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Keinen Zentimeter.

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Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP) ist Medienberichten zufolge überrascht, dass es Menschen gebe, die befürchten, er könnte in der Koalition mit den Recht(sextrem)en auch nur einen Zentimeter von seinen Werten abrücken. Doch allein schon seine Bereitschaft, ohne Not mit post- und neofaschistischen Kräften zusammenzuarbeiten und sie somit zu legitimieren, ist mit den Werten, die man mit ihm (und der SVP) bislang in Verbindung gebracht hat, nicht vereinbar. Gut möglich allerdings, dass wir uns in der Person des Landeshauptmanns kollektiv geirrt haben, das halte ich inzwischen sogar für die wahrscheinlichste Option.

Dass die SVP wohl auch in zentralen Punkten von ihren bisherigen Positionen abweichen musste, ist medial bereits durchgesickert. Gewissheit werden wir vielleicht in Kürze haben. Doch etwas anderes wäre auch unlogisch: Wozu geht man Koalitionen ein, wenn den Juniorpartnern, die gemeinsam immerhin ein Drittel der Regierungsmehrheit stellen und wertemäßig teils sehr weit vom LH weg sind, »kein Zentimeter« gewährt wird? Das wird sich niemand gefallen lassen, umso weniger Parteien, die das Faustpfand der über alles stehenden und alles rechtfertigenden Wiederherstellung der Autonomie in ihren Händen halten.

Dafür soll es aber wie schon vor fünf Jahren im Regierungsprogramm eine wunderbare Präambel geben, in der sämtliche Werte zentimetergenau vermessen werden. Schade nur, dass Präambeln sehr geduldig, weil völlig unverbindlich sind. Oder möchte man uns weismachen, dass damals nur alles aus dem Ruder laufen konnte, weil Franz von Papen nicht an eine Präambel gedacht hatte?

Überspitzungen beiseite — das Allerwichtigste droht unterzugehen: Selbst wenn wir uns im Landeshauptmann nicht geirrt hätten, selbst wenn die Juniorpartner so dumm wären, in zentralen Bereichen auf eigene Akzente zu verzichten und selbst wenn Präambeln aus — O-Ton Albert Pürgstaller — Anti-Antifaschisten lupenreine Demokratinnen machen können, gibt es da immer noch ein riesengroßes Problem. Bei den enormen Herausforderungen, die uns in den nächsten Jahren bevorstehen, wäre »keinen Zentimeter zurückweichen« wohl noch lange nicht genug. Wir müssen, um bei Kompatschers Bild zu bleiben, vermutlich meter-, ja kilometerweit von unseren jetzigen Positionen abrücken, um alle Probleme auch nur ansatzweise lösen und die schwerwiegendsten Schäden abwenden zu können. Allerdings wird uns dieser Weg wohl gerade nicht zurück in eine »kuschelige« Vergangenheit führen, wie es sich die Recht(sextrem)en wünschen, sondern genau in die entgegengesetzte Richtung. Keinen Zentimeter nachgeben reicht also nicht.

Cëla enghe: 01 02 03 04 || 01 02



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Comentârs

4 responses to “Keinen Zentimeter.”

  1. artim avatar
    artim

    Es ist diese Politik der Beliebigkeit. Wohl bis zum bitteren Ende. „Nach mir die Sintflut!“, ist das eigentliche Programm.
    Noch 2022 erklärt Kompatscher Melonis national-rechtsextreme Brüder Italiens als “Katastrophe für Südtirol, aber auch Italien“ (14.08.2022 — Kompatscher im TT-Interview: „Meloni wäre eine Katastrophe für Südtirol, aber auch Italien“).
    Nun wird vorauseilend verharmlost. Gilt es als Gemeinwohlleitung aber nicht Schaden, “eine Katastrophe” abzuwenden und vielmehr Nutzen zu mehreren?
    Es stimmt zwar, miteinander reden schadet nicht, insbesondere, wenn dazu parallel nicht die Verhandlungsebene zwischen Wien und Rom in Bezug auf die Wiederstellung der völkerrechtlichen Rechte für Südtirol vernachlässigt wird.
    Wieso die SVP deshalb aber gleich national-rechtsextreme Kräfte normalisiert und sie anschlussfähig macht, sagt auch etwas über den realen Zustand der Selbstverwaltung, die Bürger- und Volksrechte und der nach wie vor bestehenden Ungleichwertigkeit im Alltag der dt./lad. Einwohnerschaft.
    Man hat sich seit langem zusehends erpressbar gemacht. Auch wenn „vorauseilende Verharmlosung“ (M. Stocker, S.Kasslatter-Mur) und Andienerei eine Rolle spielen mögen.
    Dass man sich nun zumindest innerstaatlich zusammensetzt und einen Arbeitskreis gründet, hilft. Vielleicht. Auch weil unter „Reform“ Galateo in seinem Statement auf RAI Südtirol gar die Abänderung/Abschaffung der völkerrechtlich verankerten Schutzbestimmung zur Verhältnismäßigkeit (Art.1-d) „der Gleichberechtigung hinsichtlich der Einstellung in öffentliche Ämter“ offenbar ganz anders meint.
    Fraglich auch, ob Urzì mit „moderner Autonomie“ die transnationale Rechtsverankerung und Ausgestaltung der Europaregion Tirols mit (weiterreichender) Übertragung von Kompetenzen meint.
    Da gäb es wohl in der zukünftigen Koalition mit den Brüdern Italiens im Vorfeld noch viel zu klären. Aber das Duo Kompatscher/Achammer schafft es gewiss auch noch, sich überrascht zu zeigen, wenn am Ende was ganz anderes herauskommt, als das, was man öffentlich als Wunschdenken vermittelt/verkauft.

