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Prinzipientreue SVP?

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Die Volkspartei hat ihren Kompass verloren

Jetzt wieder. Die SVP drückt sich im italienischen Parlament an einer klaren Haltung konsequent vorbei. Die Volkspartei enthielt sich im Senat ihrer Stimme. Nicht bei irgendeinem Thema, sondern bei der »Mutter aller Reformen«, wie »Ministerpräsident« (Eigendefinition) Giorgia Meloni (FdI) ihren großangelegten Umbau der Republik umschreibt.

Die Volkspartei schweigt, weil sie darauf hofft, bei dieser Reform das Recht auf parlamentarische Vertretung in der Verfassung fixiert zu bekommen. Im Gegenzug stimmt die SVP nicht dagegen, nicht gegen die Direktwahl der Ministerpräsidentin, nicht gegen den Mehrheitsbonus für die siegreiche Wahlallianz und somit nicht gegen Koalitionspartner Fratelli in der Landesregierung.

Einzig Julia Unterberger und Manfred Schullian scherten aus, kritisierten die lauwarme Haltung, den Kuschelkurs der Volkspartei gegenüber der rechtsrechten Regierung. Als strammer Verteidiger Südtiroler Anliegen outete sich Luigi Spagnolli, Mitte-Links-Senator aus dem Senatswahlkreis Bozen-Unterland und einst Bozner Bürgermeister auch der SVP.

Julia Unterberger musste sich eine Pöbelei des Fratello-Senators Francesco Zaffini gefallen lassen, SVP-Obmann Dieter Steger stellte sich nicht schützend, verteidigend vor seine Senatorin. Nein, er zweifelte gar an, dass der stramm rechte Senator Unterberger und ihre Italienischkenntnisse spöttisch-zynisch in Zweifel zog.

Zwischen Kuscheln und Kuschen

Die Partei schwieg, um in der laufenden Debatte um die Verfassungsreform ihren Wunsch nach garantierten Parlamentsmandaten für Südtirol fixieren zu können.

Der Kuschelkurs verwundert keineswegs: Herbert Dorfmann (SVP) wurde über die Allianz mit Forza Italia, Teil der Meloni-Koalition, in das Europaparlament gewählt. Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP) hofft mit seinem Kuscheln mit den Fratelli die beschädigte Autonomie sanieren und gar ausbauen zu können. Auch deshalb holte die SVP die Fratelli in die Landesregierung.

Wie es scheint, wird aber aus der angepeilten Autonomiereform so schnell nichts werden. Sicher nicht vollinhaltlich in der laufenden Legislatur. Die Frage ist: Wann dann?

Wie bei Renzi

Die Geschichte wiederholt sich: 2016 unterstützte die SVP die von Ministerpräsident Matteo Renzi (damals PD) vorangetriebene, weitreichende Reform der Verfassung. Für ihre Unterstützung erhielt die SVP die Zusage, dass in der reformierten Verfassung die Schutzklausel für die Südtirolautonomie festgeschrieben wird. Laut dieser Klausel sollte eine einseitige Änderung der Autonomie — betrieben von der Regierung in Rom — unterbunden werden. Die Schutzklausel als Schutzschirm für Südtirols Autonomie.

Renzi hatte, wie jetzt Meloni auch, großes vor — er wollte institutionell entrümpeln. Direkt gewählt werden sollte nur mehr die Abgeordnetenkammer, von deren Vertrauen künftig die Regierung abhängig sein sollte. Den Senat wollten Renzi und seine Mistreiterin Maria Elena Boschi (damals ebenfalls PD) in eine Kammer der 19 Regionen sowie der beiden autonomen Provinzen Bozen und Trient umwandeln. Diese Regionenkammer wäre mit deutlich weniger Rechten ausgestattet worden als die Abgeordnetenkammer.

Trotzdem, dieser Senat sollte doch — wahrscheinlich ein Entgegenkommen hin zur SVP — bei Verfassungsänderungen und Verfassungsgesetzen, bei der Ratifikation von EU-Verträgen sowie bei Gesetzen, die Verfassungsbestimmungen zu Familie und Eltern, sprachlichen Minderheiten, Volksentscheidungen, Kommunalordnungen, regionalen und kommunalen Wahlsystemen betreffen, auch mitbestimmen können.

SVP für Zentralismus?

Letztendlich wollte Renzi die Zentrale stärken, die Zügel anziehen und straffen. Unter dem Leitmotiv des entbürokratisierten Staates standen die Reduzierung der Provinzen und die Zusammenlegung der »Sanitätseinheiten« auf der Prioritätsliste ganz weit oben. Nicht die Regionen sollten aufgewertet, sondern der Zentralismus erneuert werden.

In Südtirol verteidigte die SVP vehement diese Renzi-Reform, die Senatoren Siegfried Brugger (SVP) und Karl Zeller (SVP), Vertraute von Renzi, warben im Vorfeld des Referendums 2016 engagierte für den Staatsumbau.

Der Landtag übte scharf Kritik am neuen Zentralismus. Nicht nur die Opposition kritisierte die SVP-Freude an der Verfassungsreform, auch Fachleute konnten der Umkrempelei wenig abgewinnen. Der Blog Nein zur Verfassungsreform wies detailliert darauf hin, dass mit dem Renzi-Projekt der dürftige Regionalstaat Italien endgültig zerschlagen worden wäre. Genauso kritisierte der Blog auch die gefährliche Einschränkung der Demokratie über ein neues Wahlgesetz, das einen Mehrheitsbonus vorsah.

Besonders heftig polemisierte der ehemalige SVP-Senator Oskar Peterlini gegen die Reform, die darauf hinauslaufe, den Zentralstaat zu stärken. Er listete auf, dass die Reform vorsah, mehr als 20 regionale Kompetenzen wieder zurückzuholen. Die Zustimmung der SVP geißelte Peterlini als einen historischen Fehler.

Während in Südtirol, in der Emilia-Romagna sowie in der Toskana die Zustimmung für die Reform positiv ausfiel, stimmten beim Referendum alle anderen Regionen dagegen. Matteo Renzi trat als Ministerpräsident zurück, die autonomistische SVP hatte sich eindeutig als zentralismusfreundliche Partei positioniert.

Ja — und jetzt wieder. Ex-Senator Karl Zeller distanzierte sich auf Salto von der Meloni-Reform, bleibt aber hoffnungsfroh, dass die Autonomie repariert wird. unter dem Motto »die Hoffnung stirbt zuletzt«. Aber sie scheint jetzt schon stückweise zu sterben.


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