Schulden zu erben, ist kein Vergnügen. Doch in Sachen Klimawandel und Staatsschulden erben die nächsten Generationen Italiens gleich zweifach enorme Schulden.
Die Generationen des Industriezeitalters und vor allem der Industrieländer hinterlassen den Nachfahren gewaltige Klimaschulden. Einmal freigesetzt, bleibt CO2 bekanntlich jahrhundertelang in der Atmosphäre. Ozeane und Biosphäre schaffen es mit Mühe und Not, höchstens die Hälfte des CO2 aus der Luft nach und nach zu absorbieren. Die in über 200 Jahren Industriezeitalter angehäuften Treibhausgase werden das Klima für sehr lange Zeiten belasten, wie Studien schon 2009 belegt haben. Zurzeit liegen die globalen CO2-Emissionen bei rund 40 Gt im Jahr (2023), doch der Gipfel ist noch immer nicht erreicht. Auch wenn Europa im besten Fall um 2050 herum klimaneutral wird, werden auch danach noch viele Gigatonnen CO2 aus anderen Kontinenten in die Luft geblasen.
Während wir unausweichlich auf eine Erhitzung von +2°C schon in den 2030ern zusteuern, könnten es gegen Ende des 21. Jahrhunderts oder gar früher +3°C werden, wie im IPPC-Report von 2021 ausgeführt. Zeke Hausfather bezeichnet die Überschussmenge an CO2, das auf Jahrhunderte hinaus in der Atmosphäre deponiert ist, als »Kohlenstoffschuld«, die unsere Nachkommen irgendwann zurückzahlen müssen. »Die Rückzahlungsraten werden gigantisch sein: um die Temperatur um nur 0,1°C zu senken, müssen der Atmosphäre 220 Gt CO2 entzogen werden, und zwar dauerhaft, nicht nur durch wieder vergehende Wälder«, schreibt Otto Wörbach im Tagesspiegel. Also das 5,5-fache der derzeitigen CO2-Jahresemissionsmenge, um die Erderhitzung um 0,1°C abzubremsen.
Doch wie viel kostet es, das überschüssige CO2 wieder aus der Luft zu entfernen? Die CO2-Abscheidungs- und Speichertechnologien stehen erst am Anfang. Optimisten nehmen an, dass die Kosten der Entfernung von einer Tonne CO2 aus der Atmosphäre bis 2050 auf 100 Dollar sinken werden. Auch wenn das gelingt, bleibt der abzutragende Schuldenberg riesig. Jede Senkung der Temperaturen um 0,1°C kostet dann 24.400 Milliarden Euro pro Jahr. Zum Vergleich: Italiens BIP lag 2023 bei 2.085 Mrd. Euro. »Gegen das Anwachsen des CO2-Schuldenbergs ins schier Unermessliche«, schreibt Otto Wörbach, »hilft nur eine drastische globale CO2-Schuldenbremse: eine Verringerung der CO2-Emissionen auf Null so bald wie möglich.« Jede Lockerung der CO2-Schuldenbremse durch weiterhin hohe oder nur wenig abnehmende Emissionen (wie zurzeit) würde sich nicht nur auf das Klima des 21. Jahrhunderts auswirken, sondern viele Generationen danach belasten.
Dabei haben die nächsten Generationen in Italien bereits eine andere Art von Schuldenberg abzutragen: die Staatsschulden, die laut Bankitalia jetzt 2.948,5 Mrd. Euro ausmachen. Im September werden sie 3.000 Mrd. überschreiten. Mit steigenden Zinsen auf dem Finanzmarkt wird auch der Zinsendienst immer teurer. 2022 hat Italien EU-weit mit 4,4% des BIP anteilsmäßig am meisten für den Zinsendienst auf die Staatspapiere ausgegeben, nämlich 83 Mrd. Euro. 2023 ist die Zinslast angestiegen. 2024 wird Italien 14 Mrd. Euro mehr an Zinsen für die Staatsschulden auszugeben haben, mehr als 100 Mrd. Euro im Jahr bei Gesamtausgaben aller öffentlichen Körperschaften von rund 1.000 Mrd. Euro.
Für die Besitzer der Staatspapiere mag das vielleicht eine gute Nachricht sein, weil sie mehr kassieren. Für die Allgemeinheit ist es eine Hiobsbotschaft. Dieses Geld fehlt für dringende öffentliche Investitionen, wie etwa in die erneuerbare Energie, in die Gebäudesanierung (welche die Regierung Meloni derzeit drastisch zurückfährt), in die Wasserversorgung, in den Klimaschutz im Allgemeinen. Im Klartext: Italiens junge Generation erbt eine heißere Welt mit unabsehbaren Folgen im Gesamtsystem, aber auch hohe Schulden, die bedient werden müssen. Dabei wären gerade mehr öffentliche Mittel gefragt, um die Folgen und Schäden des Klimawandels zu bewältigen. So muss das alte Wort »Nach uns die Sintflut« wohl aktualisiert werden mit: »Wir mitten im Klimawandel und nach uns Heißzeit und Schuldenberge.« Und man wird beten: »Herr, vergib ihnen und erlass uns ihre Schulden.«
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