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Viel Meinung, wenig Fakten.

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Fabio Gobbato, seines Zeichens Chefredakteur von Salto und Verfasser von stets dramatisch formulierten Texten zur Schulsituation in Südtirol, hat gestern auf Facebook folgenden öffentlichen Kommentar hinterlassen:

Also sind Achammer und Kompatscher, die du sonst anhimmelst, gefährliche maoistische Langerianer? Und dann, Entschuldigung, aber wie lange sollte dieses Willkommen dauern? Nach wie viel Zeit kommen die Kinder in die normalen Klassen? Wenn mir nichts entgangen ist, scheint mir nicht, dass die Direktorin der Goethe[schule] von einer Übergangslösung gesprochen hatte. In jedem Fall sind die Kinder mit Migrationshintergrund in der italienischen Schule 3,5 Mal so zahlreich wie in der deutschen Schule.

– Fabio Gobbato

Übersetzung von mir (Original anzeigen)

E quindi Achammer e Kompatscher, che solitamente adori sono dei pericolosi langeriani maoisti? E poi, scusa, il Willkommen quanto dovrebbe durare? Dopo quanto tempo i bimbi entrano nelle classi normali? La dirigente della Goethe, se non mi è sfuggito, non mi pareva avesse parlato di una soluzione transitoria. Ad ogni modo i bimbi con background migratorio nella scuola in lingua italiana sono 3,5 volte più numerosi rispetto alla scuola tedesca.

– Fabio Gobbato

Der Kontext für die Stellungnahme ist ein Posting von Alberto Stenico, in dem auf die (angeblich gut funktionierenden) Willkommensklassen in der Schweiz hingewiesen wird.

Die Stellungnahme von Gobbato offenbart in wenigen Sätzen auf so vielen Ebenen Unglaubliches:

  • Er ist vor Tagen (nicht zum ersten Mal) mit aggressivem Vokabular in die Diskussion eingestiegen, obwohl ihm offenbar wesentliche Fakten unbekannt waren: zum Beispiel, ob die umstrittene »Sonderklasse« für Schülerinnen mit geringeren Deutschkenntnissen eine permanente oder eine befristete Lösung und gegebenenfalls für welchen Zeitraum sie vorgesehen gewesen wäre.
  • Es ist ihm noch nicht einmal bewusst, dass es nicht per se um Kinder mit Migrationsgeschichte geht, sondern auch um Italienischsprachige.
  • Er vergleicht den Anteil Schülerinnen mit Migrationshintergrund (um die es wie gesagt nicht oder nicht ausschließlich, vielleicht noch nicht einmal vorwiegend geht) an italienischen und deutschen Schulen, ohne zu berücksichtigen, dass die Schule einer nationalen Minderheit ganz anderen Dynamiken unterliegt (vgl. 01 02 03) als die Schule der Mehrheit. (Dabei verwechselt er übrigens zusätzlich Anzahl mit Anteil, was aber weiter keine große Rolle spielt.)
  • Zudem bezieht er sich auf den durchschnittlichen Anteil an Schülerinnen mit Migrationsgeschichte (um die es — ich wiederhole mich — gar nicht ausschließlich geht) an deutschen und italienischen Schulen, ohne zu berücksichtigen, dass es sich bei der Goetheschule um eine ganz bestimmte Schule in einem ganz bestimmten Kontext handelt, deren Schulbevölkerung sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit massiv vom Durchschnitt der deutschen Schulen unterscheidet. Die Klassenzuordnung von Schülerinnen nach Sprachkenntnissen ist ja nichts, was hätte landesweit eingeführt werden sollen, sondern nur an dieser einen Schule.

Wie wir inzwischen wissen, wird es die sogenannte Sonderklasse an der Goetheschule nicht geben, weil der zuständige Landesrat und das Schulamt die Handbremse gezogen haben. Vermutlich ist es besser so. Dass allerdings der Salto-Chefredakteur mit derart schrillen Tönen in die Diskussion eingestiegen ist, ohne sich über die Tatsachen sicher zu sein und ohne sehr grundlegende Fakten zu berücksichtigen, ist — freundlich formuliert — dennoch bedauerlich. Einer gediegenen, lösungsorientierten Diskussion ist solches Verhalten nicht zuträglich.

