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Die FPÖ und das Nazi-Begräbnis.

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Am Freitag wurde Walter Sucher, früherer FPÖ-Politiker und ‘Alter Herr’ der Burschenschaft Olympia, in Wien zu Grabe getragen. Mit dabei: mehrere FPÖ-Kandidaten der heutigen Nationalratswahl (einschließlich des Wiener Landeslistenführers Harald Stefan), der Nationalratsabgeordnete Martin Graf oder Ibiza-Einzelfall Johann Gudenus. Wie ein Video beweist, wurde bei der Trauerfeier Und wenn alle untreu werden, das »Treuelied« der Verbrecherorganisation SS angestimmt. Es ist zwar nicht zu erkennen, ob die FPÖler mitgesungen haben, doch niemand hat das Lied zum Anlass genommen, die Veranstaltung zu verlassen oder sich auch nur nachträglich ausdrücklich davon zu distanzieren. Stattdessen spricht die Kickl-Partei allen Ernstes von einer »Pietätlosigkeit«, weil der schockierende Vorfall thematisiert wurde — und nicht etwa, weil ein Nazilied angestimmt wurde.

Die Jüdische HochschülerInnenschaft hat gegen die Teilnehmenden Anzeige erstattet, die Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen Wiederbetätigung eingeleitet.

Im Vorfeld der Nationalratswahl hatte auch die STF, die — wenn es um den italienischen Faschismus geht — immer wieder Antifaschismus heuchelt, zur Wahl der Kickl’schen Kellernazis aufgerufen. Vielleicht hat ja wenigstens sie etwas zum SS-Lied zu sagen? Achso… wohl eher nicht.

Cëla enghe: 01 02 03 04 05 06



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Comentârs

12 responses to “Die FPÖ und das Nazi-Begräbnis.”

  1. Hartmuth Staffler avatar
    Hartmuth Staffler

    Der Text für das Studentenlied “Wenn alle untreu werden” wurde im Juni 1814 von Max von Schenkendorf geschrieben, die Melodie stammt von einem französischen Volkslied. Max von Schenkendorf gilt als einer der bedeutendsten Lyriker der Befreiungskriege und wurde als solcher auch in ganz Tirol immer sehr geschätzt. Die SS hat das Lied mit abgeändertem Text (aus Reue wurde Treue, eine den Nazis nicht passende Strophe wurde gestrichen) in ihr Liederbuch aufgenommen, wo es gleich nach dem Deutschlandlied und dem Horst-Wessel-Lied an dritten Stelle stand. Aus dem Deutschlandlied war natürlich die in der Nazizeit verpönte dritte Strophe gestrichen worden, weil “Recht und Freiheit” den Nazis zuwider waren. An zweiter Stelle im SS-Liederbuch stand das an die heutige italienische Nationalhymne angelehnte Horst-Wessel-Lied (Die Reihen fest geschlossen – stringiamoci a coorte). Es wäre aufschlussreich zu wissen, ob in Wien die Originalversion des Liedes von Max von Schenkendorf gesungen wurde (was ich eher bezweifle), oder die SS-Version, was bedenklich wäre.

  2. Günther Colli avatar
    Günther Colli

    Wenn Dummheit weh tun würde,dann würden die Herren die da glauben eine Anzeige machen zu müssen,nur mehr schreien vor Schmerzen

    1. Simon avatar

      Ach wirklich? Die Bekämpfung von nationalsozialistischer Wiederbetätigung ist dumm?

      1. Hartmuth Staffler avatar
        Hartmuth Staffler

        Die Bekämpfung nationalsozialistischer Wiederbetätigung ist nicht dumm, sondern notwendig. Die Frage ist aber, ob man das Singen eines alten Studentenliedes bei der Beerdigung eines alten Studenten als gefährliche Wiederbetätigung einstufen kann, nur weil das Lied, wie so vieles, von den Nazis missbraucht wurde. Womöglich hat man nach der Beerdigung auf das Wohl des Verblichenen – horribile dictu – auch noch ein Glas Zweigelt getrunken. Die Gefährlichkeit der FPÖ liegt meiner Meinung nach nicht in solchen nostalgischen Sentimentalitäten, sondern in der extrem aggressiven, Fakten leugnenden oder verfälschenden Politik ihres An-Führers. Der Beifall des extremen Rechten Europas gilt dieser rechtsextremen Politik und nicht einem Friedhofsgesang.

