Im Rahmen der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen hat Tschechien beschlossen, seine Verpflichtungen in Bezug auf die deutsche Sprache in acht Bezirken, darunter Karlsbad, Reichenberg/Liberec), Falkenau/Sokolov und Troppau/Opava deutlich zu erweitern. Dies teilten die Behörden in einer offiziellen Mitteilung vom 28. Februar mit.
Bildung
Konkret sollen künftig wesentliche Teile der Vor-, Grund- und Sekundar- sowie der technischen und Berufsbildung in deutscher Sprache angeboten werden, einige Universitäts- und andere Formen der Hochschulbildung sogar vollständig. Darüber hinaus sollen der Unterricht über die deutsche Sprache und Kultur in Tschechien gewährleistet und die dafür nötigen Lehrkräfte ausgebildet werden. Es wird ein Aufsichtsorgan eingesetzt, das die Maßnahmen und Fortschritte überwacht und öffentlich Bericht erstattet.
Justiz
Auch Deutsch als Gerichtssprache soll ausgeweitet werden. So sollen Angeklagte in Strafprozessen das Recht erhalten, Deutsch zu gebrauchen, Anträge und Beweismittel dürfen künftig ebenso auf Deutsch vorgelegt werden und Schriftstücke, die mit dem Gerichtsverfahren zusammenhängen, müssen auf Deutsch abgefasst werden.
In Zivil- und Verwaltungsverfahren sollen die Parteien ebenfalls das Recht haben, die deutsche Sprache in Wort und Schrift zu gebrauchen, ohne dass ihnen dadurch Mehrkosten entstehen, selbst wenn zur Sicherstellung dieser Möglichkeit Dolmetscherinnen oder Übersetzungsdienste herangezogen werden müssen.
Amtsverkehr
Fortan wird Tschechien auch Rechtsurkunden anerkennen, die ausschließlich in deutscher Sprache abgefasst sind.
Bürgerinnen deutscher Sprache sollen ferner das Recht erhalten, Anträge bei staatsweiten, regionalen und kommunalen Behörden in ihrer Sprache einzureichen sowie einen deutschen Nachnamen anzunehmen.
Kultur
Auch die Ausstrahlung von Fernseh- und Radiosendungen in deutscher Sprache sowie die Förderung mindestens einer deutschsprachigen Zeitung sind vorgesehen. Der freie Empfang von Sendungen aus dem deutschsprachigen Ausland soll ermöglicht werden.
In Bezug auf kulturelle Einrichtungen (wie Bibliotheken, Kulturzentren, Archive, Theater oder Kinos) und Tätigkeiten verpflichtet sich das Land, Initiativen in deutscher Sprache zu ermutigen und Zugangsmöglichkeiten zu fördern. Auch bei der Kulturpolitik im Ausland will Tschechien die deutsche Sprache fortan angemessen berücksichtigen.
Wirtschaft und Soziales
Auf gesamtstaatlicher Ebene sollen zudem Hindernisse aus dem Weg geräumt werden, die den Gebrauch von Deutsch im Zusammenhang mit wirtschaftlichen und sozialen Tätigkeiten behindern. Tschechien wird sich zudem um den Abschluss internationaler Übereinkünfte mit Ländern des deutschen Sprachraums bemühen, um Kontakte zwischen der deutschen Minderheit im Land und dem benachbarten Ausland in den Bereichen der Kultur, der Bildung, der Information, der Berufsbildung und der Weiterbildung zu fördern. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Behörden desselben Sprachraums soll ebenfalls erleichtert und gefördert werden.
Die Umsetzung der nun eingegangenen Verpflichtungen werden Expertinnen des Europarats überwachen, wie es von der Charta der Regional- oder Minderheitensprachen vorgesehen ist. Das entsprechende Monitoringverfahren wurde zum 1. Juli 2019 verschärft.
Diesen wichtigen Schritt, die Minderheitenrechte zu erweitern, macht Tschechien freiwillig, es war weder eine Niederlage in einem Krieg noch das Einschreiten einer Schutzmacht (kin state) wie in Südtirol nötig. Italien hat die Charta zwar schon im Juni 2000 unterzeichnet, weigert sich jedoch seit einem knappen Vierteljahrhundert, sie zu ratifizieren und umzusetzen.
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