Mit ihrem Bündnis zur Europawahl ermöglicht die SVP allen in Südtirol und noch darüber hinaus, gleichzeitig eine Stimme für die Unterwanderung der EU durch dem Kreml (und für die Eroberung der Ukraine durch Russland) abzugeben. Wer nämlich am zweiten Juniwochenende ein Kreuz auf dem Edelweißsymbol macht, setzt einen nicht offensichtlichen Mechanismus in Gang, der neben Herbert Dorfmann einem weiteren Südtiroler Kandidaten, Matteo Gazzini, dienen kann, wieder ins EU-Parlament zu gelangen.
Das funktioniert so: Da Südtirol (anders als etwa die erheblich kleinere Deutsche Gemeinschaft in Belgien) über keinen eigenen EU-Wahlkreis verfügt und da es in Italien zudem eine staatsweite 4%-Sperrklausel gibt, nimmt die SVP auf der Grundlage einer Minderheitenregelung über eine Listenverbindung mit Forza Italia (FI) an der Wahl teil. Bei der Auszählung werden die Stimmen der SVP (bzw. der Minderheitenliste) mit denen von FI summiert. Schafft es der Meistgewählte der Minderheitenliste, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Herbert Dorfmann heißen wird, nicht aus eigener Kraft, ein Mandat zu erringen, gilt er aufgrund der Sonderklausel trotzdem als gewählt, sofern er mindestens 50.000 Vorzugsstimmen erhält — und ersetzt damit die letztgewählte Kandidatin des Bündnispartners Forza Italia.
Anders als bei Brigitte Foppa (Grüne) und Paul Köllensperger (TK), die auf der Liste der italienischen Grünen und Linken bzw. auf jener von Azione zur EU-Wahl antreten werden, weist beim SVP-Logo auf dem Wahlzettel nichts darauf hin, wen man da mitwählt. Zum Vergleich etwa der Wahlzettel von 2019, als die Volkspartei erstmals ein Bündnis mit Forza Italia eingegangen war:
Specimen EU-Wahlzettel 2019 (Wahlkreis Nordostitalien)
Lediglich unmittelbar nacheinander gereiht müssen die Wahlsymbole von Forza Italia und Südtiroler Volkspartei auf den Unterlagen sein. Wer das nicht weiß, könnte aber auch glauben, dass es sich dabei um einen Zufall handelt.
Viele werden gar nicht erfahren (und manchen, die es eigentlich wissen, wird vielleicht nicht ganz bewusst sein), was da am Ende des Tages geschehen wird: Um zu ermitteln, wie viele Abgeordnete FI und SVP gemeinsam im Wahlkreis Nordost nach Straßburg und Brüssel entsenden, werden zunächst die Stimmen beider Listen summiert, als handelte es sich um dieselbe Partei. In einem zweiten Schritt wird geschaut, ob Herbert Dorfmann aufgrund der erhaltenen Vorzugsstimmen so gereiht ist, dass er zu den allfälligen Gewählten zählt. Ist dies nicht der Fall, kann er der Letztgewählten von FI den Platz wegschnappen, sofern er mindestens 50.000 Vorzugsstimmen erhalten hat.
Bei der Europawahl 2019 konnten FI und SVP im Wahlkreis gemeinsam nur einen Kandidaten entsenden. Dabei hatte die Partei von Silvio Berlusconi 339.016 Stimmen (5,82%) erlangt, die SVP 142.185 (2,44%); doch während Dorfmann 100.446 Vorzugsstimmen erhielt, hatte der Medienmogul als Spitzenkandidat von FI nur 96.344 Präferenzen auf sich vereinen können. Eine Umreihung aufgrund der Minderheitenregel war gar nicht notwendig und FI ging im Wahlkreis Nordost leer aus.
Doch diesmal wird Forza Italia ein besseres Ergebnis zugetraut.
Der Leiferer Matteo Gazzini (15.028 Vorzugsstimmen) ging 2019 auf der Lega-Liste als Zehntgereihter aus der Wahl hervor und rückte 2022 ins EU-Parlament nach, weil Parteikollege Marco Dreosto in den italienischen Senat gewählt worden war. Dem seitdem zu FI übergetretenen Unterlandler wird vorgeworfen, Teil einer Einfluss- und Destabilisierungskampagne des Kremls auf die EU zu sein, die maßgeblich über das Propagandamedium Voice of Europe ausgeführt wurde. Anstatt das Ergebnis der Ermittlungen abzuwarten, hat die Partei von Außenminister (und Mussoliniversteher) Antonio Tajani beschlossen, Gazzini bei der anstehenden EU-Wahl eine erneute Kandidatur zu ermöglichen. Das ist durchaus konsequent, wenn man bedenkt, welche Positionen Parteigründer Berlusconi vor seinem Tod zu Wladimir Putins Überfall auf die Ukraine eingenommen hatte (01
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) — und dass zur Südtiroler Landtagswahl 2023 auch Putins Ex-Konsul Bernhard Kiem auf der FI-Liste stand.
Wer also am 8. und 9. Juni das jüngfräulich wirkende Symbol der SVP ankreuzt, soll wissen, dass damit auch die Wiederwahl von Herrn Gazzini wahrscheinlicher wird.
Cëla enghe: 01
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