Über den durchschnittlichen Einfluss von EU-Abgeordneten nach Herkunftsland hatte ich gestern in Bezug auf eine Auswertung von EU-Matrix geschrieben. Bereichsübergreifend lag dabei der Einfluss italienischer Parlamentsmitglieder in der vergangenen Legislaturperiode weit hinten, weil verhältnismäßig viele Gewählte in weit rechten Fraktionen saßen, die die gemeinschaftliche Politik (zum Glück) wenig prägen konnten. Auch in der gerade gestarteten Legislaturperiode dürfte sich daran wenig ändern.
Der einzige Südtiroler EU-Abgeordnete Herbert Dorfmann (SVP/EVP) sticht jedoch in der gesonderten Auswertung von 14 Politikbereichen beim Thema »Landwirtschaft und Ernährung« als einer der einflussreichsten Parlamentsmitglieder überhaupt hervor:
Quelle: EU-Matrix
In diesem Bereich liegt in der Auswertung von EU-Matrix nur die Portugiesin Isabel Carvalhais (S&D) mit einem Score von 100 Punkten vor dem Südtiroler (Score: 79,41).
Quelle: EU-Matrix (Pfeile von mir – rot: Carvalhais, blau: Dorfmann)
Wenn es um die politischen Positionen geht, zeigt die Auswertung1hier am Beispiel der Renaturierung, dass die Einstellung von Carvalhais (roter Pfeil) umweltfreundlich, jene von Dorfmann (blauer Pfeil) aber klar wirtschaftsfreundlich ist. Das deckt sich auch mit der von Bloom ermittelten »ökologischen Leistung« des SVP-Politikers, die man als nahezu inexistent (um nicht zu sagen: schädlich) bezeichnen könnte. Dies ist natürlich umso besorgniserregender, als er laut EU-Matrix beim wichtigen Thema Landwirtschaft und Ernährung eine wichtige Rolle innehat. In der neuen Legislatur wurde Dorfmann zudem bereits als agrarpolitischer Sprecher der EVP — der stärksten Fraktion im EU-Parlament — bestätigt.
Auch insgesamt bescheinigt EU-Matrix Herbert Dorfmann, mit 86,96/100 Punkten auf der entsprechenden Skala ein »Hardcore-Unterstützer« des freien Marktes (und somit ein Gegner von Regulierungen) zu sein. Dafür gehört er mit 5,46/Punkten zu den am wenigsten EU-skeptischen (also zu den integrationsfreundlichsten) Abgeordneten des gesamten EU-Parlaments. In diesen beiden Feldern wird sein Einfluss jedoch als deutlich geringer eingestuft als beim Thema Landwirtschaft.
Insgesamt zeigt sich, dass durchaus auch ein Abgeordneter aus einem kleinen Land wie unserem, der keiner großen staatsweiten Partei angehört, sehr einflussreich werden kann. Wäre Südtirol als unabhängiger Staat in der EU, könnte es die gemeinschaftliche Politik womöglich noch entscheidender mitgestalten, wie auch die hohen Durchschnittswerte luxemburgischer und maltesischer Parlamentsmitglieder in Bezug auf ihren Einfluss zeigen. Immerhin war ein Luxemburger (Jean-Claude Juncker) bereits Kommissionspräsident — und Roberta Metsola aus Malta ist schon zum zweiten Mal Parlamentsvorsitzende.
Schade nur, dass im Juni keine andere Kandidatin aus Südtirol den Sprung ins Parlament geschafft hat, auch als Gegengewicht zum Wirtschaftsradikalismus von Herbert Dorfmann.
- 1hier am Beispiel der Renaturierung
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