→→ Autorinnen →→ Gastbeiträge →→

Faschistengruß: Alles kann, nichts muss.

Autor:a

ai

Am 18. Jänner sollten die vereinigten Sektionen des italienischen Kassationsgerichts — möglichst ein für alle Mal — klären, wie der Faschistengruß gemäß Scelba1Gesetz Nr. 645/1952, Art. 5 und gemäß Mancino-Gesetz2Gesetz Nr. 205/1993, Art. 2 zu ahnden sei, da hier die gerichtliche Praxis während der letzten Jahre unterschiedlich, ja sogar äußerst widersprüchlich war. Wer sich jedoch einen klaren Entscheid im Sinn eines Verbots erhofft hatte, wurde enttäuscht. Jubeln durften im Anschluss vor allem faschistische Bewegungen wie CasaPound.

Den Erwägungen des italienischen Höchstgerichts zufolge ist der Faschistengruß nicht grundsätzlich zu verurteilen. Vielmehr müssten für die Strafbarkeit eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit, das konkrete Risiko einer Neugründung der aufgelösten Faschistischen Partei beziehungsweise ein Zusammenhang mit rassistischer, ethnischer, nationaler oder religiöser Diskriminierung oder Gewalt vorliegen. Der entsprechende Nachweis ist natürlich bei jedem Verfahren im Einzelfall zu führen, was eine sehr hohe Hürde für die Ahndung des faschistischen Grußes oder anderer, ähnlich gearteter Äußerungen faschistischer Gesinnung darstellt.

Erst 2018 hatte das Kassationsgericht selbst den letztinstanzlichen Freispruch von Rechtsextremisten gutgeheißen, die bei einer öffentlichen Veranstaltung den Arm zum Faschistengruß erhoben hatten. Demnach stelle die Geste keine strafbare Handlung dar, wenn sie im Rahmen einer Gedenkfeier ausgeführt wird. Dies könnte dann auch für Acca Larentia oder die jährliche Veranstaltung für Sergio Ramelli in Mailand gelten, wenn keine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit besteht. Wenige Jahre zuvor hatte ein toskanisches Gericht geurteilt, dass Faschistengrüße auch in Sportstätten erlaubt seien.

Während sich rechtsextremistische Kräfte in Italien immer weiter ausbreiten, schafft es der Staat also noch nicht einmal, die offensichtlichsten Äußerungen faschistischer Wiederbetätigung zu untersagen. Der jetzt ergangene Grundsatzentscheid öffnet Faschistinnen gar Tür und Tor: Solange nicht die sehr spezifischen Umstände vorliegen, auf die die Tatbestände laut Scelba– und Mancino-Gesetz nun eingegrenzt wurden, kann der Faschistengruß fortan in jeder Alltagssituation ungestraft erfolgen.

Cëla enghe: 01 02 03

  • 1
    Gesetz Nr. 645/1952, Art. 5
  • 2
    Gesetz Nr. 205/1993, Art. 2


Einen Fehler gefunden? Teilen Sie es uns mit. | Hai trovato un errore? Comunicacelo.

Comentârs

2 responses to “Faschistengruß: Alles kann, nichts muss.”

  1. Martin Brugger avatar
    Martin Brugger

    Dies sind aus dem Urteil perfekt abgeleitete Schlussfolgerungen, danke Herr Constantini. Gerade darum wäre es höchst wünschenswert, wenn auf europäischer Ebene eine mit “Muss-Kriterien” vorgesehene EU Richtlinie ausgearbeitet und erlassen würde, die zu einer Vereinheitlichung aller bisher in den Einzelstaaten erlassenen Wiederbetätigungs-Verbotsgesetze führt.

    Ein solches “Muss”-Kriterium, das bei der Umwandlung in die nationale Gesetzgebung dann ein Bestandteil wäre, könnte dahingehend formuliert werden, dass jedwede öffentlich zur Schau gestellten Handlungen und Gesten, in welcher Form auch immer sie erfolgen, welche auch nur annähernd an Faschismus oder Nationalsozialismus erinnern, strafrechtlich geahndet werden und automatisch zu einem zeitweiligen Entzug der Staatsbürgerschaft führen, welcher durch die Führung und den Eintrag in einer digitalen “schwarzen Liste” sämtlichen Stellen, Ämtern und Verkehrsbetrieben mitgeteilt wird.

    Der Wiedererwerb erfolgt nicht automatisch, sondern ist an das persönliche Erscheinen bei der jeweiligen staatlichen Behörde gebunden, welche für die Beantragung von Asylanträgen und migrationsbedingten Aufenthaltsanträgen zuständig ist. Auf diese Weise würde der Verfassungsschutz der jeweiligen Staaten relativ unbürokratisch Daten und Informationen subversiver Bürger erhalten, die dem Faschismus oder Nationalsozialismus frönen.

  2. Hartmuth Staffler avatar
    Hartmuth Staffler

    Auf jeden Fall ist das Urteil ein Anreiz für deutsche Neonazis, ihren Urlaub in Italien zu verbringen und sich da immer wieder mal zu begrüßen. Auch kann man jetzt die Sitzungen der Südtiroler Landesregierung stilgerecht eröffnen.

Scrì na resposta

Your email address will not be published. Required fields are marked *

You are now leaving BBD

BBD provides links to web sites of other organizations in order to provide visitors with certain information. A link does not constitute an endorsement of content, viewpoint, policies, products or services of that web site. Once you link to another web site not maintained by BBD, you are subject to the terms and conditions of that web site, including but not limited to its privacy policy.

You will be redirected to

Click the link above to continue or CANCEL