Die Staatsadvokatur schreibt in ihrem Gutachten zum Gutachten des Landtags in Bezug auf den Proporz in der kommenden Landesregierung, dass die Anzahl der jeder Sprachgruppe zustehenden Regierungsmitglieder ihrer Meinung nach auf der Grundlage von 35 und nicht 34 Abgeordneten zu ermitteln sei. Recht viel mehr steht ihm Gutachten nicht — insbesondere nicht, wie viele Landesrätinnen der deutschen und italienischen Sprachgruppe konkret zustehen.
Nun behaupten einige, dass die von der Staatsadvokatur präferierte Berechnungsmethode automatisch zur Folge hätte, dass in einer Landesregierung mit elf Mitgliedern zwei der italienischen Sprachgruppe angehören müssten. Doch stimmt das?
Eine einfache mathematische Betrachtung führt zu folgendem Ergebnis:
- 29 deutschsprachige Abgeordnete geteilt durch die Gesamtzahl 35 = 0,829
- 5 italienischsprachige Abgeordnete geteilt durch die Gesamtzahl 35 = 0,143
Bei zehn zu vergebenden Posten stehen also 8,29 der deutschen und 1,43 der italienischen Sprachgruppe zu. Nach Adam Riese ist bei beiden Werten die Nachkommastelle für eine Aufrundung zu niedrig. Da jedoch 0,43 größer als 0,29 ist, behaupten einige, dass der zusätzliche Sitz der italienischen Sprachgruppe zustehe.
Sitzzuteilungsverfahren
Mag sein. Vielleicht aber auch nicht, denn genau um solche Probleme möglichst gut zu lösen, wurden Sitzzuteilungsverfahren entwickelt. Sie sollen dafür sorgen, dass alle Parteien oder Gruppierungen möglichst gemäß ihrer tatsächlichen Stärke in einem Gremium vertreten sein können, obwohl das Ergebnis jeweils nur ganze Zahlen (= Anzahl verfügbarer Sitze) berücksichtigen kann. Dies wird durch Rundung und Anpassung erreicht. Sitzzuteilungsverfahren kommen sowohl bei der Übersetzung von Wahlergebnissen in Parlaments- oder Landtagssitze zur Anwendung, als etwa auch bei der Besetzung von Ausschüssen und Kommissionen nach Fraktionsstärke in einem Parlament.
Im Grunde ist die Südtiroler Landesregierung nach dieser Betrachtungsweise nichts anderes als ein Ausschuss, der nach der Stärke der Sprachgruppen (= drei Fraktionen) im Landtag zusammengesetzt werden soll:
- Fraktion Nr. 1 hat 29 Mitglieder (Deutsche)
- Fraktion Nr. 2 hat 5 Mitglieder (Italienerinnen)
- Fraktion Nr. 3 hat 1 Mitglied (Ladiner)
Zu vergeben sind zehn Sitze. Dem Gutachten des Landtags zufolge müsste man den Ladiner bei der Berechnung außen vor lassen, da er schon den elften Sitz erhält. Das finde ich persönlich logischer, als ihn weiterhin mit einzubeziehen, wie es die Staatsadvokatur bevorzugt. Folgen wir trotzdem der Präferenz der Staatsadvokatur und rechnen nach den gängigen Sitzzuteilungsmethoden, erhalten wir folgende Ergebnisse:
- Hare-Niemeyer-Verfahren: Fraktion Nr. 1 erhält 8 Sitze, Fraktion Nr. 2 erhält 2 Sitze, Fraktion Nr. 3 erhält 0 Sitze
- D’Hondt-Verfahren: Fraktion Nr. 1 erhält 9 Sitze, Fraktion Nr. 2 erhält 1 Sitz, Fraktion Nr. 3 erhält 0 Sitze
- Sainte-Laguë-/Schepers-Verfahren: Fraktion Nr. 1 erhält 9 Sitze, Fraktion Nr. 2 erhält 1 Sitz, Fraktion Nr. 3 erhält 0 Sitze
Mit zwei von drei gängigen Sitzzuteilungsverfahren stehen also der deutschen Sprachgruppe neun von zehn Landesrätinnen zu, wenn der elfte Sitz an den Ladiner vergeben wird — selbst wenn man der Berechnung 35 statt 34 Landtagssitze zugrunde legt, wie von der Staatsadvokatur bevorzugt.1Legt man 34 Sitze zugrunde, erhält man mit allen drei Verfahren neun deutsche und eine italienische Landesrätin. Keine Ahnung, nach welchem Kriterium man entscheiden sollte, welches der drei Verfahren (wenn überhaupt) zur Anwendung kommt. Doch einfach nur zu sagen, der italienischen Sprachgruppe stehen zwei Posten zu, weil 0,43 größer als 0,29 ist, dürfte zu kurz greifen.
Am besten wäre es wohl ohnehin nach wie vor, eine Landesregierung mit weniger als elf Mitgliedern zu bilden. Nicht nur, weil dann kein Zweifel über den Sprachgruppenproporz besteht, sondern auch, weil eine Vergrößerung von acht (2013) und neun (2018)2seit dem Ausscheiden von Thomas Widmann wieder acht auf elf kaum begründbar wäre.
- 1Legt man 34 Sitze zugrunde, erhält man mit allen drei Verfahren neun deutsche und eine italienische Landesrätin.
- 2seit dem Ausscheiden von Thomas Widmann wieder acht
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