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Schule und Sprache, latenter Rassismus.

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Sabine Giunta, der Bildungsexpertin der Südtiroler Grünen, offenen Rassismus vorzuwerfen, wäre wohl übertrieben und ungerecht. Ihre vom Corriere (Südtirolbeilage, 10. September 2024) wiedergegebenen Aussagen, mit denen die Schulführungskraft die sprachlichen Schwierigkeiten deutscher Schulen in einigen Südtiroler Städten in Abrede stellt, gehen aber zumindest in diese Richtung. Sie gibt da zu bedenken, dass es in der deutschen Schule nur 8 Prozent »Ausländer« und 150 Sprachförderkräfte gebe, in der italienischen Schule 23 Prozent »Ausländer« und rund 30 Sprachförderkräfte.

Das klingt erst einmal nach einem riesigen Unterschied in der Anzahl an Schülerinnen mit einer anderen Staatsbürgerinnenschaft. Doch wenn wir berücksichtigen, dass die deutschen Schulen insgesamt rund dreimal so viele Schülerinnen zählen wie die italienischen Schulen, gibt es in absoluten Zahlen13×8=24 (also nicht in Prozenten) an deutschen und italienischen Schulen ziemlich genauso viele »ausländische« Schülerinnen.

Bei etwa genauso vielen »ausländischen« Schülerinnen haben die deutschen Schulen — wenn Giuntas Angaben stimmen — aber noch immer rund fünf Mal so viele Sprachförderkräfte (30:150).

Doch hier kommt der latente Rassismus ins Spiel, denn es geht in Wahrheit weder nur um »ausländische« Schülerinnen noch um alle »ausländischen« Schülerinnen, wie ich schon hier beschrieben hatte: Weder beherrschen alle »Ausländerinnen« die Unterrichtssprache schlecht noch beherrschen sie alle »Inländerinnen« gut. Vielmehr stellt sich die Frage: Wie viele Schülerinnen an der italienischen Schule sprechen kein oder kaum Italienisch, wie viele Schülerinnen an der deutschen Schule kein oder kaum Deutsch? Die verfügbaren Daten (01 02) lassen zumindest den Schluss zu, dass die meisten italienischen Staatsbürgerinnen (mit oder ohne Migrationsgeschichte, italienischer oder deutscher Muttersprache), aber auch viele Mitbürgerinnen mit anderer Staatsbürgerschaft einigermaßen gut Italienisch sprechen. Gleichzeitig lassen die Umfrageergebnisse den Schluss zu, dass viele italienische Staatsbürgerinnen (mit oder ohne Migrationsgeschichte italienischer Muttersprache) Deutsch nicht oder nur schlecht beherrschen.

Wenn nun — wie es insbesondere in Bozen und Meran der Fall zu sein scheint — viele Kinder mit italienischer und ausländischer Staatsbürgerschaft, die kaum Deutsch beherrschen (um die Sprachkenntnisse geht es, nicht um die Staatsbürgerschaft), unvorbereitet an eine deutsche Schulen kommen, ist das ziemlich sicher ein Problem. Wohingegen eine hypothetische Klasse, die nur aus »ausländischen« Schülerinnen besteht, die die Unterrichtssprache einigermaßen gut beherrschen, eher keine Sprachförderkraft benötigen würde.

Eine gewisse Korrelation zwischen Sprachkenntnissen und Vorhandensein einer Migrationsgeschichte wird es schon geben, doch das Thema darauf zu reduzieren, wie es Frau Giunta tut, ist eine unzulässige und irreführende Vereinfachung. Während es an italienischen Schulen noch einen gewissen Zusammenhang2z.B.: die meisten Schülerinnen, die kein Italienisch sprechen, sind keine italienischen Staatsbürgerinnen (aber nicht unbedingt: die meisten Schülerinnen, die eine andere Staatsbürgerschaft haben, sprechen kein Italienisch) geben mag, ist das an deutschen Schulen, wegen den nicht wenigen »Autochthonen« italienischer Muttersprache, die kein Deutsch sprechen, womöglich ganz anders.

Siehe auch: 01 02 03 04 | 05

  • 1
    3×8=24
  • 2
    z.B.: die meisten Schülerinnen, die kein Italienisch sprechen, sind keine italienischen Staatsbürgerinnen (aber nicht unbedingt: die meisten Schülerinnen, die eine andere Staatsbürgerschaft haben, sprechen kein Italienisch)


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