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HGV: Die, die das Sagen haben.

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Immer ungenierter mischt der Hoteliers- und Gastwirteverband die Politik auf

Letzthin holte der Direktor des HGV, Raffael Mooswalder, den Hammer aus der Kammer und schlug zu. Er drosch auf Stefan Perini, Direktor des Arbeitsförderungsinstituts AFI, ein. Der hatte sich erlaubt, die Arbeitsbedingungen im Tourismus näher anzuschauen und die Ergebnisse als Studie zu veröffentlichen.

Eine Art Gotteslästerung, befand Mooswalder — und: die Studie liege unter dem Niveau einer Facharbeit. Die Daten seien aus dem Zusammenhang gerissen, dozierte Mooswalder. »Vonseiten eines mit Steuergeldern finanzierten Instituts darf man sich mehr erwarten als nur populistische Aussagen, die auf Zahlen fußen, welche bewusst aus dem Kontext gerissen wurden, um mediale Aufmerksamkeit im Sommerloch zu generieren«, giftete er.

Er machte unmissverständlich deutlich, dass der HGV die touristische Deutungshoheit innehat. Mooswalder agierte untergriffig, griff Perini persönlich an und ließ ihn wissen, was sein Job eigentlich sei. Der Grund der maßlosen Aufregung von Mooswalder: Die AFI-Studie ging detailliert auf die Löhne in der Tourismusindustrie und auf die unglaublichen Arbeitszeiten ein. Das AFI regte die 5-Tage-Woche an.

Die kreative Antwort von Mooswalder: »Wir sollten als Gesellschaft froh sein, dass sich viele Menschen nicht zu schade sind, sektorenübergreifend auch am Wochenende zu arbeiten. Angefangen bei Ärzten, Pflegerinnen und Pflegern, Sicherheitskräften und vielen anderen mehr, so stellen sich auch die Mitarbeitenden im Gastgewerbe in den Dienst der Bevölkerung und der Gäste, welche am Wochenende eine schöne und gesellige Zeit auf einer Schutzhütte, in einer Bar oder in einem Restaurant verbringen wollen. Solche Menschen verdienen sich Anerkennung und Respekt und keine unqualifizierten Zurufe von der Seite«, unterstrich Direktor Mooswalder recht populistisch.

Anerkennung und Respekt?

Anerkennung und Respekt, genau darum geht es. Die Zahlen sprechen eine andere Sprache, zum Beispiel die Zahlen aus dem Landesabkommen für die Beschäftigen im Sektor Tourismus und der Gastronomie. Der HGV-Vorsitzende Manfred Pinzger verstieg sich zur Aussage, der Vertrag bringe für die 43.000 saisonal Beschäftigten einen großen Mehrwert.

Von wegen großer Mehrwert: 150 Euro brutto, zusätzlich zum gesamtstaatlichen kollektivvertraglichen Mindestlohn. Das sind 50 Euro mehr als bisher. Weiters wurden Einmalzahlungen für die unbefristeten Mitarbeitenden von 300 Euro brutto und für die saisonal beschäftigten Mitarbeitenden von 112 Euro vereinbart. Anerkennung und Respekt? Salopp formuliert ist dieser angeblich große Mehrwert eine »Verarsche«.

Der Tourismus boomt, heuer werden möglicherweise 36 Millionen Nächtigungen erzielt, deutlich mehr als der Rekordwert vor Corona. Der HGV unterstreicht ständig, wie wichtig der Tourismus sei, dass er der Motor der Wirtschaft ist und ständig Rekordzahlen schreibt. Und dann ist nicht mehr drinnen für die Beschäftigten? Trifft die Kritik von Thomas Benedikter vom Heimatpflegeverband zu, dass der Tourismus gar kein Wohlstandsbeschaffer ist?

Warum nicht? Weil der Tourismus trotz seines brummenden Motors nur elf Prozent des Reichtums produziert? Wie lässt sich das erklären? Als der Bettenstopp real wurde, tauchten — sicher nicht aus dem Nichts — plötzlich 25.000 neue Betten auf. »Nachgemeldet«, formulierte es die Wirtschaftszeitung SWZ zurückhaltend.

