Trotz massiver Zweifel habe ich als bekennend linksgrün Versiffter bei der Europawahl Brigitte Foppa (Grüne) meine Stimme gegeben, die auf der staatsweiten Liste von Grünen und Linken kandidiert hatte. Leider war der aus meiner Sicht größte anzunehmende Unfall (GAU) diesmal vor allem das, nämlich »groß« und leider auch »(konkret) anzunehmend« — und er ist denn auch pünktlich mit aller Wucht eingetreten. Aufgrund der teils völlig konträren Positionen zwischen italienischen Fundis und Südtiroler Realos (wobei ich nicht grundsätzlich ein Fan von Realos bin) habe ich nun mit meiner Stimme zur Entsendung von Vertreterinnen ins EU-Parlament beigetragen, deren Ansichten zu wichtigen — insbesondere geopolitischen — Fragen ich nicht nur nicht aktiv unterstütze, sondern regelrecht verabscheue.
Der Reihe nach: Die Hoffnung war, dass die gesamtstaatliche Alleanza Verdi e Sinistra zwar die Vier-Prozent-Hürde nimmt und Brigitte Foppa in Südtirol so viele Vorzugsstimmen erhält, dass sie es nach Brüssel und Straßburg schafft. Bekanntlich werden in Südtirol deutlich fleißiger Vorzugsstimmen vergeben als in Italien, was ja auch umso nötiger ist, wenn nur einzelne Kandidatinnen auf einer großen, staatsweiten Liste Südtiroler Belange — bzw. internationale Belange aus einem Südtiroler Blickwinkel (Stichworte: Gebirgsregion, Mehrsprachigkeit, Minderheiten) — vertreten.
Anders als von den meisten Umfragen prognostiziert, konnten die Grünen und Linken auf Staatsebene und auch auf Ebene des Wahlkreises nicht nur knapp die Sperrklausel, sondern 6,7 Prozent erreichen. Da auch außerhalb Südtirols verhältnismäßig viele Grün-Links angekreuzt haben, waren die verhältnismäßig vielen Vorzugsstimmen für Brigitte Foppa in Südtirol absolut betrachtet knapp nicht ausreichend, um einen Sitz zu ergattern.
Die gut 24.000 Südtirolerinnen, die eine vernünftige Kandidatin wie Brigitte Foppa gewählt haben, die ausdrücklich nicht das Programm ihrer Liste mittrug, haben also gewollt oder ungewollt dazu beigetragen, Kandidatinnen zu entsenden, die bezüglich Nahostkonflikt oder gegenüber der Ukraine eher mit den extremen Rechten gemeinsame Sache machen und somit der Hamas und Diktator Wladimir Putin in die Hände spielen werden. So in der Art des Bündnis Sahra Wagenknecht.
Manche Wählerinnen (wie mich) wird das extrem stören, andere vermutlich weniger. Ich tröste mich jetzt mit den klima- und den sozialpolitischen Ansichten der italienischen Links-Grünen, doch eigentlich lassen sich diese gar nicht losgelöst von ihren pro-putinschen und antisemitischen Positionen betrachten.
Es darf in einer Demokratie eigentlich nicht sein, dass man eine Partei bzw. eine Liste wählt und dann nicht weiß, ob man in fundamentalen Fragen eine bestimmte Position oder ihr genaues Gegenteil unterstützt — und dass das vom Zufall (bzw. vom nicht vorhersehbaren Wahlverhalten der anderen) abhängt. Auch das führt zu Frust und Abwendung von der Demokratie. Ich jedenfalls bereue es jetzt, überhaupt gewählt zu haben.
Ohnehin hatte selbst ich als sehr politischer Mensch diesmal ernsthaft überlegt, aufgrund der hochproblematischen Konstellation und der absehbaren Risiken nicht wählen zu gehen. Beim nächten Mal werde ich in einer ähnlichen Situation womöglich wirklich zuhause bleiben.
Die Forderung nach einem eigenen EU-Wahlkreis für Südtirol, der die Situation einigermaßen normalisieren und solchen Absurditäten entgegenwirken würde, hat der Landtag leider abgelehnt — in einigen Punkten auch mit den Stimmen der Südtiroler Grünen.
Das ist umso unverständlicher, als ich von sehr zuverlässiger Quelle erfahren habe, dass Verdi e Sinistra Brigitte Foppas Versuche, auch außerhalb Südtirols Wahlkampf zu machen, aktiv hintertrieben haben, da das Bündnis zwar gerne das hohe Stimmenpotential aus Südtirol angenommen, aber Foppas Vorzugsstimmen gefürchtet hat.
Scrì na resposta