Ich möchte hier nochmal auf das Ergebnis der amtlichen Sprachgruppenzählung in der Landeshauptstadt zurückkommen, wo die deutsche Sprachgruppe, die bis zur Annexion und auch noch bis zum Faschismus eine große Mehrheit gestellt hatte, zum wiederholten Mal geschrumpft ist. Nicht einmal mehr ein Viertel der erklärenden Bevölkerung gehört laut jüngsten Daten — erstmals seit Inkrafttreten des Zweiten Autonomiestatuts 1972 — der deutschen Sprachgruppe an.
Die Landesautonomie hat es also in der Hauptstadt nicht geschafft, den Assimilierungs- und Majorisierungseffekt, der vom faschistischen Regime mit großer Brutalität in Gang gesetzt und von der italienischen Republik in der Nachkriegszeit fortgeführt wurde, mittelfristig zu stoppen und umzukehren.
Wie die Daten zeigen, hat es seit der ersten Erhebung, die nach Inkrafttreten der Landesautonomie von 1972 im Jahr 1981 durchgeführt worden war, nur eine kurzfristige Erholung der deutschen Sprachgruppe gegeben, die 1991 ihren Höhepunkt erreicht hat. Seitdem wurde bei jeder einzelnen Zählung ein Rückgang verzeichnet, der die Konsistenz der deutschen Sprachgruppe schon 2011 unter den Wert von 1981 zurück und — wie bereits gesagt — bei der letzten Erhebung sogar unter die Schwelle von einem Viertel der Gesamtbevölkerung geführt hat.
Eine aktive Sprachpolitik, die diese Entwicklung stoppen könnte, gibt es in Südtirol — anders als in vergleichbaren Minderheitengebieten (01
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) — nicht. Bei der Regierungspartei SVP, die einst hauptsächlich für Minderheitenschutz stand, scheint sogar das Bewusstsein dafür zu fehlen, dass Maßnahmen nötig wären.
Seit 1991 ist die deutsche Sprachgruppe nicht nur alle zehn Jahre geschrumpft. Vielmehr wurde sogar ein von Erhebung zu Erhebung wachsender Rückgang im Vergleich zur vorhergehenden Zählung verzeichnet (2001: -0,32 / 2011: -0,77 / 2024: -0,78 Prozentpunkte). Dies wird 2024 nur dadurch relativiert, dass sich der Zeitraum zur vorhergehenden Erhebung coronabedingt etwas verlängert hat.
Wie schon mehrmals geschrieben, hat Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP) die Ergebnisse der Sprachgruppenzählung sogar positiv bewertet, weil sie seiner Meinung nach zeigen, dass die Autonomie allen zugute kommt. Das ist eine mögliche, meiner Meinung nach jedoch naive Lesart. Wenn nämlich der Minderheitenschutz der Mehrheitsbevölkerung zugute kommt, heißt das im Umkehrschluss, dass er nicht — oder nicht ausreichend — funktioniert. In der Landeshauptstadt, die nicht irgendeine Gemeinde ist, sondern auch eine wichtige Mittelpunktfunktion wahrnimmt, ist dies noch sichtbarer und gleichzeitig noch besorgniserregender als anderswo.
Man könnte also auch sagen, dass die koloniale Logik, die mit der Annexion durch Italien in Gang gesetzt wurde und im Faschismus eine drastische Beschleunigung erfuhr, durch die Autonomie nach einer ersten kurzen Trendumkehr nur verlangsamt, aber nicht gestoppt oder gar umgekehrt werden konnte. Gewollt oder ungewollt, bewusst oder unbewusst wirkt sie bis heute fort und nimmt sogar wieder schleichend an Fahrt auf.
Dies gilt umso mehr, als die Daten einiges verschleiern, was die reale Situation noch besorgniserregender erscheinen lässt. Zum Beispiel, dass an der Sprachgruppenzählung nur italienische Staatsbürgerinnen teilnehmen dürfen und gerade Zugewanderte vom Staat aktiv in die italienische Sprachgruppe integriert werden. Dass unter denen, die sich der italienischen Sprachgruppe zugehörig erklären, die Kenntnis der deutschen Sprache deutlich weniger verbreitet ist als die Kenntnis der italienischen Sprache unter denen, die sich als deutsch erklären. Oder dass Deutsch als Verständigungssprache über die Grenzen der Sprachgemeinschaften hinweg schwindet.
All das zeigt sich bereits auf Landesebene, ist aber in Bozen schon seit Jahrzehnten zu beobachten.
Die von Alessandro Urzì (FdI) geforderte Abschaffung oder drastische Reduzierung der Ansässigkeitsklausel würde ihre Wirkung in der Landeshauptstadt wohl am schnellsten entfalten.
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