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Mit Putin im Saal.
Ganser und seine kruden Friedensthesen

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Daniele Ganser, laut Eigendefinition Konflikt- und Friedensforscher, hat einen übervollen Terminplan. Im neuen Jahr wird er in österreichischen und deutschen Städten seine Sicht auf die Welt kundtun. Es ist eine durch und durch antiamerikanische Sicht der Dinge. Die USA, kurz und kompakt seine These, sind an allem schuld.

Einladende sind meist obskure Vereine und Organisationen, in Österreich beispielsweise die Menschheitsfamilie von Johann Peter Schutte, einst ein »Widerstandskämpfer« gegen die bürgerrechtseinschränkenden Anti-Corona-Maßnahmen und gegen die »Zwangsimpfungen« oder die Menschheitsfamilie in Deutschland, die gleichauf mit den beiden prorussischen Parteien AfD und BSW ein Ende der »anti-russischen« Sanktionen und einen Stopp der Waffenlieferungen an die Ukraine fordert.

In Südtirol nennt sich die »Menschheitsfamilie« Wir-Noi-Südtirol/Sudtirolo, getragen von einer ganzen Reihe von Unternehmer:innen und Unternehmen, gemäß Selbstdarstellung eine Sozialunion, die Ende November Daniele Ganser in den Kursaal von Meran einlud. Es ging um nichts weniger als den Weltfrieden. Und: diesen Weltfrieden gefährden einzig und allein die USA. Ganser verweist dabei auf das Engagement der inzwischen abgewählten Biden-Administration zugunsten der überfallenen und vielerorts zerstörten Ukraine. 

Zu den Gefährdern zählt der Historiker Ganser auch die NATO. Angeführt von den USA drängt die NATO auf eine Eskalierung des »Konflikts«, warnt der besorgte Ganser, in den auch die europäische Bevölkerung involviert werden soll. Bewusst gelogen, nicht die aktuelle US- und NATO-Führung will das, sondern der neue US-Präsident Donald Trump.

Ganser vermeidet es bewusst, von einem russischen Eroberungskrieg zu sprechen. Lieber verwendet der »Friedensforscher« den verharmlosenden Begriff »Konflikt«. 

In ihrem Krieg eskaliert ständig die russische Armee, die NATO liefert hingegen einem überfallenen Land nur Waffen zur Notwehr. Ganser, der Russland-Verharmloser, derer es auf der linken und rechten Seite viele gibt, findet, dass Russland keine Gefahr für Europa darstelle und die Ukraine keineswegs der Auftakt eines territorialen Feldzuges in Richtung Westen sei.

Ganser kritisiert zwar den »Konflikt« Russlands mit der Ukraine als illegal, die Verantwortung dafür trage aber ausschließlich der Westen. NATO-Osterweiterung trotz anderslautender Versprechen, die es aber nie gab, westliche Unterstützung für die demokratische ukrainische Regierung, angebliche Einkreisung Russlands durch den Westen. Das ist die Erzählung des russischen Regimes, warnt Galia Ackerman, die den russischen Staat als Mafia-Unternehmen geißelt, als die vollendete Perfektion der organisierten Kriminalität.

Ganser, stellvertretend für andere »Querdenker:innen«, ist ein Sprachrohr Wladimir Putins im Westen. Während in Russland tatsächliche Querdenkende verfolgt, eingesperrt und auch ermordet werden, kann Ganser im Westen — unter dem Schutzschirm der NATO — seine wirren Thesen grenzenlos verbreiten. Wie letzthin auch im Meraner Kursaal, Putin zur Freude.

Das Massaker von Butscha fand laut Ganser gar nicht statt, er findet, die Ukraine inszenierte die Massenmörderei. Möglicherweise wird Ganser dafür von seinem Idol Putin mit dem »Sankt-Georgs-Band« geehrt. Zur Erinnerung: Im Bosnienkrieg behaupteten die serbischen Killer, die Bosniaken würden Anschläge auf die eigene Bevölkerung verüben, um dann Serbien dafür verantwortlich zu machen.

Ganser und seine kruden Thesen sind ganz einfach unseriös, finden die Volksverpetzer. Auch Salto zerklaubte vor einem Jahr schon Gansers Sicht auf die Dinge. Das Schweizer Untergrund-Blättle verortet Ganser weit rechts. Nicht von ungefähr, denn Ganser vergleicht die Folgen der Corona-Pandemie mit dem Holocaust. Rebecca Seidler von der Liberalen Jüdischen Gemeinde Hannover nennt Ganser und seine Thesen gefährlich:

Verschwörungserzählungen sind keine Meinung, sondern spalten die Gesellschaft und greifen unsere demokratischen Grundwerte an … Es kann Antisemitismus geben ohne Verschwörungserzählungen, aber nicht umgekehrt.

Wir-Noi-Südtirol/Sudtirolo setzte sich über die zahlreiche fundierte Kritik an Ganser hinweg. Für Wir-Noi steht der friedensforschende Historiker für Deeskalation und Friedensgespräche. Dafür wird er von den Massenmedien diffamiert, wies die »Sozialunion« die wohl unfundierte Kritik der »Lügenmedien« an ihrem Gast zurück. Zu unrecht, findet Wir-Noi, gelte Ganser beim Mainstream als »Verschwörungstheoretiker«, als »Putinversteher« und »Holocaustverharmloser«.

Damit würden die Leitmedien Daniele Ganser beschmieren, so der Vorwurf von Wir-Noi. Offensichtlich zählt Wir-Noi auch zu dieser Szene. Dabei wirbt diese »Sozialunion« für selbstbestimmte Menschen und für Menschenrechte, die aber beispielsweise für die Ukraine nicht gelten.

Trotz dieser offenkundigen Schlagseite stilisierte Salto Wir-Noi zu Kämpfern für Grundrechte. Im Verbund mit der Menschenfamilie, mit der Plattform für mehr Meinungsfreiheit und mit dem Verein Frei-Netz, der für »mediale Aufklärung« wirbt, reiht sich Wir-Noi in die illiberale »Querfront« ein. Und mit dabei ist auch immer der russische Kriegspräsident Wladimir Putin, der sich über so viel westliche Unterstützung, auch aus Unternehmer:innenkreisen, tierisch freuen wird.


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