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Einen Grund gibt es immer.
Minorisierung

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ai

Südtirol ist jenes Land, wo der Übergang

von

  • weißt du, in dieser Gemeinde / Gegend / Straße leben halt mehr Italienischsprachige;
  • dieses Unternehmen hat seinen Sitz in Italien;
  • hier gibt es nur ein vorläufiges (technisches) Problem, das hoffentlich bald gelöst sein wird;
  • er/sie gibt sich ja eh schon Mühe, ein paar Wörter auf Deutsch zu verstehen;
  • wir befinden uns ja hier in (der Nähe von) Bozen / Leifers / Meran;
  • die sind noch nicht lange hier, deswegen können sie noch kein Deutsch;
  • Deutschsprachige nehmen diese Dienstleistung aber nur selten in Anspruch;
  • früher war es noch viel schlimmer, musst du wissen — jetzt geht es doch schon besser;
  • in diesem Amt arbeiten mehr Italienerinnen;

über

  • in diesem Tal / Dorf urlauben halt vor allem Gäste aus Italien;
  • das ist das Unterland / der Brenner / Franzensfeste / Innichen (etc.), hier ist das historisch bedingt;
  • die Inhaberinnen dieses Unternehmens sind Italienerinnen;
  • das ist nur vorläufig einsprachig hier;
  • so viel Italienisch verstehen doch alle;
  • das ist ein staatlicher Betrieb / eine staatliche Behörde, deshalb ist das so;
  • es handelt sich um eine Ladenkette, da kann die Betreiberin wenig machen;
  • das sind doch Ladinerinnen, die tendieren eher zum Italienischen;
  • hier ist zwar Zweisprachigkeit vorgeschrieben, aber dein individuelles Recht wird nicht verletzt;
  • in diesem Bereich ist Zweisprachigkeit nicht vorgeschrieben;
  • hier leben fast nur Deutschsprachige, da kann ein wenig italienische Einsprachigkeit ja auch nicht schaden;

bis

  • dieser Dienst war früher beim Staat, deswegen ist das so;
  • hier leben vor allem Zugewanderte aus […], die tendieren eher zum Italienischen;
  • diese Firma arbeitet eben viel mit Kundinnen außerhalb Südtirols;
  • auch wenn Zweisprachigkeit vorgeschrieben wäre, kann ich verstehen, dass der Aufwand nicht gerechtfertigt ist;
  • hier urlauben vor allem Gäste aus Deutschland, denen gefällt dieses italienische Flair;
  • die wissen hier vielleicht gar nicht, dass Deutsch vorgeschrieben wäre;
  • hier sind wir nicht weit von der Sprachgrenze (vom Trentino / von Venetien / von der Lombardei) entfernt;
  • lieber nur auf Italienisch als gar nicht;
  • du weißt doch, wie schwierig es ist, zweisprachiges Personal zu finden;

fließend ist und jede Begründung — auch untereinander widersprüchliche — gut genug ist, um die Vernachlässigung der deutschen Sprache zu legitimieren sowie, oft genug, als unabänderliche Tatsache darzustellen.

Das ist einerseits Ausdruck und Symptom, andererseits wiederum Rechtfertigung und Entschuldigung für die Minorisierung. Die Katze beißt sich in den Schwanz.

(Anlass für diesen Eintrag ist, dass ich letzthin wieder öfter solche »Argumente« gehört habe, nachdem es gefühlt aus welchem Grund auch immer länger nicht der Fall gewesen ist.)



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Comentârs

3 responses to “Einen Grund gibt es immer.
Minorisierung

  1. Hartmuth Staffler avatar
    Hartmuth Staffler

    Wenn ich mich über fehlende Zweisprachigkeit beschwere, dann höre ich als häufigstes Argument von Südtiroler Seite: “Was regst du dich auf, du kannst ja gut Italienisch”. Je besser wir Italienisch können, um so mehr scheinen wir das Recht zu verlieren, dass unsere Muttersprache respektiert wird. – Interessant wäre auch eine Auflistung der Gründe, die von italienischer Seite für die Missachtung der Zweisprachigkeit angegeben werden. Ein Bekannter hat mir gesagt: “Ma per voi è automatico parlare italiano”. Ähnliche Argumentationen scheinen das klassische “siamo in Italia” überholt zu haben, und die Südtiroler haben selbst dazu beigetragen.

  2. Kritischer Beobachter avatar
    Kritischer Beobachter

    Die Südtiroler deutscher (aber auch ladinischer) Muttersprache müssen sich fragen, was sie langfristig wollen. Denn wer seine Rechte nicht aktiv verteidigt oder einfordert, verliert sie mit der Zeit oder sie werden unwirksam. Nicht eingeforderte Rechte existieren de facto nicht mehr. Meine ganz persönliche Prognose: Wir sind auf dem besten Weg dahin. So gesehen “schaffen wir uns selbst ab”. Ein Stück weit sind wir also auch Täter und nicht nur Opfer.

  3. Walter Kircher avatar
    Walter Kircher

    … DANKE für Thematisierung und Kommentierung!
    Als alter Brixner, schon von Kindesbeinen an – an die Tiroler Gasthausherrlichkeit “gewöhnt”, hat sich vieles verändert! – In Gastbetrieben pflege ich folgenden Versuchsballon, – humorig und ebenso hartnäckig, – auf schriftdeutsch: “… wie sagt man affogato auf italienisch?” – Die Reaktionen sind stets zwischenmenschlich-humorvoll oder eben verständnislos-herablassend!
    Meine Empfehlung: wir Deutschsprachige sollten uns im Zweifel in Gast- wie Verkaufsbetrieben immer auf schriftdeutsch bemerkbar machen, die Erfahrungen und Wahrnehmungen sind durchaus auch überraschend-positiv!

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