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Melonis Autonomie.

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Wird die rechtsrechte Ministerpräsidentin Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP) vorführen?

In diesen Wochen soll ein Entwurf für eine Autonomiereform vorliegen — eine Vereinbarung zwischen der italienischen Regierung und der Südtiroler Landesregierung. Ein großer Wurf, würdigte der Eurac-Wissenschaftler und Ex-Senator Francesco Palermo das Vorhaben von Landeshauptmann Kompatscher.  

Die von den Verfassungsrichtern abgeräumte Autonomie soll wieder vollständig hergestellt werden — und nicht nur. Kompatscher möchte sie stärken, künftig gegen »Übergriffe« des Verfassungsgerichts mit einer Einvernehmensklausel schützen.

Universitätsprofessor und Ex-Senator Oskar Peterlini (SVP) lobte bei verschiedenen Anlässen die von Kompatscher angestrebte Autonomiereform. Er warnte aber auch davor, zum Stand von 1992 zurückzukehren. Für Peterlini wäre das gar ein Rückschritt. Ähnliches sagte der Innsbrucker Rechtswissenschaftler Peter Hilpold.

Um die laut den beiden Innsbrucker Wissenschaftlern Esther Happacher und Walter Obwexer geschwächte Autonomie zu reparieren, zu sanieren und gar auszubauen, ging Landeshauptmann Arno Kompatscher — im vorauseilenden Gehorsam? — gar eine Koalition mit den rechtsradikalen Fratelli d’Italia ein. Ein kluges Unterfangen?

Autonomie, nationales Interesse?

Vor den Parlamentswahlen 2023 teilte die damalige Spitzenkandidatin der Fratelli d’Italia Giorgia Meloni auf einer Seite in der Tageszeitung Dolomiten den Südtiroler:innen mit, dass sie für eine starke Autonomie sei. Vorbedingung: in einem starken Staat, in dem die nationalen Interessen vorrangig sind. Wie soll das zusammenpassen? 

Es gebe nämlich Bereiche, die von strategischem Interesse seien, schrieb Meloni in den Dolomiten. Diese Interessen reichen von der Infrastruktur bis hin zur Energie. Südtirol müsse in diesen Bereichen die Führung der Zentralregierung überlassen, warb Meloni im Tagblatt der Südtiroler — vom Tagblatt unwidersprochen — für eine weitere Beschneidung der Autonomie.

Sie ließ damals die Südtiroler:innen wissen, dass ihr Mann in Bozen Langzeit-Landtagsabgeordneter Alessandro Urzì ist. Dieser wurde 2023 im Kammerwahlkreis Vicenza ins Parlament gewählt und ist inzwischen Vorsitzender der Sechserkommission, der Autonomiekommission für Südtirol. 

Südtirol, ein reaktionäres gallisches Dorf?

Und jetzt wiederholt sich das linke wie rechte italienische Märchen zu Südtirol und zur Autonomie. Der Reihe nach. Kommissionspräsident Urzì informierte Landeshauptmann Kompatscher in einem Salto-Interview, dass sein Reformentwurf zu weit geht. Ein Entwurf, kritisierte Melonis Mann in Bozen, der nur ein persönlicher Kompatscher-Entwurf sei. Salto-Zitat:

Facciamo un passo indietro: tutto è iniziato con il presidente Kompatscher che a nome dei Presidenti delle Regioni del [sic] Statuto speciale ha consegnato il documento che tutti conosciamo a Giorgia Meloni, la quale ha dichiarato che sarebbe stato valutato senza pregiudiziali.

– Alessandro Urzì

Urzì betonte, dass Rechtsexpert:innen sich jetzt mit der Vorlage beschäftigen und ihn dann überarbeiteterweise an die Politik weiterreichen würden. Dann beginne erst die Reformarbeit, gibt Urzì einen völlig anderen Zeitrahmen vor als ihn sich der Landeshauptmann wünscht.

Urzì wirft Kompatscher vor, dass der Reformentwurf für die autonomen Regionen und Provinzen nur von den Präsidenten und ihm als Landeshauptmann ausgearbeitet wurde. 

