Der neue UN-Sonderberichterstatter für Minderheiten, Nicolas Levrat, Nachfolger von Fernand de Varennes und Befürworter einer weiten Auslegung des Rechts auf Selbstbestimmung, war am Donnerstag in Bozen bei LH Arno Kompatscher (SVP). Der entsprechenden Mitteilung des Landespresseamtes (LPA) ist zu entnehmen, dass dabei über »[d]as Beispiel Südtirols als Modell für die friedliche Lösung ethnischer Konflikte« und über ein zu errichtendes Dokumentationszentrum in Bozen gesprochen wurde.
Auch der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Antonio Guterres, und Italiens Außenminister Antonio Tajani hatten kürzlich über Südtirol als Modell für die Lösung regionaler Konflikte gesprochen.
– LPA
Hervorhebungen aus dem Original
Der Besuch von Levrat sei »eine Ehre und eine Anerkennung dessen«, was in Südtirol erreicht wurde. Über Herausforderungen und Schwierigkeiten wurde der Mitteilung zufolge nur in Zusammenhang mit internationalen Krisenherden wie Palästina und Ukraine gesprochen.
Kein Schönheitswettbewerb
Die Aufgabe des Sonderberichterstatters ist es jedoch, sich ein genaues Bild über die Lage sämtlicher Minderheiten in seinem Zuständigkeitsbereich zu machen und sie bei der Verbesserung ihrer Situation zu unterstützen. Während andere Gemeinschaften sehr wohl auch — um nicht zu sagen: hauptsächlich — ihre eigenen Probleme anbringen und so unter anderem dazu beitragen, Druck auf den jeweilgen Zentralstaat aufzubauen, um die Lage zu verbessern, erliegt das offizielle Südtirol stets dem Reflex, unser Land als quasi makellose Modellregion zu präsentieren. Für die politische Führung des Landes ist es vielleicht angenehmer, sich als besonders erfolgreich darzustellen — im Interesse Südtirols und speziell der deutschen und ladinischen Minderheiten ist das jedoch keineswegs. Probleme, die man mit dem Sonderberichterstatter besprechen könnte, wie zum Beispiel
- die systematische Missachtung verbriefter Rechte;
- ihre regelmäßige Aushöhlung durch das Verfassungsgericht;
- die fortschreitende Minorisierung oder etwa
- die fortbestehende ladinische Dreiteilung,
gäbe es nämlich auch hierzulande zuhauf. Sie ihm als einem der wenigen Anwälte für die Rechte von Minderheiten (in einem ansonsten von Nationalstaaten für Nationalstaaten gemachten institutionellen Gefüge) zu schildern, ist kein Eingeständnis von Schwäche, sondern völlig normal — und noch dazu von kaum zu überschätzender Bedeutung.
So ist es hingegen, als würde man einen Arzttermin vor allem dafür nutzen, die eigenen Gesundheitsprobleme aus Eitelkeit zu verschleiern — da es ja Menschen gibt, die unter wesentlich schwereren Erkrankungen leiden.
Liegt dieses Verhalten vielleicht auch daran, dass wir es aus der Bewerbung des Landes als Tourismusdestination gewohnt sind, Südtirol im Stile eines Hochglanzprospekts als perfekt darzustellen, was es natürlich gar nicht ist?
Mag natürlich schon sein, dass der Landeshauptmann am Rande der Gespräche auch einige Schwierigkeiten erwähnt und besprochen hat, dann aber wäre es wichtig, das auch in der entsprechenden Pressemitteilung klar zu kommunizieren. Dass stattdessen das »Lob« von Außenminister Antonio Tajani (FI) thematisiert wurde, lässt hingegen den Schluss zu, dass sich Arno Kompatscher in der Rolle des Tokens (und des Vorzeigekolonisierten) pudelwohl fühlt. Einen sinnvollen Beitrag zur Lösung der tatsächlichen Herausforderungen leistet er damit aber weder nach innen noch nach außen — im Gegenteil.
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