      2. Simon avatar

        Ob man es als Wiederbetätigung einstufen kann, wird wohl die Justiz entscheiden. In Österreich gibt es dazu meines Wissens (anders als in Italien) ja klare Gesetze.

      3. Hartmuth Staffler avatar
        Hartmuth Staffler

        Man befasst sich mit Kleinigkeiten und verschließt vor den großen Problemen die Augen. So kann man die Rechten nicht stoppen.

      4. Simon avatar

        Ich denke, man kann sich mit den sogenannten »Kleinigkeiten« auch befassen, ohne die Augen vor den großen Problemen zu verschließen. Das eine schließt das andere nicht aus. Und eine wehrhafte Demokratie kann gar nicht anders, als den Intoleranten mit Intoleranz zu begegnen.

  3. Cicero avatar
    Cicero

    Ich würde vorschlagen man teilt das Hinscheiden jeglicher “Nazis” nicht nur der Trauergemeinde sondern den einschlägigen “Antifaschisten” Gruppen mit, sodass diese dann vorsorglich vor oder gar im Friedhof eine Gegendemonstration gegen etwaige erschienene Gesinnungsgenossen des Verstorbenen organisieren können, sodass diese gar nicht auf die Idee kommen den letzten Willen des Verblichenen am Grab zu exekutieren. Denn auch eine Beerdigung und private Trauer muss in der heutigen Zeit auf “faschistische Umtriebe” abgeklopft und diese ggf. bereits im Vorfeld verhindert werden. LOL

    1. Simon avatar

      Inzwischen sind neonazistische Umtriebe und Äußerungen also schon so normalisiert, dass Demokratinnen, die das nicht einfach hinnehmen wollen, öffentlich verhöhnt werden.

      Nur weil ein Verstorbener irgendeinen letzten Willen äußert (oder ihm dieser letzte Wille unterstellt wird), heißt das noch lange nicht, dass seine Umsetzung unkritisch hinzunehmen ist, wenn sie womöglich eine Straftat darstellt. Dies gilt umso mehr, als hier Personen des öffentlichen Lebens involviert sind, die als Politiker auch noch die Geschicke des Landes mitbestimmen.

      1. Hartmuth Staffler avatar
        Hartmuth Staffler

        Es ist durchaus üblich, einen verstorbenen ehemaligen Studenten mit einem Studentenlied zu verabschieden. Da betreffende Lied stammt aus der Zeit der napoleonischen Befreiungskriege und ist uns Tirolern daher nahestehend. Die SS hat das Lied mit abgeänderten Text übernommen, allerdings sind sich die meisten Sänger heute gar nicht bewusst, ob sie die harmlose Originalversion aus dem Jahr 1814 oder die SS-Version singen. Im Kantusprügel, dem studentischen Liederbuch aus dem Jahr 1898, das ich von meinem Großvater geerbt habe, stand jedenfalls nur die Originalversion, weil der Nazi-Wahn damals noch in weiter Ferne lag. So haben auch wir als Oberschüler in Brixen mit Begeisterung das alte Studentenlied gesungen, ohne zu wissen, dass es inzwischen von der SS missbraucht worden war. Wenn ich das Lied heute höre, dann denke ich selbstverständlich nicht an nationalsozialistische Umtriebe, sondern an alte Studentenzeiten, in denen das demokratische Prinzip hochgehalten wurde. Mir gefällt auch die französische Originalversion (“Pour aller à la chasse faut etre matineux”), die ich ebenfalls ohne jeden Hintergedanken gesungen habe. Ich hoffe mich nicht strafbar gemacht zu haben.

      2. Simon avatar

        Sicher nicht. Nicht in Südtirol. Sie können also ganz beruhigt sein.

      3. Hartmuth Staffler avatar
        Hartmuth Staffler

        Da bin ich jetzt wirklich beruhigt. Als Oberschüler mussten wir uns ja noch vor der italienischen Polizei in Acht nehmen, wenn wir ein deutsches Lied gesungen haben.

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