Melonis Aufpasser in der Sechserkommission distanzierte sich im Salto-Gespräch gar vom angepeilten Ziel des Autonomieausbaus. Er wurde regelrecht von den Salto-Journalisten dazu gedrängt, frotzelte Simon auf . Die linken italienischen Salto-Journalisten scheinen gar mit Urzì die Meinung zu vertreten, dass die angestrengte Auflistung der Landeszuständigkeiten im Autonomiestatut einem Anschlag auf das Verfassungsgericht gleichkommt. Grundtenor, damit wird Südtirol zu einem gallischen Dorf. Also als tief reaktionäre Provinz abgeschottet von der großen italienischen Nation und ihrer Liberalität sowie Zivilität. 

Italienische Einheitsfront?

Simon hat sich die beiden Salto-Artikel Alto Adige come il villaggio di Asterix? mit Karl Zeller (SVP) und Francesco Palermo und L’intesa? Così è troppo mit Alessandro Urzì analytisch vorgenommen. Überraschend die Einheitsfront aus Salto und Urzì, dass die detaillierte Aufzählung der Landeszuständigkeiten im Statut angeblich einer Entmachtung des Verfassungsgerichts entspreche. Dann doch im Sinne der erwähnten Einheitsfront legt sich Palermo gegen eine Aufwertung auch der Durchführungsbestimmungen quer. 

Dabei plädierte Palermo für eine möglichst detaillierte Formulierung der Kompetenzen, »um die Kreativität des Verfassungsgerichts bei der Einschränkung autonomer Befugnisse einen Riegel vorzuschieben«, erklärt Simon die Überlegung von Palermo.

Also, wohin geht die Reise? Wenn Urzì entscheidet, nicht zum Bahnhof von Kompatscher. Der Bahnhof steht als Ziel für die Einvernehmensklausel. Laut dieser sind Änderungen am Autonomiestatut durch die italienische Regierung ohne Zustimmung des Landtages nicht möglich. Was macht Urzì daraus? »So wie der Text vom Landeshauptmann vorgelegt wurde, unterstellt er alles dem Willen einer einzigen, nämlich der mehrheitlichen Sprachgruppe, weshalb ich denke, dass er überarbeitet werden muss«, kündigte Urzì auf Salto an. 

Und der Pariser Vertrag?

Er plädiert für ein italienisches Vetorecht und hebt damit die von Kompatscher formulierte Einvernehmensklausel auf. Mit diesem Veto-Instrument könnte dann die italienische Regierung die Autonomie einseitig abändern. Urzì und Meloni scheren sich offensichtlich wenig um die Vorgabe aus dem Pariser Vertrag von 1946, die internationale Grundlage der Südtirolautonomie. Meloni schrieb in der Tageszeitung Dolomiten, dass die Autonomie »nicht nur für Bürger deutscher oder ladinischer Muttersprache gilt«. Laut Meloni behaupten das einige oder noch schlimmer, spitzte sie ihre Kritik zu, die Autonomie gilt nur für eine einzige Partei. 

Widerspruch. Doch, die Autonomie gilt für die ladinische und deutschsprachige Minderheiten. Im Pariser Vertrag zwischen Österreich und Italien, das internationale Fundament des Zweiten Autonomiestatuts, heißt es, dass die deutschsprachigen Bewohner:innen der Provinz Bozen »im Rahmen besonderer Maßnahmen zum Schutze der völkischen Eigenart und der kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklung der deutschen Sprachgruppe« gefördert werden. Ja, die Autonomie gilt nur für die ladinischen und deutschsprachigen Südtiroler:innen. Selbstverständlich ist es notwendig und sinnvoll, auch die italienische Sprachgruppe in das Autonomiesystem einzubauen und somit einzubinden.

Die Welt der Meloni

Der Landeshauptmann sollte sich nichts vormachen. Meloni sieht nicht nur die Welt anders als der Landeshauptmann, sondern auch Südtirol. So forderte Meloni vor einigen Jahren pro-österreichische Südtiroler:innen auf, nach Österreich auszuwandern. Auf einer Veranstaltung der neofaschistischen Vox in Spanien — die Partner der Fratelli — hetzte sie entgrenzt gegen die liberale europäische Gesellschaft. 