  2. Martin Brugger avatar
    Martin Brugger

    So wie es scheint, könnte die SVP die Schablone und das Feigenblatt dafür liefern, dass die fratelli in die EVP aufgenommen werden, denn Weber getraut sich das nicht aufs politische Parkett zu bringen, da er die Aufnahme der AFD dezidiert ablehnt und dann in Erklärungsnot käme. Wenn es das ist, warum sich die SVP so selbstsicher gibt, dann wird die ganze Inszenierung offenkundig, mit der die Südtiroler an der Nase herumgeführt wurden und werden. Nicht ausgeschlossen, dass schon bald Redakteure aus Europa in unser Land eintrudeln. Wie bereits gesagt, “Europa schaut auf uns”! “Das Europa der rechten Brüderlichkeit!” – Wer das wohl garantiert?

    Hier eine Kostprobe Webers noch vom August 2023
    https://www.zdf.de/nachrichten/politik/weber-eu-evp-afd-meloni-100.html

    1. Simon avatar

      Ich glaube nicht, dass es um eine Aufnahme von FdI in die EVP geht. Eher will Weber mit den EKR zusammenarbeiten. Die AfD ist (wie die Lega) in einer anderen Fraktion.

      1. Martin Brugger avatar
        Martin Brugger

        Lieber Herr Simon, Ihr Wort in Gottes Ohr! Wir erleben derzeit in nahezu allen Ländern Europas das Erstarken rechtsnationaler Kräfte. Noch zu Zeiten von Franz Josef Strauss hat es geheißen: “es darf keine rechte Partei rechts von der CDU/CSU geben”. Aber “tempora mutantur” – die Zeiten haben sich längst geändert und vor allem auch die politischen, sozialen und klimatischen Umfeldbedingungen, die in weiten Teilen der nicht privilegierten Bevölkerungsschicht Zukunftsängste, wirtschaftliche Existenzängste und auch Identitätsängste hervorrufen.

        Diese Ängste wissen demokratisch nach oben gekommene Parteien zu schüren und damit in vergleichsweise kurzer Zeit jenen Nährboden zu kultivieren, der Europa nie gutgetan hat und nie guttun wird. Diese Parteien stehen nach außen hin für eine “neue”, “moderne”, ja gar “minderheitenfreundliche” und “liberale” Politik ein, zielen aber sehr wahrscheinlich auf nichts anderes ab, als auf einen gefährlichen Umbau jener demokratischen Systeme, wie wir sie bisher gekannt haben, die aber nicht weiterentwickelt wurden.

        Große Volksparteien schrumpfen von Wahl zu Wahl zu kleinen politischen Zwergorganisationen zusammen – zumeist selbstverschuldet. Die Gefahr ist deshalb immanent, da mit den rechten Parteien außerhalb des Verfassungsbogens ein Gedankengut zum Vorschein kommt, das man längst überwunden glaubte.

        Der Versuch, Rechtsparteien in die politische Mitte zu nehmen, ist nicht falsch – vielleicht sogar goldrichtig. Und man kann nicht abstreiten, dass Frau Meloni eine intelligente Frau ist, die sich auch als Politikerin zu bewähren scheint und wohl auch gewillt zu sein scheint, sich vom äußersten rechten Rand vor allem innerhalb der “Fratelli” abzugrenzen, um in Europa anerkannt zu sein. Dazu sucht sie die politisch konservativ-liberale Mitte.

        Südtirol mit seinen Minderheiten sollte halt nicht den fatalen Fehler begehen, sich sorglos als Steigbügelhalter herzugeben, welcher der Preis für die versprochenen Kompetenzen sein könnte. Damit erfährt ja nicht nur die Historia unseres Landes einen Einschnitt, der fatale Auswirkungen haben könnte – insbesondere mit jenen politischen Exponenten der “Fratelli” im Schlepptau, die dem äußersten rechten Rand angehören. Was vielleicht nicht so bedacht wird: es könnte das Ehrgefühl vieler Südtirolerinnen und Südtiroler aller drei Sprachgruppen Schaden nehmen: etwas also, das nachhält und nicht morgen schon wieder vergessen ist.

        Man kann alles aushandeln, auch mit einer Rechtsregierung: aber nicht allein mit irgendwelchen Präambeln, sondern mit “hard facts” wie zum Beispiel einem strengen Wiederbetätigungsverbot. Gewiss: es ist dies kein leichter politischer Weg. Aber für ein solches Wiederbetätigungsverbot könnte sich Südtirol einsetzen und daran mitarbeiten, damit es als europäische Rahmenrichtlinie mit bestimmten “Muss-Kriterien” erarbeitet und verankert wird. Die Umsetzung bliebe dann jedem EU-Land überlassen.

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