Der Spiegel hat ein Gespräch Giovanni Capoccia geführt, der als Professor für Politikwissenschaften der Universität Oxford schwerpunktmäßig zum Thema der wehrhaften Demokratie forscht. Die Erosion liberal-demokratischer Prinzipien von Kontrolle und Gewaltenteilung, der sogenannten Checks and Balances in vielen Ländern zeige, dass die Demokratie heute ernsthaft in Gefahr sei. Es stünden aber Möglichkeiten zur Verfügung, sie zu verteidigen, selbst dann noch, wenn der Druck sehr groß sei, wiewohl es keine Erfolgsgarantie gebe. Historisch gesehen hätten Demokratien oft »Selbstmord aus Angst vor dem Tod« begangen, also wie in Österreich, Polen, Bulgarien, Rumänien oder Portugal rechtsautoritäre Diktaturen errichtet, um die Faschisten abzuwehren.
Am wichtigsten für die erfolgreiche Verteidigung der Demokratie sei hingegen
das Verhalten derjenigen Parteien, die der extremen Partei inhaltlich am nächsten stehen und deshalb am stärksten herausgefordert werden. Ich nenne sie Grenzparteien. Die Frage ist: Halten sie den demokratischen Konsens oder machen sie gemeinsame Sache mit den Extremen?
– Prof. Giovanni Capoccia
Es ist faszinierend, zu lesen, dass die Debatten in den Grenzparteien in der Zwischenkriegszeit sehr ähnlich verliefen wie heute. Manche ihrer Politiker hofften, in einer Allianz mit den Extremen die eigenen Ziele besser umsetzen zu können. Andere wollten durch Annäherung an die Extremen Wähler zurückgewinnen. Es gab interne Flügelkonflikte.
Capoccia: Es ist wirklich sehr vertraut. Die grundlegenden Mechanismen des Parteienwettbewerbs wirken heute wie damals. Wenn eine radikalere Partei erscheint und eine Mainstreampartei viele Stimmen an sie verliert, fragt sie natürlich, ob sie reagieren kann. Ob sie Wähler wieder an sich binden kann. Und wenn sich die Koalitionsoptionen verschieben, beunruhigt sie das.
Gibt es einen Fall, in dem die Grenzpartei mit den Extremen kooperiert hat und es gut ausging?
Capoccia: Nein. Der demokratische Konsens muss halten, die Mitte muss zusammenstehen. Das ist allein noch nicht ausreichend, aber es ist eine notwendige Bedingung dafür, dass Demokratien überleben.
Heißt für heute?
Capoccia: Konservative Parteien dürfen nicht mit den extremen Rechten kooperieren.
Wir seien leider nicht ausreichend alarmiert, Demokratien würden zu wenig für sich selbst tun, so der Oxford-Wissenschafter. Nur weil Demokratien schon lange existieren oder keine Nazis durch die Straßen marschieren, heiße das nicht, dass nichts passieren kann.
Die wichtigste Grenzpartei in Südtirol ist die SVP. Sie hat unter LH Arno Kompatscher schon vor Jahren begonnen, mit der rechtsradikalen Lega zu kooperieren. Anstatt jetzt eine Kurskorrektur vorzunehmen, hat sie die Koalition noch weiter nach rechts geöffnet — in einem gesamtstaatlichen Kontext, wo die Neofaschisten bereits stärkste Regierungspartei sind.
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