Der chilenische Siedlerstaat führt einen unerklärten Krieg gegen die Mapuche
Die lateinamerikanischen Linken sind verbal für indigene Rechte, in der praktischen Politik agieren sie wie ihr rechtes Gegenüber. In Nuancen unterscheiden sich die beiden Blöcke. Kein Wunder, sind sie doch die Erben der hispanischen Eroberung. Chile ist ein Beispiel dafür. Der linke Präsident Gabriel Boric, Hoffnungsträger der südamerikanischen Linken, lässt seine »Sicherheitskräfte« gegen demonstrierende und protestierende Mapuche aufmarschieren.
In der Mapuche-Region Wallmapu herrscht das Militär, im Geiste der Pinochet-Diktatur. Mapuche-Aktivist:innen gelten als terroristisch, Polizei und Justiz gehen deshalb hart gegen Mapuche-Militante vor. In Wallmapu gilt der Ausnahmezustand, herrscht weiterhin spanischer Kolonialismus.
In Gesamt-Chile herrscht anti-indigener Ausnahmezustand. So lehnte 2022 eine Mehrheit der Chilen:innen eine weitreichende Verfassungsreform auch zugunsten der Nachfahren der Ureinwohner ab. Diese gescheiterte Reform charakterisierte Chile als plurinational, wollte indigene Rechte – von der Sprache über Landrechte und Autonomie – erstmals in der Verfassung festschreiben. Die Nachfahren der Eroberer lehnten Wiedergutmachung und Anerkennung zugunsten der Nachfahren der Eroberten ab. Zu den schärfsten Gegnern der Mapuche zählen die Enkel deutscher Migranten, meist »politische Flüchtlinge«, weil Nazis.
Die Front gegen die Mapuche und die anderen indigenen Völker wurde in den 1970er Jahren vom sozialistischen Staatspräsidenten Salvador Allende durchbrochen. Er verfügte die Rückgabe gestohlenen Landes an die Mapuche und verhandelte mit ihnen auf Augenhöhe. Nach Protesten der Bauern, Fuhrunternehmer und anderer mittelständischer Unternehmen putschte das Militär unter Anleitung der CIA gegen Allende. Die Rache war furchtbar, viele Angehörige der indigenen Völker — wie Gewerkschafter und Linke — kamen unter die Räder der Diktatur.
Preis des Blutes
Die Mapuche wehrten sich erfolgreich gegen den Imperialismus der Inka, widerstanden lange der blutigen spanischen Eroberung. Erst vor mehr als 100 Jahren gelang es den weißen Großgrundbesitzern, im südlichen Chile — im Feuerland — und in Zentral-Chile den Widerstand zu brechen. Gründlich zu brechen. Die feuerländischen Ureinwohner, die Yaghan, wurden dezimiert, auf einen »Restbestand«. Die Mapuche verloren einen Großteil ihres Landes, verloren gingen auch Sprache und Kultur.
Die Geschichte der Eroberung und der angeblichen »Zivilisierung« der Yaghan greift Regisseur und Drehbuchautor Felipe Galvez-Haberle in seinem antikolonialistischen Western-Drama Colonos auf. Der Inhalt: 1901 beauftragen landhungrige Latifundisten drei Killer, das Feuerland von Indigenen zu säubern. Das Land soll »indianerfrei« werden, um es erschließen und besiedeln zu können. »Unter dem Befehl des britischen Soldaten Leutnant MacLennan und eines amerikanischen Söldners lernt der junge halbchilenische Segundo den Preis für den Aufbau einer jungen Nation kennen – den Preis des Blutes, der Lüge und des Verrats am eigenen Volk«, schreibt die Frankfurter Rundschau.
Haberle dokumentiert mit seinem Western die entgrenzte Siedlergewalt. Beispiele dafür gab und gibt es viele, das Sand-Creek-Massaker 1864 im US-Bundesstaat Colorado, die Massaker an den Hereros und Namas 1904 im ehemaligen »Deutsch-Südwestafrika«, die belgische Kolonialisierung des Kongo, die russische »Landnahme« Sibiriens, die Eroberung Amerikas — von Alaska bis Feuerland — steht für die europäische Vernichtung indigener Kulturen. Colonos von Haberle ist das chilenische Gegenstück zu Martin Scorseses Killers of the Flower Moon. Thema: Auf dem Land der Osage im US-Bundesstaat Oklahoma sprudelte in den 1920er Jahren unermesslich viel Erdöl, alle vertraglichen Abmachungen wurden von der maßlosen Gier der weißen Mehrheitsgesellschaft gebrochen. Es kam zu einer Mordserie an Angehörigen der Osage. Zwei Regisseure, die die brutale Geschichte der Eroberung aufarbeiten, den Mythos der Landnahme blutrot einfärben.
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