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Die projizierte Aufarbeitung.

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An einer Schule in Bozen wurde mit einem Rollenspiel die faschistische Kolonialherrschaft in Äthiopien aufgearbeitet. Das ist wichtig. Das ist gut. Und das ist überfällig. Einem Bericht auf Salto ist aber interessanterweise zu entnehmen, dass die Aufarbeitung italienischer Verbrechen an einer italienischen Schule ausgerechnet am Beispiel eines deutschsprachigen Südtirolers stattgefunden hat, der im Kolonialheer Karriere gemacht und Verbrechen begangen hat — wofür er dann in Italien ausgezeichnet wurde. Es sei belegt, »dass Italien unter Mussolini mit unverhältnismäßiger Gewalt gegen den abessinischen Widerstand vorging und dabei auch vor der Zivilbevölkerung nicht Halt machte«. Es gibt also auch verhältnismäßige Kolonialgewalt.

Als Quelle dafür, dass der Südtiroler Soldat »von seinen Landsleuten als Kriegsheld gefeiert« worden sei, muss überdies gerade die faschistische Alpenzeitung herhalten, die dafür bekannt war, die Zustimmung der Südtirolerinnen zum Regime und zu seinen Taten ungeniert herbeizuschreiben.

Ich will hier die Verbrechen des mir unbekannten und namentlich nicht genannten »Leiters eines Maschinengewehr-Bataillons«, der von den Schülerinnen der Pascoli-Schule im Rollenspiel vorbildlich zu 17 Jahren Haft verurteilt wurde, in keinster Weise relativieren oder kleinreden — schon gar nicht leugnen.

Es erstaunt nur etwas, dass die Kolonialgeschichte Italiens (exemplarisch!) ausschließlich anhand eines Exponenten der deutschen Minderheit aufgearbeitet wird, die damals ihrerseits in einem kolonialen Verhältnis zu Italien stand und einer brutalen Assimilierungspolitik ausgesetzt war. Zahlreiche Südtiroler wurden für den Einsatz in Abessinien zwangsverpflichtet. All das schmälert selbstredend die Schuld, die Kollaborateure auf sich geladen haben, nicht im Mindesten. Gerade im Wissen, dass in Italien ohnehin nach wie vor die Mär vom cattivo tedesco, bravo italiano vorherrscht, stellt sich die Frage nach den Gründen für diese Auswahl aber fast von allein.

Repräsentativ für die aufzuarbeitende Epoche und die italienischen Verbrechen in Afrika ist ein deutschsprachiger Südtiroler wohl eher nicht.

Siehe auch: 01 02 03 || 01



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Comentârs

3 responses to “Die projizierte Aufarbeitung.”

  1. Hartmuth Staffler avatar
    Hartmuth Staffler

    Mit seiner jährlichen Gedenkmesse für die in Abessinien gefallenen Carabinieri und Schwarzhemden-Milizen erteilt Bischof Muser diesen Verbrechern eine Art Generalabsolution. Es bleibt also nur mehr ein Südtiroler übrig, dem man alle Schuld für die unmenschlichen Verbrechen zuschieben kann.

  2. Martin Piger avatar
    Martin Piger

    Auch zahlenmässig dürfte die Südtiroler Beteiligung nicht sehr repräsentativ sein. 1.200 Südtiroler auf ein Heer von 500.000 Soldaten gerechnet machen 0,24 %. Unter 416 Soldaten hat man den einen Südtiroler herausgefischt. Chapeau! Statistisch gesehen durchaus repräsentativ.
    Gratulation an Lehrer und OEW.

  3. Veronica Miron avatar
    Veronica Miron

    Das Rollenspiel wurde unter der Anleitung der OEW durchgeführt. Aus der Sicht des OEWs macht es scheinbar keinen Unterschied ob es sich um deutsche, französische, italienische oder Südtiroler Soldaten handelt. Sind alle doch Europäer und Weiße. Gegen Afrikaner bzw Schwarze.
    Diese Leute sehen nur den Europäischen Kolonialismus gegen den globalen Süden. An alles andere sind sie blind.
    (Ein anderes Beispiel aus dieser Richtung – die pro-Palästina Bewegung.)

    Der der sich mit diesen Lehrprojekten an den Schulen beschäftigt ist ein Deutscher. Es ist schwierig, ihm italienischen Chauvinismus vorzuwerfen. Eher Oberflächlichkeit. Und Mangel an Sensibilität.

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