Meloni plant eine große Verfassungsreform: Direktwahl des Premiers und Mehrheitsbonus für die stärkste Partei. Endziel, ein starker Staat. Das glatte Gegenstück zum heutigen — wenn auch dürftigen — Regionalstaat. Immerhin das Erbe der antifaschistischen Widerstandskämpfer in Aosta, Sardinien und Triest. Meloni macht Druck in Richtung Superstaat, deep state würde Donald Trump sagen, sie wird sich die Reform wohl vom »Volk« bestätigten lassen. Weniger eilig hat es Meloni mit der »autonomia differenziata« von Lega-Minister Roberto Calderoli, weil es das Gegenkonzept des starken Staates ist. 

Und wie passt nun in das Meloni-Traumprojekt »starker Staat« ein starkes Südtirol, eine aufgerüstete Landesautonomie? Gar nicht. Südtirol müsse sich ins Gesamtspektrum der nationalen Einheit eingliedern, empfahl Meloni im Herbst 2023 im Tagblatt Dolomiten. Und: »Im Unterschied zu vielen anderen hat FdI eine übernommene Verpflichtung noch nie unerfüllt gelassen«. Ob sie damit die Eingliederung Südtirols ins Gesamtspektrum der nationalen Einheit meint?

Dann wird es wohl eine Autonomie von Melonis Gnaden geben.


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Comentârs

2 responses to “Melonis Autonomie.”

  1. Veronica Miron avatar
    Veronica Miron

    Palermo hat die Reform aus einem rein technischen Sichtpunkt kritisiert.
    Er meint diese Reform (im Wortlaut vom Zeller) stößt gegen die Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit. Weil dann wird die ganze Macht in der Hand von der Politik konzentriert.
    Wir haben kein Landesverfassungsgericht in Südtirol, der die Gesetze prüfen könnte.

    Laut Palermo (meine Interpretation) bräuchte es einen echten Föderalismus. Also entweder macht man es ernst (und respektiert den Grundsatz der Gewaltenteilung, was in einem Rechtsstaat zentral ist) oder man tut nur spielen. Wie in einem comics. Villaggio di Asterix, glaube ich ist in diesem Sinne gemeint. Nicht als Beleidigung für das Streben nach mehr Autonomie.

    Was dann Urzì mit seiner nationalistischen/imperialistischen Lupe herausgezogen hat ist eine andere Sache.

    Leider ist Italien für den Föderalismus nicht reif. Es bräuchte mehr Leute wie Palermo in Rom. An der Stelle von Meloni vielleicht…

    1. Simon avatar

      Mal davon abgesehen, dass es einen rein technischen Standpunkt gerade in einer eminent politischen Frage wie dieser nicht gibt: Warum sollte die Reform gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit verstoßen? Die Landesgesetze und auch die Durchführungsbestimmungen selbst können auch nach der allfälligen Umsetzung der Reform weiterhin vom staatlichen Verfassungsgericht überprüft werden. Ein Verfassungsgericht übrigens, das auch nach Ansicht von Francesco Palermo sehr zentralistisch urteilt.

      Mit dem gallischen Dorf (bzw. Dorf von Asterix) ist ganz sicher nicht gemeint, dass nur gespielt wird, sondern dass Südtirol dann dem Dorf von Asterix gleichen würde, das sich als einziges der römischen Herrschaft über Gallien widersetzte. Ich halte das für einen entwürdigen und autonomiefeindlichen Vergleich.

      Wenn wir auf die Föderalisierung Italiens warten, können wir auch gleich auf den Weltfrieden warten. Alles ist möglich, doch es gibt keinerlei Anzeichen, dass das jemals in naher Zukunft eintreten wird. Wenn die anderen keine Selbstverwaltung wollen, kann Südtirol alleine weder dafür sorgen noch auf ewig verzichten.

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