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Kaschmir fordert Autonomie.

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Bei den Regionalwahlen setzte sich die autonomistische National Conference (NC) durch.

Der indische Ministerpräsident Narendra Modi wird sich ordentlich gewundert haben: Die muslimische Bevölkerung Kaschmirs votierte bei den Regionalwahlen mit übergroßer Mehrheit für die National Conference von Omar Abdullah. Er und seine NC stehen für eine strikte und weitreichende Autonomie ihrer Region.

Diese ist seit 2019 unter direkter Kontrolle der indischen Zentralregierung, Modi hob damals die regionale Autonomie auf und unterstellte Kaschmir einem Gouverneur, einem staatlichen Kontrolleur.

Mit dem Bürgervotum im Rücken fordert der siegreiche Abdullah die Wiederherstellung der regionalen Autonomie. Präziser, die Wiederherstellung der Staatlichkeit. Er verweist auf das überaus deutliche Wahlergebnis.

Kolonialmacht Indien

Die Kaschmiri sind gegen ihren Willen indische Staatsbürger. 1947 »fiel« das Himalajatal mit seiner muslimischen Bevölkerung an Indien, wurde von Pakistan abgetrennt. Im ersten pakistanisch-indischen Krieg 1948/1949 setzte sich Indien durch, das Kaschmir und Jammu (hinduistische Bevölkerungsmehrheit als Aufpasser über Kaschmir) eine starke Autonomie »gewährte«. In 1962 »zwackte« die kommunistische Volksrepublik China Askai Chin im äußersten Osten Kaschmirs ab.

Im Jahr 1965 zettelte Pakistan einen zweiten Krieg gegen Indien an und scheiterte abermals an der indischen Armee. In einem Abkommen bekannten sich 1972 die beiden Staaten zur Waffenstillstandslinie als Grenze. Ein weiterer Konflikt brach 1999 aus, die indische Armee schlug ein weiteres Mal die Pakistani zurück.

Die Lage in Kaschmir verschärfte sich nach dem Wahlerfolg der nationalistisch-rassistischen Indischen Volkspartei (Bharatiya Janata Party) von Modi. Seine Regierung siedelte Hindus in Kaschmir an, hob 2019 den Autonomiestatus auf und löste den Unionsstaat Kaschmir auf.

Bewaffnete Separatisten, gesponsert vom korrupten Pakistan, wehrten sich gegen die Kolonialisierung ihrer Region, die indische Armee ging brutal gegen die Zivilbevölkerung vor. NGOs belegten unzählige Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen. Mehr als eine halbe Million indische Soldaten sind in Kaschmir stationiert. Kaschmir gilt deshalb als eine der am stärksten militarisierten Regionen der Welt.

Friedensmacht Indien?

Ausgerechnet dieses Indien soll gemeinsam mit den anderen BRICS-Staaten, von Antiimperialisten als Gegenentwurf zum Westen hochgelobt, den Krieg in der Ukraine beilegen. Indien kritisierte nie den russischen Eroberungskrieg, nennt nie Täter und Opfer und beteiligt sich engagiert an der Umgehung westlicher Sanktionen gegen Russland.

Indien zerstört mit seiner Wirtschaftspolitik das Land und das Leben der Adivasi, der indigenen Völker im Bundesstaat Odisha. Die Adivasi-Koordination dokumentiert die vielfältigen Übergriffe auf die Adivasi, ganz oben steht dabei der ungehinderte Landraub. Die ehemalige britische Kolonie Indien agiert selbst wie eine Kolonialmacht, rücksichts- und schonungslos. In Indien herrscht ein unerklärter Krieg gegen die Minderheiten. Dieses boomende Land soll zum Frieden in der Ukraine beitragen? Ein furchtbar schlechter Witz.

Abdullah für Autonomie

So wird es offensichtlich auch in Kaschmir empfunden, deshalb auch der überwältigende Sieg der National Conference. Wahlgewinner Omar Abdullah stammt aus einer Familie, die die regionale Politik seit 1947 bestimmend geprägt hat. Großvater Sheikh Abdullah war Kaschmirs erster Ministerpräsident nach der Unabhängigkeit, sein Vater Farooq war in den achtziger Jahren Regierungschef. Von 2009 bis 2014 war Omar Abdullah bereits Ministerpräsident.

Es gibt aber auch Kritik an der einflussreichen Familie. Für die eigene Macht gingen die Abdullahs viel zu oft Kompromisse mit der Zentralregierung ein, wandten sich gegen eine Sezession. Nicht nur, die National Conference paktierte gar mit der Indischen Volkspartei, Abdullah wurde dafür mit einem Ministerposten belohnt. Dieses Bündnis mit den Hindu-Nationalisten erwies sich als Fehler. 2002 wählten die Kaschmiris die NC ab.

Autonomie statt Sezession

Die NC ging auf Distanz zur Modi-Partei, kritisierte die Abschaffung des Autonomie-Verfassungsartikels 2019, sein Image wuchs auch nach seiner Verhaftung. Bei den Parlamentswahlen im Juni setzte sich trotzdem Abdul Rashid gegen Abdullah durch, ein Befürworter der staatlichen Eigenständigkeit Kaschmirs. Rashid konnte bei den jüngsten Regionalwahlen aber überraschend seinen parlamentarischen Erfolg nicht wiederholen.

Offenbar setzen die Kaschmiris auf Dialog, auf Autonomie statt auf Sezession. Trotz der zentralstaatlichen Gängelung können die Separatisten nicht mehr punkten, wenige junge Männer schließen sich der Untergrundbewegung an, auch die Zahl der Anschläge ist rückläufig.

Die Regionalwahlen zugunsten der NC sind eine Absage an Gewalt und ein deutliches Signal zugunsten demokratischer Mitbestimmung. Ob die nationalistische Regierung von Ministerpräsident Modi, ein Freund des russischen Kriegspräsidenten Wladimir Putin, dies auch versteht? Modi scheint nicht bereit zu sein, Kaschmir die gestohlene Autonomie wieder zurückzugeben. Benzin ins Feuer der Separatisten.

Siehe auch: Baltistan gegen Pakistan, Kaschmir und die indische Demokratie, Dunkelheit in Kaschmir.


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