Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP) findet, das Ergebnis der Sprachgruppenzählung 2024, das für die deutsche und die ladinische Minderheit einen landesweiten Rückgang verzeichnen lässt, sei
ein Beleg dafür, dass das Autonomiesystem, das versucht, alle drei Sprachgruppen gleichermaßen zu unterstützen, funktioniert.
– Arno Kompatscher
Der ladinische Landeshauptmannstellvertreter Daniel Alfreider (ebenfalls SVP) zeigt sich über folgende Ergebnisse sogar »erfreut«:
Entwicklung der ladinischen Sprachgruppe in den mehrheitlich ladinischen Gemeinden Südtirols (2011-2024): Auszug aus der Karte des Autonomy Dashboard South Tyrol (Bearbeitung von mir)
Man könne sagen
dass die ladinische Sprachgruppe praktisch stabil geblieben ist (sie ist um 0,12 Prozentpunkte gegenüber der Volkszählung 2011 gesunken, als sie 4,53% erreichte). […] Die Ladiner[:innen] werden als lebendige Gemeindschaft mit guten Zukunftsperspektiven bestätigt. […] Alfreider bedankt sich bei allen, die sich für das gute Ergebnis (sic) der Volkszählung 2024 eingesetzt haben.
– Daniel Alfreider (Quelle)
Auf diese Stellungnahme hat mich ein Bekannter aufmerksam gemacht.
Realitätsverlust
Die ladinische Sprachgruppe ist auf Landesebene in zwölf Jahren tatsächlich um 0,12 Prozentpunkte geschrumpft. Ihr Anteil ist damit um 2,65% zurückgegangen, mehr als doppelt so viel wie jener der deutschen Sprachgruppe. In ihrem Siedlungsgebiet — dort also, wo sich das Überleben der ladinischen Minderheit hauptsächlich entscheidet und wo ihre Sprache einige wenige Rechte genießt — betrug der Rückgang 2,58 Prozentpunkte.
Vergleichen wir: Anfrang 2023 wurde in Québec ein Rückgang der frankophonen Bevölkerung von 79,0% auf 77,5% (-1,5 Prozentpunkte und -1,9%) konstatiert. Darüber hat sich niemand »erfreut« gezeigt. Vielmehr hat dies Ministerpräsident François Legault (Coalition Avenir Québec – CAQ) sofort zum Anlass genommen, eine »Aktionsgruppe für die Zukunft der französischen Sprache« in Québec ins Leben zu rufen, um den Negativtrend zu stoppen und umzukehren. Dies obwohl kurz vorher bereits eine deutliche Verschärfung der ohnehin starken Sprachgesetzgebung beschlossen worden war, die nicht etwa wie in Südtirol auch die staatliche Mehrheitssprache schützt, sondern asymmetrisch die französische Minderheitensprache.
Der Minderheitenschutz zählt ganz offenbar nicht mehr zu den Kernkompetenzen der Volkspartei.
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