Italienische Nationalisten — pardon: Umweltschützerinnen — haben nach den Wolfabschüssen ein weiteres Thema für sich entdeckt, nämlich den über 100 Jahre alten Weihnachtsbaum, den Südtirol heuer in seiner Eigenschaft als inoffizielles »zehntes Bundesland« der Stadt Wien geschenkt hat. Aufgeworfen hat das Thema der Bozner Aktivist Argante Brancalion von Ambiente & Salute. Doch dass es ihm tatsächlich um den einen Baum gehe, der laut Forstverwaltung ohnehin das Ende seines Lebenszyklus erreicht hatte, verneint sogar er. Es gehe: um die Symbolik. Erstaunlich ist, dass auch Umweltschützerinnen die Symbolik viel weniger stört, wenn Südtirol (wie 2010) und das Trentino (2021) den Weihnachtsbaum für den Petersplatz in Rom zur Verfügung stellen. Oder wenn Bäume alljährlich in Südtiroler Ortschaften, einschließlich der Landeshauptstadt, aufgestellt werden. Das Problem mit der Symbolik explodiert aber wie von selbst, wenn der italienische Nationalismus verletzt wird, weil Bäume nicht nur in den Süden, sondern auch in den Norden (oder vielmehr in den Osten) gehen.
Dabei soll und darf die Tradition, alljährlich Millionen junger Bäume zu züchten, um sie rechtzeitig vor Weihnachten zu fällen und nach dem Fest zu entsorgen, natürlich hinterfragt werden. Dass aber genau dieser eine Baum nicht etwa aus nationalistischen, sondern aus ökologischen Gründen thematisiert worden sein soll, ist unglaubwürdig und erweist einer sachlichen Debatte keinen guten Dienst. Umso mehr, als Brancalion tatsächlich fordert, Österreich solle doch »seine eigenen Bäume« fällen. Weil Umweltschutz an Staatsgrenzen halt macht?
Ein wahres Meisterwerk gelingt da aber dem Corriere, für den Alan Conti — kürzlich noch beim A. Adige für CasaPound-freundliche Berichterstattung zuständig — dem Land gar »Schizophrenie in internationalen Beziehungen« vorwerfen darf, weil es den »für die Österreicher gefällten« Baum gerade jetzt über den Brenner schicke, wo das Nachbarland den Transitverkehr blockiert und Minister Salvini (Lega) dagegen klagt. Sogar einen Zusammenhang zwischen dem Weihnachtsbaum und dem Stimmenverlust von Landesrat Arnold Schuler (SVP) bei den jüngsten Landtagswahlen will der Autor erkennen.
Doch spätestens, wenn die Kritik am Weihnachtsbaum für Wien so unverschämt mit der Forderung nach freiem Lkw-Transit verknüpft wird, ist klar, dass es nicht um Umweltschutz geht, sondern um italienischen Nationalstolz.
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