Auf den Sprachwechsel bei Outgroup-Kontakten und auf die Dialekt-Intoleranz war ich erst kürzlich eingegangen, nun komme ich ein drittes Mal auf die vom Astat veröffentlichten Daten über Sprachkenntnisse und Sprachgebrauch (Astat-Info 34/2024) in Südtirol zurück.
Diesmal will ich die Zweitsprachkenntnisse thematisieren, wo es zwischen den Sprachgruppen bedeutende Unterschiede gibt. In allen vier Grundfertigkeiten (Lesen/Schreiben/Sprechen/Hören) ordnen sich anteilsmäßig über doppelt so viele Deutschsprachige wie Italienischsprachige der höchsten Kompetenzstufe zu. Zur Wahl standen jeweils die Antwortmöglichkeiten »alles«, »Zusammenhänge«, »einfache Aussagen« und »einzelne Wörter/kein Wort«.
Dabei fällt auf, dass der Unterschied bei den passiven Fertigkeiten (lesen und hören) deutlich größer ist als bei den aktiven Fertigkeiten (schreiben und sprechen):
Der Anteil der Deutschsprachigen in der höchsten Kompetenzstufe (»alles«) ist bei den aktiven Fertigkeiten sogar rund dreimal so hoch wie der Anteil der Italienischsprachigen: Nur 14 Prozent der Südtirolerinnen italienischer Muttersprache haben beim Deutschsprechen keinerlei Schwierigkeiten, bei den Schreibkompetenzen sinkt dieser Wert sogar auf 11 Prozent.
Sehen wir uns das niedrigste Kompetenzniveau (»einzelne Wörter/kein Wort«) an, ist der Unterschied zwischen den Sprachgruppen noch viel größer:
So gut wie keine Deutschsprachigen sehen sich — in sämtlichen Grundfertigkeiten — auf der untersten Stufe. Dagegen gibt jede fünfte Italienischsprachige an, beim Lesen eines Textes in deutscher Sprache (fast) nichts zu verstehen, nahezu ein Viertel der Befragten kann auf Deutsch höchstens einzelne Wörter schreiben.
Wenn in einem mehrheitlich deutschsprachigen Land
- nur noch vier Prozent der Deutschsprachigen angeben, im Kontakt mit Anderssprachigen vorwiegend Deutsch zu sprechen;
- die Italienischsprachigen gegenüber dem autochthonen deutschen Dialekt wesentlich intoleranter eingestellt sind als die Deutschsprachigen gegenüber allochthonen italienischen Dialekten;
- deutlich mehr Deutschsprachige angeben, über nahezu perfekte Italienischkenntnisse zu verfügen als umgekehrt;
- je nach Fertigkeit zwischen einem guten Zehntel und einem knappen Viertel der Italienischsprachigen angeben, dass ihre Deutschkenntnisse bei null stehen, während praktisch keine Deutschsprachigen so schlechte Italienischkenntnisse angeben;
- die italienische Sprache von allen Sprachgruppen als die wichtigste für das Zusammenleben betrachtet wird;
hat dies einen Namen: Minorisierung.
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