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Laufen für die eigene Sprache.
Korrika

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Vom 14. bis 24. März gehen im Baskenland so viele Menschen wie nirgendwo sonst auf der Welt für ihre Sprache auf die Straße.

von Matthias Scantamburlo

»Ttipi ttapa ttipi ttapa Korrika« sind die Worte, die vom 14. bis 24. März in jeder Ecke des Baskenlandes zu hören sind. Sie bedeuten »Schritt für Schritt laufend« und sind der Leitspruch der Korrika, eines solidarischen Volkslaufs zur Förderung von Euskara, der baskischen Sprache. Die älteste existierende Sprache Europas wird von circa einer Million Menschen im Gebiet des historischen Baskenlandes (Euskal Herria) zwischen Frankreich und Spanien gesprochen. Einst in Gefahr verloren zu gehen, gilt sie heute noch in großen Teilen dieses Gebiets als nicht offiziell und stark bedroht. Die baskische Bevölkerung vereint sich deshalb alle zwei Jahre um 11 Tage und 10 Nächte ohne Unterbrechung für ihre Sprache zu laufen.

Foto: AEK

Die Idee ist einfach: Ein Holzstab mit einer geheimen Unterstützungsbotschaft für Euskara wird von Hand zu Hand weitergereicht und durchquert das gesamte Baskenland. Am Ziel angekommen, wird die Botschaft bei der Abschlusskundgebung dem Publikum vorgelesen. Über die gesamte Strecke hinweg wechseln sich, gefolgt von Spruchbändern, Fahnen und Musik, die Menschen ab, den Holzstab weiterzutragen. In Dörfern und Städten nimmt der Lauf die Gestalt einer Massendemonstration an. Den Stab zu tragen ist eine besondere Ehre. Vereine, Organisationen und Unternehmen kaufen dafür bestimmte Teile der Strecke. Das eingenommene Geld ist für die Finanzierung der Baskisch-Schulen von AEK, einer Organisation, die in allen Provinzen des Baskenlandes Erwachsene in Euskara unterrichtet.

Foto: AEK

Seit dem ersten Korrika-Lauf im Jahr 1980 hat sich die Veranstaltung zu einem der führenden Events zur Unterstützung von Euskara und des gesamten Baskenlandes entwickelt. Nach dem Motto »Harro Herri« (stolzes Volk) findet dieses Jahr die 23. Ausgabe statt, bei der mehr als 2.700 km zurückgelegt werden. Schätzungen zufolge haben im Laufe der Jahre mehrere hunderttausend Menschen an der Korrika teilgenommen. Diese Zahlen zeigen, wie sehr sich die baskische Gesellschaft ihrer Sprache verpflichtet fühlt. Die Beteiligung nimmt jedes Jahr zu und tausende Menschen helfen ehrenamtlich bei der Organisation, indem sie sich den Dorf- oder Stadtteilkomitees anschließen oder andere kulturelle Aktivitäten mitgestalten. 

Die Korrika findet aber nicht nur im Baskenland statt. Die baskische Diaspora und andere UnterstützerInnen des Baskenlandes organisieren zeitgleich mit jeder Ausgabe ähnliche Initiativen auf der ganzen Welt. Zudem haben auch andere Minderheiten begonnen, für ihre Sprache zu laufen, wie in Katalonien oder Galicien.

Foto: Argia

Veranstaltungen wie die Korrika stehen im Zusammenhang mit dem Kampf um das Auslöschen oder die Erhaltung der baskischen Sprache, der die jüngere Geschichte dieses historischen Territoriums zentral geprägt hat. Die Offensive gegen das Euskara geht auf die zentralistischen Impulse der französischen und spanischen Nationsbildungsprozesse der letzten Jahrhunderte zurück. Die französische Revolution erklärte das Baskische zum Patois und brandmarkte es als »Sprache des Fanatismus«. In Spanien wurde die allgemeine Schulpflicht auf Spanisch am Ende der Karlistenkriege in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eingeführt. Aber es war nicht nur die Sprachpolitik beider Staaten, die direkten Einfluss gegen das Euskara einnahm. Baskisch-Sprechende galten als unzivilisiert und wurden Opfer psychologischer Verfolgung. In den Schulen wurde unter denjenigen Kindern, die es wagten, Baskisch zu sprechen, ein Ring weitergegeben, bis dessen letzte TrägerIn am Ende des Tages bestraft wurde. 

