft abzuerkennen, die ihm 19228 vom damaligem faschistischen Podestà verliehen wurde.

    1. Simon avatar

      In welchem Jahr?

      1. Hartmuth Staffler avatar
        Hartmuth Staffler

        Verzeihung für den Tippfehler. Die Verleihung der Ehrenbürgerschaft der Stadt Brixen an Gennaro Sora, von Mussolini zum “Eroe del Polo” ernannt, erfolgte im Jahr 1928 durch den damaligen Podestà Frediani., Es ist die einzige Ehrenbürgerschaft der Gemeinde Brixen, die nicht durch einen demokratischen Beschluss des Gemeinderates, sondern durch einen Akt eines faschistischen Amtsbürgermeisters beschlossen wurde. Sora ist auch Autor des blasphemischen Gebetes “Preghiera dell’Alpino”, in dessen Originalversion auch für den König und für Mussolini gebetet wurde. Die beiden sind zwar aus dem Gebetstext eliminiert worden, aber der aggressive Charakter des “Gebetes” hat sich dadurch nicht geändert.

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