Katalonien hat ein Schulsystem, das ich hier schon mehrmals als vorbildlich für den Minderheitenschutz und die Gewährleistung gesellschaftlichen Zusammenhalts bezeichnet und als Ideallösung — auch für Südtirol — vorgeschlagen hatte. Das System wird offiziell »katalanische Immersion« genannt und besteht in einer sehr stark asymmetrischen Sprachverteilung, um den Automatismen und Schieflagen des Nationalstaats entgegenzuwirken (affirmative action): Fast alle Fächer werden in katalanischer Sprache unterrichtet, einige wenige auf Spanisch (Kastilisch). Der Erfolg bei Spracherwerb und Kohäsion gibt den Katalaninnen recht.
Immer wieder versuchen in Katalonien einzelne Eltern mithilfe nationalistischer Vereine einsprachig kastilische Schulen gerichtlich durchzusetzen, obwohl das Verfassungsgericht schon mehrmals die Rechtmäßigkeit der »katalanischen Immersion« festgestellt hat. Die Zahl der Eltern, die ihre Kinder in eine solche einsprachige Schule (wie es sie in Südtirol gibt) einschreiben würden, ist Umfragen zufolge unterhalb der statistischen Relevanz.
Interessant ist, dass die »katalanische Immersion« auf internationaler Ebene regelmäßig als Modell bzw. als best practice ausgezeichnet wird, und dass Vorstöße, das Modell einzuschränken, in ganz Europa Widerspruch ernten. Die Töne, die dabei zur Verteidigung des katalanischen Systems angeschlagen werden, sind auch für uns Südtiroler interessant:
Die europäischen Institutionen würdigen erneut das katalanische Bildungssystem, welches auf die »katalanische Immersion« aufbaut, nachdem sie es mehrmals — vor allem was die Sprachvermittlung betrifft — als Modell bezeichnet hatten. Diesmal ist es die Vorsitzende der Kultur- und Bildungskommission des Europäischen Parlaments, Doris Pack (EVP), welche betont, dass »die Trennung der Schüler nach Muttersprache zu einer Teilung des Landes führen würde.« Für Pack »[ist] es gut, dass Menschen, die nach Katalonien zuwandern, die katalanische Sprache sprechen und verstehen, [nicht nur] aus Respekt«; »wir haben in Deutschland auch keine türkischen Schulen«. Pack hat sich an Eltern gewandt, die von anderen spanischen Regionen oder aus dem Ausland nach Katalonien kommen und ihren Kindern eine kastilische Schulbildung geben möchten, dass »sie sich daran gewöhnen sollten, die Sprache ihres Viertels, ihrer Stadt und des neuen Landes zu sprechen, in dem sie leben«.
Pack, Pädagogin und langjährige Europaparlamentarierin, findet es positiv, dass »Madrider, die nach Katalonien ziehen, Katalanisch lernen« und lobt die Katalanen »für ihre Mehrsprachigkeit«. Die Kommissionsvorsitzende betont, dass »keine der beiden Sprachen fallen gelassen werden darf und beide zu fördern sind, doch das kann man nicht nur durch getrennte Schulen erreichen«. Pack geht noch weiter und ruft außerdem dazu auf, noch eine weitere Sprache, zum Beispiel Englisch oder Französisch, »gut« zu lernen.
Außerdem wendet sich Pack an die jungen Spanier außerhalb Kataloniens, welche (gemäß Statistik) oft keine Fremdsprache gut genug beherrschen, um etwa im Ausland zu arbeiten. »Südamerika ist weit weg; Frankreich, Deutschland und Italien befinden sich hingegen in unmittelbarer Nähe«. »Wir haben einen gemeinsamen Markt, der große Gelegenheiten bietet, doch wenn wir nicht die erforderlichen [sprachlichen] Fähigkeiten ausbauen, ist es schwierig, davon zu profitieren«. In diesem Zusammenhang erwähnt sie die Überraschung, welche in Deutschland herrsche, wo händeringend nach qualifizierten Arbeitskräften gesucht wird, während die arbeitslose Jugend in manchen EU-Ländern nicht angezapft werden könne, da sie über keinerlei Fremdsprachkompetenzen verfügt.
Bereits 2009 hatte das Europaparlament die »katalanische Immersion« als »wirksamstes Modell zur Förderung der Mehrsprachigkeit« bezeichnet. Die bei dieser Gelegenheit verabschiedete Vorlage lehnte das Recht der Eltern, die Schulsprache der Kinder zu wählen, grundsätzlich ab, da dies der Kohäsion schade.
Andere gemeinschaftliche Institutionen haben das katalanische Bildungssystem ebenfalls gewürdigt. Die Europäische Kommission ging sogar so weit, es als »best practice« offensiv für mehrsprachige Gebiete in der EU vorzuschlagen. Im Jahr 2008 teilte die Kommission außerdem mit, es gebe in Katalonien [aufgrund der »katalanischen Immersion«] keine Diskriminierung der kastilischen Sprache. Ein Jahr zuvor hatte auch der Europakommissar für Mehrsprachigkeit, Leonard Orban, das Bildungssystem als vorbildlich und nachahmenswert bezeichnet. Er stützte sich auf ein Gutachten von Sprachexperten der Europäischen Kommission.
Der Europarat, der für die Charta der Regional- und Minderheitensprachen zuständig ist, bezeichnete das katalanische System 2008 als das bestmögliche und empfahl sogar eine noch stärkere Asymmetrie. Zuvor hatte der Rat 2005 bereits València und den Balearen empfohlen, dasselbe Bildungsmodell einzuführen.
Quelle: Racó Català.
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