Der Boom treibt die Preise, das Land fördert mit Gratiskarten für Öffis und Museen den Tourismus, die landeseigene IDM — eine der erfolgreichsten »Agenturen« des Landes — heizt mit ihren Initiativen den Boom weiter an. Überfüllte Straßen, Plätze, Restaurants, Staus und Stress usw. sind die Folge. Eine schleichende Enteignung? Viele sind deshalb sauer.

Eine der Reaktionen darauf: Landesrat Luis Walcher (SVP) richtete einen Tourismusrat ein. Ziel ist, eine positive Tourismusstimmung zu fördern und die Hotspots zu managen. Unverständlich findet Hans Heiss, ehemaliger grüner Landtagsabgeordneter, Historiker und Tourismuskenner, im Podcast Grantler unlimited auf Barfuss die angesprochene Zielsetzung. Kurzum daneben, notwendig ist laut Heiss ein spürbares Umlenken.

Zweispurige Luegbrücke

Der HGV gibt im Land die touristischen Noten vor, mischt sich aber auch in Nordtirol ein. Eklatantes Beispiel, die zu sanierende Luegbrücke gleich hinterm Brenner. Ab dem 1. Jänner 2025 wird sie teilweise gesperrt, schreibt ein Brückenprüfbericht vor. Laut der Autobahngesellschaft Asfinag soll der Verkehr dann nur noch auf einer Spur je Richtung rollen.

Was fordert der HGV? Der Verband beharrt auf die Zweispurigkeit, an Wochenenden und an verkehrsreichen Tagen. HGV-Direktor Mooswalder wirbt für einen »reibungslosen Verkehrsfluss« — und der ist nur zweispurig machbar. Ob dies technisch einfach nicht möglich ist? Die Forderung Mooswalders liegt deutlich unter dem Niveau einer Facharbeit. Die geballte Südtiroler Macht, Landesregierung und die Handelskammer, drängen Nordtirol, herwärts zu schauen.

Also trotz Sanierungsarbeiten die zweispurige Befahrbarkeit der Luegbrücke und die Aufhebung des Lkw-Nachtfahrverbots auf der Inntal- und Brennerautobahn. Gleichzeitig legte Verkehrsminister Matteo Salvini (Lega), ein Freund vieler Südtiroler:innen, beim Europäischen Gerichtshof Klage gegen die Tiroler Transitmaßnahmen ein. Der Südtiroler Applaus ist ihm sicher. Das belegen hasserfüllte anti-österreichische Posts in den »sozialen Medien«. Sollte Salvini erfolgreich sein, dann werden sich die Anrainer:innen der Brennerautobahn im Wipp- und Eisacktal und im Unterland wundern. Das blaue Wunder erleben.

Noch ein Blick zurück: 2020, im Jänner, Corona breitete sich aus. In den touristischen Hochburgen Nordtirols pochten die Hotellerie und die Betreiber von Seilbahnen und Skiliften — trotz besseren Wissens — auf die Weiterführung der Saison. In Südtirol empfahl Hubert Messner, damals Primar im Ruhestand und Berater von Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP), die Wintersaison zu stoppen. Die Empfehlung lief ins Leere, wie schon in Nordtirol. Das sollte auch aufgearbeitet werden.

Thomas Benedikter wirft der Tourismuswirtschaft vor, Land und Leute schleichend zu enteignen. Er verweist auf 6.000 Wohnungen, die über Airbnb vermietet werden und damit auf dem Wohnungsmarkt fehlen. Airbnb-Anbieter werden angeblich auch noch steuerlich begünstigt, kritisiert er. Auf dem Immobilienmarkt punkten meist nur zahlungskräftige Käufer von auswärts.  

Diese schleichende Enteignung ist nur deshalb möglich, kommt Benedikter zum Schluss, »weil das Touristikgewerbe die Regeln vorgibt, wie unser Land in Wert gesetzt wird, wohin die Subventionen fließen, wer die Werbung und Gästepässe finanziert, und wie stark das Land touristisch vermarktet wird«.

Der Landesregierung wirft er vor, sich dem Wachstumszwang zu unterwerfen. Wie bereits erwähnt wird wieder ein Rekord greifbar, über 35 Millionen Nächtigungen. Und die Beschäftigten im Tourismussektor erhalten 150 Euro brutto mehr. Schiefer kann die Lage gar nicht sein.


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