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Zur geforderten Abschaffung des Regierungskommissariats.

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Gestern hat der Landtag einmal mehr für die Abschaffung des Regierungskommissariats und für den Übergang der Zuständigkeiten an den Landeshauptmann gestimmt. Zum Teil wohl auch vom absurden Verhalten der SVP ermuntert, heißt es nun in Zeitungsartikeln und Kommentaren im Netz unter anderem, dass:

  1. der Landtag gar nicht für die Abschaffung des Kommissariats zuständig und der Antrag deshalb reine Schaumschlägerei sei;
  2. im Falle der Abschaffung die Funktionen wennschon — wie in Aoûta/Aosta — an die Region und nicht an die beiden Länder übergehen würden;
  3. es letztendlich keinen Unterschied machen würde, ob die Funktionen des Präfekten ein staatlicher Beamter oder der Landeshauptmann ausübt.

ad 1)

  • Richtig ist, dass der Landtag das Regierungskommissariat nicht eigenmächtig abschaffen kann, sonst gäbe es vermutlich schon lange keines mehr.
  • Selbstverständlich ist der Landtag aber dazu berechtigt, durch einen Begehrensantrag direkt Forderungen in Rom zu deponieren oder — wie im vorliegenden Fall — durch einen Beschlussantrag die Landesregierung damit zu beauftragen, mit Rom in entsprechende Verhandlungen zu treten.
  • Dabei handelt es sich um eine wichtige Funktion des Landtags, von der regelmäßig Gebrauch gemacht wird. Entsprechende Initiativen haben die meisten im Landtag vertretenen Parteien bereits ergriffen.
  • Auch im vorliegenden Fall bestreitet die SVP keineswegs, dass die Forderung der STF (im Sinne eines Auftrags an die Landesregierung, mit Rom in Verhandlungen zu treten) in die Zuständigkeit des Landtags fällt. Im Gegenteil: Die SVP hat ihren undemokratischen Abstimmungsboykott gerade damit begründet, dass sie sich weiterhin an einen früheren Antrag ähnlichen Inhalts gebunden fühle.
  • Zum Vergleich: Die Landesregierung ist auch nicht für die Wiederherstellung der Autonomie zuständig. Trotzdem — oder gerade deshalb — verhandelt der Landeshauptmann mit Rom darüber. Wenn die Forderung zur Wiederherstellung der Autonomie (oder zur Abschaffung des Regierungskommissariats) nicht von Südtirol ausgeht, wird das dafür zuständige Rom ziemlich sicher nicht entsprechend tätig werden. Und selbstverständlich ist ein Entscheid des Landesparlaments (wenn er nicht, wie in diesem Fall, von der angeblichen Autonomiepartei SVP boykottiert wird) eine solidere Grundlage für Verhandlungen mit Rom als die Forderung einer einzelnen Partei.

ad 2)

  • Diese Behauptung ist — wie man so schön sagt — Bullshit. Das heutige Regierungskommissariat ist für Südtirol zuständig, Trient hat sein eigenes. Die Abschaffung des Bozner Regierungskommissariats wäre, wenn wir Aoûta/Aosta (wo es keine Provinzen gibt) als Vorbild betrachten, mit der Übertragung der entsprechenden Kompetenzen an den Landeshauptmann verbunden.
  • In der gestern vom Landtag genehmigten Vorlage ist die Forderung enthalten, dass die Zuständigkeiten auf das Land Südtirol übergehen sollen. Wer für den Antrag gestimmt hat, hat also ausdrücklich dies und nicht die Übertragung der Kompetenzen an die Region gefordert.

ad 3)

  • Bei der Präfektin oder Regierungskommissärin handelt es sich um eine monokratische Institution, die aus einer von Rom ernannten Beamtin besteht, die in der Regel noch nicht einmal Deutsch versteht oder gar spricht. Weder existiert eine entsprechende Verpflichtung, noch gilt die Kenntnis der größten Landessprache als Vorzugskriterium bei der Ernennung. Meist ist die beauftragte Beamtin mit den Südtiroler Besonderheiten nicht vertraut und hat oft keine Sensibilität für die Mehrsprachigkeit im Lande. Das Amt ist Ausdruck eines äußerst zentralistischen Staatsverständnisses.
  • Der Landeshauptmann oder die Landeshauptfrau wird von den Südtirolerinnen demokratisch gewählt, ist in der Regel (und war bislang immer) mindestens zweisprachig und natürlich mit den Begebenheiten vor Ort bestens vertraut.
  • Während sich die Präfektin in erster Linie Rom loyal verbunden fühlt, ist dies bei einem Landeshauptmann oder einer Landeshauptfrau nicht der Fall. Präfektinnen haben, obschon nicht demokratisch gewählt, bei ihren Entscheidungen einen relativ großen Ermessensspielraum, den ein Landeshauptmann oder eine Landeshauptfrau zugunsten der Autonomie und im hauptsächlichen Interesse Südtirols (statt Roms) nutzen könnte. Er oder sie wäre dafür auch gegenüber der Südtiroler Bevölkerung rechenschaftspflichtig, die ihn oder sie abwählen (bzw. nicht wiederwählen) kann.
  • Obschon sie nicht demokratisch gewählt und gegenüber der Südtiroler Bevölkerung nicht rechenschaftspflichtig ist, ist die Präfektin mit einer Fülle von administrativen Zuständigkeiten (öffentliche Sicherheit, Einbürgerungen, Überwachung der Zwei-/Dreisprachigkeitspflicht etc.) ausgestattet, deren Übernahme eine deutliche Aufwertung der Südtirolautonomie bedeuten würde.
  • Nicht zuletzt ist die Präfektin Ausdruck des italienischen Staates, dem die Südtirolerinnen jeder einzelnen Sprachgruppe deutlich weniger vertrauen als dem Land Südtirol, wie neue Daten bestätigen. Insgesamt vertrauen dem Land 62%, dem Staat aber nur 26% der Südtirolerinnen.

Die Abschaffung des Regierungskommissariats und die Übertragung seiner Zuständigkeiten auf das Land Südtirol wäre also ein Beitrag zur Dezentralisierung, zur Demokratisierung, zur Accountability (Rechenschaftspflicht), zur Aufwertung der Autonomie und zur Steigerung des Vertrauens in die Institutionen, dessen Bedeutung kaum überschätzt werden kann.

Siehe auch: 01 02 03



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