In der Bozner Goetheschule will bzw. wollte Direktorin Christina Holzer eine gesonderte Grundschulklasse bilden, um dem Problem zu begegnen, dass viele Kinder in die Schule eingeschrieben werden, die die deutsche Sprache nicht oder auf einem unzureichenden Niveau beherrschen — und es somit schwierig wird, Unterricht zu gestalten. Dabei ist mir noch unklar, ob die Aufteilung der Schülerinnen aufgrund der Sprachkenntnisse, aufgrund der Muttersprache oder aufgrund der Staatsbürgerschaft erfolgen sollte. Medienberichte widersprechen sich diesbezüglich — ebenso, wie sie sich darin uneinig zu sein scheinen, ob es eine endgültige oder eine provisorische Maßnahme hätte sein sollen, die nur so lange aufrecht geblieben wäre, bis die betroffenen Schülerinnen ein gewisses Sprachniveau erreicht hätten.
Ohne wichtige Fakten zu kennen und darüber Einigkeit erlangt zu haben, wurde der Plan von Medien, Politikerinnen und anderen Kommenatorinnen entweder bejubelt oder mit drastischen Tönen kritisiert. Unter anderem war schon von Apartheid, Nazismus, Rassismus, Gettobildung, Arroganz und Diskriminierung die Rede. Andere wiederholen einfach reflexhaft ihre Forderung nach einer mehrsprachigen Schule.
Jedenfalls findet wieder einmal keine sachliche und faktenbasierte Debatte statt, obwohl gerade die in einer solchen Situation dringendst nötig wäre.
Dass ich persönlich strikt gegen eine Ablehnung von Einschreibungen anderssprachiger Kinder und gegen ihre Überweisung an Schulen mit italienischer Unterrichtssprache bin, habe ich mehrfach geschrieben und begründet — und dabei bleibe ich auch. Schulintern muss es aber Möglichkeiten geben, mit dem Problem von Klassen umzugehen, in denen zu viele Schülerinnen die Unterrichtssprache nicht auf einem Niveau beherrschen, das Unterricht auf eine sinnvolle Weise ermöglicht. Dabei halte ich Inklusion für ein sehr, sehr hohes Gut, das nicht leichtfertig zur Disposition gestellt werden darf.
Trotzdem kann ich mir vorstellen, dass unter Umständen die Verteilung von Schülerinnen innerhalb und zwischen den Schulen sowie ihre (vorübergehende) Trennung nötig sein kann, auch wenn es sich dabei um eine möglichst zu vermeidende Maßnahme handelt. Man muss sie aber meines Erachtens immer konkret sorgfältig gegen andere Möglichkeiten (mehr Personal, zusätzliche Unterrichtsstunden…) abwägen und erst dann eine Entscheidung treffen. Wobei zu sagen ist, dass einer Schulführungskraft möglicherweise nicht viele Alternativen zur Verfügung stehen, wenn die Unterstützung von Verwaltung und Politik fehlt.
Einfach nur zu sagen, dass Inklusion vorgeschrieben und somit die Bildung gesonderter Klassen verboten sei, ist ein wenig hilfreiches Totschlagargument, das meiner Meinung nach eindeutig zu kurz greift. (Genauso wie übrigens der Verweis auf Artikel 19 des Autonomiestatuts per se kein sinnvolles Argument gegen mehrsprachige Schulen ist.)
Wenn die Folge — wie kolportiert — die ist, dass Eltern ihre Kinder in die Schulen des Umlandes bringen, findet die Segregation auf Umwegen trotzdem statt, dann aber nicht innerhalb der Schule, sondern schon im Vorfeld. Auch das muss meiner Meinung nach mitgedacht werden.
In der ganzen Debatte wird aber leider auch wenig bis gar nicht berücksichtigt, dass die deutschen in dieser Hinsicht nicht mit den italienischen Schulen in Südtirol — oder gar mit Schulen auf Staatsebene — gleichgesetzt werden können, da wir es hier mit einer Minderheitensprache zu tun haben, die im direkten Kontakt mit dem Italienischen erwiesenermaßen den Kürzeren zieht (01
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). Dies gilt noch mehr im Kontext von Bozen (und einigen anderen Südtiroler Städten), wo auch außerhalb der Schule kein sprachliches Umfeld vorherrscht (01
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), das die Deutschkenntnisse von Anderssprachigen unterstützen und fördern würde.
Zwar mag es auch in Wien, Mailand oder München Schulen mit einem hohen Anteil von Migrantinnen geben, doch die gemeinsame Sprache — die man dann auch im Sportclub, im Fernsehen oder im Supermarkt wiederfindet — ist ziemlich unstrittig die jeweilige nationale Amts- und Mehrheitssprache. In Südtirol ist dies bezüglich Deutsch nicht der Fall, es droht also viel eher, dass die Lage sprachlich in Richtung einer Sprache (Italienisch) kippt, die nicht die Schulsprache ist. Dafür gibt es auch genügend Beispiele aus anderen Minderheitengebieten.
Aufgrund dieses Risikos wiegt umso schwerer, dass Inklusion immer auch eine Frage der Verhältnisse ist. Wenn die Situation zahlenmäßig stark unausgewogen ist, ist die Gefahr des Misserfolgs deutlich größer. Sollen zum Beispiel zwanzig italienischsprachige Schülerinnen in eine Klasse mit drei Deutschsprachigen »inkludiert« werden, so wird dies vermutlich nicht zum erwünschten Ergebnis führen.
Ich ergänze, um möglichen Missverständnissen vorzubeugen: Mit dem obigen Beitrag will ich nicht suggerieren, dass die Bildung der sogenannten Sonderklasse richtig wäre. Vielmehr kritisiere ich, wie die Debatte geführt wird, während wichtige Fakten unbekannt und Argumente unberücksichtigt bleiben. Diese Erklärung halte ich für nötig, weil in der vorherrschenden Schwarz-Weiß-Diskussion eventuell nicht nachvollzogen wird, dass sich jemand in der Sache nicht ultimativ positioniert.
Cëla enghe: 01
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