Es ist eine Nachricht die, sofern sie stimmt, in einem Minderheitengebiet alle Alarmglocken bis zum Zerbersten schrillen lassen müsste: Um in den Genuss zusätzlicher Sozialleistungen zu kommen, müssen Zuwandernde aus Nicht-EU-Staaten gemäß Landesgesetz einen Kurs über Südtirol besuchen und eine einfache Sprachprüfung (entweder Deutsch oder Italienisch) bestehen. Laut einem Bericht des A. Adige haben dies im vergangenen Jahr (2023) 655 Personen geschafft, doch sage und schreibe 95 Prozent — salopp gesagt: praktisch alle — haben die Sprachprüfung in Italienisch abgelegt. Das übertrifft wohl jede noch so pessimistische Befürchtung um Längen.
Die angeblich in Südtirol so dominante deutsche Sprache ist in der Integration und Inklusion de facto inexistent.
Zum Vergleich:
- In der mehrheitlich frankophonen Provinz Québec in Kanada dürfen Zuwandernde ihre Kinder nur in französischsprachige Schulen einschreiben. Das gilt sogar für Menschen, die aus dem restlichen Bundesgebiet einwandern. Wer seit über einem halben Jahr in Québec ansässig ist, hat bei Behörden kein Recht auf Gebrauch der englischen Sprache mehr.
- Im restlichen Kanada wird immer mehr darauf geachtet, dass unter Zuwandernden ein angemessener Anteil an Frankophonen ist, um die französischen Minderheiten in den mehrheitlich anglophonen Provinzen und Territorien zu fördern und zu unterstützen.
- Auch in Ostbelgien wird die Integration in der regionalen Mehrheitssprache Deutsch gefördert.
In Südtirol herrscht offenbar die Auffassung vor, dass wir das alles nicht nötig haben und auch ohne unser Zutun schon irgendwie alles gut gehen wird — was sich als enormer Trugschluss erweisen könnte, wie diese Zahlen auf beeindruckende Weise nahelegen.
Durch die freie Sprachwahl bei den im Landesintegrationsgesetz vorgesehenen Maßnahmen werden die minorisierten Sprachen Deutsch und Ladinisch schwer benachteiligt. Im Grunde fördert das Land so paradoxerweise nur noch zusätzlich aktiv und einseitig die Abhaltung von Italienischkursen und die Integration der Zuwandernden in die staatliche Mehrheitsgesellschaft: eine neue Form der Majorisierung und Assimilierung.
Während der Staat zur Erlangung der Staatsbürgerschaft oder gar einer dauerhaften Aufenthaltsgenehmigung auch in Südtirol ausschließlich die Staatssprache bevorzugt — deren Kenntnis eine zwingende Voraussetzung ist — hat Südtirol keine rechtliche Möglichkeit, gegenzusteuern und asymmetrisch die Kenntnis der Minderheitensprachen einzufordern.
Ganz offensichtlich werden jedoch auch zu wenig Anreize und aktive Angebote gesetzt oder sie werden schlicht und ergreifend nicht wahrgenommen.
Zu den Komplizinnen dieser desaströsen Fehlentwicklung können wir aber auch jene deutschsprachigen Südtirolerinnen zählen, die glauben, der Ausschluss von Kindern anderer Muttersprache aus den deutschen und ihre Abschiebung in die italienischen Schulen (vgl. 01
) könnte den Minderheitensprachen einen Dienst erweisen. Genau das Gegenteil ist der Fall.
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