Wegweisungen, Platzverweise und Abschiebungen — der nicht mehr ganz so neue Polizeipräsident Paolo Sartori fackelt nicht lange und interpretiert so indirekt den Geist des autoritären Staates unter rechtsrechter Führung. Allmählich verschaffen sich aber neben all der peinlichen Bewunderung auch Skepsis und Widerstand Gehör.
Von Valentino Liberto für Salto befragt, ordnet Menschenrechtsanwalt Nicola Canestrini die neue Gangart — die nicht auf Südtirol beschränkt sei — ein und zeigt sich alarmiert. Die allgemeine Zurückhaltung, die noch kürzlich beim Einsatz dieser demokratisch bedenklichen Mittel vorgeherrscht habe, sei inzwischen gefallen. Am Ende des Tunnels, in dem wir uns seiner Meinung nach schon befinden, liege der Polizeistaat.
Die exponentielle Zunahme repressiver Verwaltungsmaßnahmen wie den Platzverweisen, die keiner richterlichen Überprüfung unterliegen und gegen die ein Einspruch schwierig und teuer sei, hält er dementsprechend für besorgniserregend. Es handle sich dabei um freiheitsberaubende und freiheitsbegrenzende Maßnahmen, die im Faschismus eingeführt und im demokratischen Italien beibehalten wurden. Auf der Grundlage eines reinen Verdachts oder einer Zukunftsvorhersage will man die potenzielle Gefährlichkeit von Menschen einschätzen und theoretisch die Verübung einer Straftat verhindern. Und obwohl das im Grunde Kaffeesudleserei ist, wird dabei auch noch die Beweislast umgekehrt.
Neben Italien kannten laut Canestrini im Jahr 2017 nur fünf weitere von 34 Staaten, die dem Europarat Auskunft über die jeweilige Rechtsordnung erteilt haben, administrative Präventionsmaßnahmen: Russland, Österreich und Frankreich; zudem die Schweiz und das Vereinigtes Königreich, wobei sie dort auf Gewalt im Stadion respektive auf die Terrorismusbekämpfung begrenzt seien. Und vielleicht gibt es in einigen dieser Länder im Gegensatz zu Italien zumindest niederschwellige Einspruchsmöglichkeiten.
Der EGMR jedenfalls habe die italienische Gesetzeslage scharf verurteilt, so Canestrini.
Wir leben also in einer Zeit, in der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit unter parteiübergreifendem Applaus der Verbesserung des Sicherheitsgefühls geopfert werden, wobei bislang — meiner subjektiven Beobachtung zufolge — auch dies keineswegs gelungen zu sein scheint. Dafür überlässt man den Schlüssel zum öffentlichen Raum bereitwillig dem Ermessen und der Willkür eines von oben eingesetzten Beamten oder gar den Streitkräften.
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