Gleich mehrere Gesetze fallen mir auf Anhieb ein, die der Landesgesetzgeber während der letzten Jahre erlassen hat, aber großteils missachtet werden: So zum Beispiel die Richtlinie zu Lichtverschmutzung und Energieeinsparung (BLR Nr. 477/2022), der zufolge Schaufensterbeleuchtungen zwischen 23:00 und 6:00 Uhr ausgeschaltet sein müss(t)en. Oder das Gesetz zur Herkunftskennzeichnung von Lebensmitteln (LG Nr. 7/2023), das am 9. August in Kraft getreten ist: Mir ist seitdem noch nie irgendwo eine entsprechende Angabe aufgefallen, obwohl ich vereinzelt sogar bewusst danach gesucht habe. Wird das Gesetz einfach boykottiert, weil es »das Gastgewerbe« nicht goutiert?
Ein weiteres Beispiel ist die DNS-Pflicht für Hunde. Trotz mehrjähriger Frist hat offenbar nur ein kleiner Bruchteil der Halterinnen den eigenen Vierbeiner rechtzeitig einem Gentest unterzogen, wodurch jetzt öffentliche und private Tierarztpraxen über Monate überlastet sein werden, wenn es keinen Aufschub gibt. Franz Hintner, Präsident der Südtiroler Tierärztekammer, schoss am 31. Dezember bei der Tagesschau von Rai Südtirol mit einem vielsagenden Argument gegen die Maßnahme:
Wenn es eine nationale oder europäische Bestimmung wäre, dann wäre es nachvollziehbar. Aber man kann nicht Südtirol als eine Insel betrachten, weil wir haben das Problem, dass sehr viele Hunde — Touristen- und andere Hunde — nach Südtirol kommen und dementsprechend nicht getestet sind.
– Franz Hintner
Dann können wir aber wenigstens die hierzulande ansässigen Hundebesitzerinnen belangen, wenn sie die Fäkalien ihrer »Lieblinge« liegen lassen. Dass Südtirol aus gesetzgeberischer Sicht nicht als Insel betrachtet werden dürfe, Italien aber offenbar schon, spricht doch wieder einmal Bände. Was wäre denn mit den Hunden ausländischer Touristinnen, wenn es eine »nationale« Bestimmung gäbe? Und: Herr Hintner ist dann wohl auch der Meinung, dass Luxemburg (flächenmäßig deutlich kleiner als Südtirol) keine Gesetze erlassen darf, die nur für Ortsansässige greifen. Oder ist das Problem etwa die mangelnde Eigenstaatlichkeit?
Denkanstoß: Auch kleine Staaten haben Straßenverkehrsordnungen, die in Teilen nur für Inländerinnen gelten oder gegenüber Ausländerinnen nur schwer exekutiert werden können. Oder aber, noch wesentlich passender: Verpflichtungen zum Erwerb eines sogenannten »Sachkundeausweises« für Tierhalterinnen betreffen oft auch nur Ortsansässige, nicht selten sogar auf Ebene eines Bundeslandes. Touristinnen können mit ihren Tieren also dennoch eine Gefährdung darstellen.
Na und? Es geht um Schadensbegrenzung.
Klar, Harmonisierung kann sinnvoll sein, sie kann aber auch eine Rechtfertigung sein, um gegebenenfalls sinnvolle Regelungen auf den Sankt-Nimmerleins-Tag zu verschieben. Falls sich die Maßnahme in Südtirol bewährt, kann es ja außerdem auch sein, dass sie von anderen Ländern kopiert und die verschiedenen Datenbanken zusammengeschlossen werden.
Das sind alles Fragen, mit denen sich so oder ähnlich ja auch der Landtag befasst haben dürfte, bevor das Gesetz erlassen wurde. Offensichtlich hat die Ansicht überwogen, dass die DNS-Datenbank dennoch sinnvoll ist.
Um Missverständnisse zu vermeiden: Ziviler Widerstand, einschließlich des Boykotts von Gesetzen, gehört zu den Möglichkeiten einer demokratischen Gesellschaft. Es fällt (mir) aber auf, dass Landesgesetze häufig — auch von denen, die sie umsetzen sollten — ignoriert bzw. nicht wirklich ernst genommen werden. Wie ich unterstelle, liegt das oft »nur« daran, dass es eben Landesgesetze sind. Staatsgesetze werden meist, wie unsinnig und bürokratisch sie auch sein mögen, von Bürgerinnen, Behörden und Ordnungskräften (aber auch Medien) als quasi gottgegeben wahrgenommen und exekutiert. Wenn das obige Zitat von Herrn Hintner als Indiz gelten kann, scheine ich ganz falsch nicht zu liegen.
(Ob das vielleicht anders wäre, wenn die Polizei dem Land und nicht dem Staat unterstellt wäre?)
Hinweis: In diesem Beitrag befasse ich mich ausdrücklich nicht mit der Güte oder Sinnhaftigkeit der genannten Maßnahmen, sondern ausschließlich mit ihrer Umsetzung.
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