Aufgrund dieser Maßnahmen ging die Anzahl an Baskisch-Sprechenden über die letzten drei Jahrhunderte sehr stark zurück. In Spanien war Euskara während der Franco-Diktatur für 40 Jahre komplett verboten und überlebte nur als Alltagssprache in den privaten Haushalten.

Genau dort war es aber, wo im Laufe der 60er und 70er Jahre im Widerstand heimlich Schulen gegründet wurden. Diese bereiteten den Weg zu einer Bewegung für die Erneuerung des Euskara, das als moderne Sprache nach der Diktatur zu großen Teilen neu erfunden werden musste. Dabei ergaben sich viele Schnittstellen zwischen politischem und linguistischem Aktivismus. Entgegen dem Bild der baskischen Hinterwäldler, das in internationalen Bestsellern zum Baskenlandkonflikt gezeichnet wird, ist dieser Aktivismus eindeutig den Neuen Sozialen Bewegungen zuzuordnen. Die baskische Sprache wurde Teil eines größeren gegenhegemonialen Projekts, das Populärkultur mit sozialen Kämpfen verband und zu einer Reformulierung des gesamten Nationsdiskurses beitrug. Das Euskara (und nicht mehr die Herkunft) wurde das zentrale Element für die Reproduktion der baskischen Nation und ihre Aneignung ein Instrument gegen die Repression.

Foto: GasteizHoy

Obwohl seit der Implementierung der Autonomie in der Autonomen Gemeinschaft Baskenland und einigen Teilen Navarras das Euskara massiv gefördert wird und aufgrund der linguistischen Immersionspolitik bedeutende Fortschritte gemacht wurden, steht das Euskara immer noch im Zentrum der politischen Auseinandersetzung. Die Politik des Zentralstaats sorgt dafür, dass das Baskische marginalisiert bleibt. Im Zuge der »Todo-es-ETA«-Politik wurde 2003 die einzige rein baskischsprachige Tageszeitung Egunkaria von der spanischen Polizei geschlossen, ihr Chefredakteur Martxelo Otamendi im Gefängnis gefoltert. Klagen gegen Gemeindeverwaltungen, die in Euskara funktionieren, gehören zum Alltag in Euskadi. Erst 2023 hat das Verfassungsgericht mehrere Abschnitte eines baskischen Gesetzes über die Priorisierung des Euskara in lokalen Institutionen als verfassungswidrig annulliert.

Während auf Baskisch zu leben immer noch ein täglicher Kraftakt ist, wird es dort, wo es keinen offiziellen Charakter genießt, zu einer ungeheuerlichen Aufgabe. Die öffentlichen Schulen bieten in diesen Regionen keinen Unterricht auf Euskara an, weshalb viele Kinder in weit entfernte Schulen pendeln müssen. In Frankreich bleibt Französisch die einzige offizielle Sprache und Baskisch wird nur in privaten Schulen unterrichtet. Trotz einigen Fortschritten bei den Jugendlichen nimmt der Anteil der Baskischsprachigen dort insgesamt weiter ab, in den letzten 25 Jahren von 26 auf 20 Prozent der Bevölkerung.

Foto: AEK

Events wie die Korrika kämpfen gegen diese Situation an. Die Bedeutung der Korrika geht aber weit über Sprache hinaus. Sie zeigt, dass Institutionen ständig von der Zivilbevölkerung unterstützt werden müssen, und spiegelt im Zeitalter des Individualismus die Stärke des Kollektivs wider. Nur Dank der ständigen Initiative entsteht eine bewusste Gemeinschaft, ohne die eine gefährdete Sprache nicht fortbestehen kann. Ein weiterer Leitspruch der Korrika lautet: »Eine Sprache geht nicht verloren, weil jene, die sie nicht kennen, sie nicht lernen, sondern weil jene, die sie kennen, sie nicht sprechen.«

Der Volkslauf kann hier im Livestream verfolgt werden.


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