Auf Südtirol Online ist ein Kommentar von Michael Fink erschienen, mit dem der angebliche Aufstieg einer ominösen »linksfaschistischen« Szene in Südtirol thematisiert werden soll. Eine Gruppierung, die sich in Anlehnung an die bekannte deutsche Terrororganisation Rosarote Armee Fraktion nennt, hat mit Drohungen gegen den allseits beliebten Polizeipräsidenten Paolo Sartori — der zurzeit jede ausweist, die nicht bei drei auf den Bäumen ist — vor allem eines bewirkt: parteiübergreifende Solidarität mit der Obrigkeit.
Es soll nichts schöngeredet werden: Gewalt ist hier und heute kein Mittel zur Lösung gesellschaftlicher und politischer Konflikte — und wer sie jemandem androht, vergiftet die Demokratie.
Dennoch muss gesagt werden, dass die von Herrn Fink bediente Hufeisentheorie, derzufolge Rechts- und Linksextremismus einander mehr als jeweils der demokratischen Mitte ähneln, nicht nur grundsätzlich, sondern gerade auch bezüglich der von ihm angestellten Überlegungen ein Nonsens ist.
Um seinen äußerst dürftigen Text auf die Reihe zu bekommen, muss er tief in die Trickkiste greifen und Wesentliches ausblenden — wenn er zum Beispiel von »Nazis« und »Kommunisten« spricht oder bemängelt, dass »eine dieser Aktivistinnen sogar im EU-Parlament [sitzt]. Absolut verkehrte Welt.«
Gemeint ist wohl die italienische Abgeordnete Ilaria Salis.
Allein schon die Dimensionen des Links- und Rechtsextremismus sind europaweit und noch viel mehr in Südtirol nicht im geringsten gleichsetzbar. Politisch motivierte Gewalt kommt hierzulande so gut wie ausnahmslos von rechts. Und während diese sich regelmäßig gegen die schwächsten, vulnerabelsten Mitglieder unserer Gesellschaft richtet, haben die (kontraproduktiven) Drohungen der Linken eine der wohl am besten geschützten Personen im Lande zum Ziel, die auch noch das staatliche Gewaltmonopol innehat. Fink stellt also die, die nach unten treten, tatsächlich mit denen auf eine Stufe, die nach oben drohen.
(Ilaria Salis wurde übrigens vorgeworfen, Neonazis angegriffen zu haben, die der ungarischen Armee und der verbündeten Waffen-SS im Zweiten Weltkrieg gedachten.)
Weitaus am erstaunlichsten finde ich aber, dass die besorgte Warnung vor dem ausufernden Linksextremismus von einem Medium kommt, das im grassierenden Rechtsextremismus nicht nur keine Gefahr erkennen mag, sondern Giorgia Meloni (FdI) und ihre in Teilen neofaschistische Truppe geradezu hypt — und vor wenigen Monaten quasi in die Landesregierung geschrieben hat. Deshalb wohl dürfen in Finks Beitrag nur Linke als »faschistisch« bezeichnet werden, während die Rechten »Nazis« und »Hakenkreuzfraktion« genannt werden. Nicht, dass womöglich noch der eklatante Widerspruch in der Haltung des Medienhauses allzu offensichtlich wird.
Während also die Rechtsradikalen und -extremen mit vollster Rückendeckung aus dem Weinbergweg in der römischen und in der Landesregierung — also längst an den Schalthebeln der Macht — sitzen, erblickt Herr Fink die große Gefahr ausgerechnet in einer kleinen, außerparlamentarischen Gruppierung von links. Eine wie Ilaria Salis muss als Beweis für eine »absolut verkehrte Welt« herhalten. Doch der Autor des gleichnamigen Buches, immerhin ein Generalmajor der italienischen Streitkräfte, wird aus dem Hause Athesia nicht mit Kritik zu rechnen haben. Sein Hass gefährdet ja nicht die bequeme Welt der Wohlsituierten.
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