Siehe auch: 01 02 || 01 02



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Comentârs

6 responses to “Viel Meinung, wenig Fakten.”

  1. Harald Knoflach avatar
    Harald Knoflach

    Ja. Und soweit ich das verstanden habe, geht es ausschließlich um mangelnde Sprachkenntnisse. Das muss – wie du richtig schreibst – nichts mit Migrationshintergrund zu tun haben. Es kann ruhig sein, dass in der italienischen Schule einen sehr hoher Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund gibt. Wenn die allerdings zum Großteil gut italienisch sprechen (was nicht selten der Fall ist), ist das ja kein Problem.
    Ich kenne jetzt auch keine Details, aber in der Goetheschule geht es offenbar darum, dass es zu viele Schülerinnen in den Klassen gibt, die aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse dem Unterricht nicht folgen können bzw. einen zielführenden Fachunterricht verunmöglichen. Und dafür braucht es Lösungen. Dazu braucht es Geld und Personal. Und falls dieses nicht zur Verfügung steht, müssen auch andere Ansätze möglich sein. Von Seiten des Schulamts und der Politik zu sagen “Darf nicht sein” und gleichzeitig die Rahmenbedingungen nicht schaffen ist ein bissi dings.
    Generell ist in der Pädagogik immer fallbezogen vorzugehen. Manchmal kann ein “Herausnehmen” sinnvoll – ein andermal kontraproduktiv sein. Das hat jeweils das pädagogische Personal zu entscheiden und man muss ihnen diese Freiheit lassen. Das “Herausnehmen” ist nicht notwendigerweise Stigmatisierung oder Isolierung. Durch das (temporäre) “Herausnehmen” kann man auch geschützte Räume schaffen, in denen oft vorhandene Scham abgebaut werden kann und Erfolge sichtbarer werden, da mehr Leistungshomogenität herrscht. Das kann durchaus auch motivierend sein. Aber wie gesagt – die Vor- und Nachteile sind im Einzelfall abzuwägen.

  2. Kritischer Beobachter avatar
    Kritischer Beobachter

    Ich weiß nicht warum, aber ich werde den Eindruck nicht los, dass die italienischen Redakteure von Salto sehr “italienzentriert” berichten und so der italienischen Rechten eine Stimme verleihen, während die deutschsprachigen Redakteure durchwegs dem linksgrünen Spektrum näher sind. Für mich persönlich bleibt Salto diesbezüglich ein Rätsel.

    1. Hartmuth Staffler avatar
      Hartmuth Staffler

      Die italienischsprachigen Redakteure von Salto sind tatsächlich in die Kategorie von rechtsextrem bis rechtskonservativ einzuordnen, bis auf minimale Ausnahmen (eine Person), die ich zwar nicht gerade als links, sondern eher als gemäßigt liberal einordnen würde. Die deutschsprachigen Beiträge würde ich großteils eher als linksliberal einstufen. Wie man derart widersprüchliche Einstellungen in einer Redaktion vereinbaren kann, erschließt sich mir nicht. Dazu muss man wohl einen Salto machen.

      1. Simon avatar

        Sie tun da meiner Meinung nach einigen italienischsprachigen Redakteurinnen Unrecht.

    2. Veronica Miron avatar
      Veronica Miron

      Auch das Südtiroler FF Magazin sehr Italienzentriert.

      Zum Glück ist Südtirol Italien

      https://www.ff-bz.com/leitartikel/2024-36/zum-glueck-ist-suedtirol-italien.html

  3. Martin Piger avatar
    Martin Piger

    Auch die linken italienischen Journalisten wurden in der immer noch (trotz Inklusion) nach nationalen Gentilewerten aufgestellten italienischen Schule sozialisiert.

Scrì na resposta

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