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Zum Landtagswahlergebnis.

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ai

Hier einige Beobachtungen zur gestrigen Landtagswahl:

  • Der Rechtsruck im Vergleich zu 2018 (aber nicht zu 2013!) ist evident, kruder Rassismus zieht oder schreckt Wählende bestenfalls nicht ab. Die Zuwächse der STF und das Ergebnis von JWA sind aber vermutlich auch auf Lega-Enttäuschte von 2018 zurückzuführen, die offenbar nicht FdI (und auch nicht wieder F) wählen wollten.
  • Die größten prozentuellen Zugewinne erzielte dennoch FdI (im Vergleich zu AAnC/FdI), den größten absoluten Zuwachs die STF.
  • Die SVP sackt erwartungsgemäß weiter ab, möglicherweise wurden auch die Koalition mit der Lega und die mangelnde Abgrenzung gegenüber FdI nicht goutiert. Bei den Vorzugsstimmen konnten vor allem die Kandidatinnen punkten, die LH Arno Kompatscher nahe stehen. Ein herausragendes Vorzugsstimmenergebnis erzielte der parteilose Arzt Hubert Messner, der nun beste Aussichten auf den Posten als Gesundheitslandesrat hat.
  • Die Lega hat sich vollkommen verspekuliert und ihren einzigen übriggebliebenen Sitz an Christian Bianchi von der rechten Bürgerliste Uniti »verschenkt«. Von vier auf null. Die Hetze gegen die österreichischen Transitmaßnahmen und der Gang vor den EuGH wurden nicht belohnt.
  • Neben den beiden Landesräten der Lega, Giuliano Vettorato und Massimo Bessone, wurde auch die SVP-Landesrätin Maria Hochgruber Kuenzer nicht wiedergewählt. Ausgeschieden sind zudem die Abgeordneten Gert Lanz, Helmuth Renzler, Helmut Tauber und Manfred Vallazza von der SVP, Diego Nicolini (5SB), Josef Unterholzner (Enzian), Carlo Vettori (FI), Hanspeter Staffler (Grüne) und Rita Mattei (Lega). Nachrückerin Paula Bacher (SVP), Riccardo Dello Sbarba (Grüne) und Peter Faistnauer (Perspektiven für Südtirol) standen nicht mehr zur Wahl.
  • Zum wiederholten Mal1s. Flughafen-, Brixner Seilbahnabstimmung etc. bestätigt sich, dass der Einfluss der Athesia auf das Wahlverhalten der Südtirolerinnen überschätzt wird. Ihre Kampagnen für Thomas Widmann, FdI und Harald Stauder (SVP) wurden zum Rohrkrepierer, alle drei schaffen es nur mit Ach und Krach in den Landtag und/oder bleiben deutlich unter den Erwartungen bzw. Befürchtungen.
  • Die Grünen holen ein sehr solides Ergebnis, bleiben aber wieder einmal klar unter den Umfragewerten. Trotz Zuwächsen bleiben sie bei drei Abgeordneten, die diesmal alle der deutschen Sprachgruppe angehören. Das macht sie als Koalitionspartner für die SVP unattraktiver.
  • Als erneut zweitstärkste Kraft hat das Team K dennoch Federn lassen müssen und verliert im Vergleich zum letzten Mal ein Drittel der Abgeordneten.
  • Sowohl die Grünen als auch das Team K haben im Hinblick auf die Koalitionsverhandlungen noch einmal ihre ablehnende Haltung zu FdI bestätigt.
  • Viele Italienerinnen interessieren sich kaum für die Landespolitik und wählen entweder die, die in Rom regieren oder gehen erst gar nicht zur Wahl. Auch im Trentino blieb die Beteiligung unter 60%. Es ist also kein rein Südtiroler Phänomen, das man hauptsächlich auf die Mehrheitsverhältnisse zwischen den Sprachgruppen zurückführen könnte.
  • Die Zahl der Abgeordneten, die der italienischen Sprachgruppe angehören, ist von acht (22,9%) auf fünf (14,3%) deutlich geschrumpft. Die Vertretung der Ladinerinnen halbiert sich von zwei (5,7%) auf einen (2,9%).
  • Obwohl La Civica nur ein Restmandat erringen konnte, ist ihr Spitzenkandidat Angelo Gennaccaro der italienischsprachige Abgeordnete mit den meisten Vorzugsstimmen.
  • Mehr persönliche Stimmen als Gennaccaro hat Sabine Giunta (Grüne), die jedoch nicht den Sprung ins Landesparlament geschafft hat.
  • Der nationalistische, autonomie- und minderheitenfeindliche PD steckt in einer tiefen Krise und kann noch nicht einmal das schlechte Ergebnis von 2018 wiederholen. Bei diesen Themen den Rechten hinterherzulaufen hat wenig gebracht.
  • Die Abgeordneten von staatsweit organisierten Parteien (FdI, FI, Lega, PD, Vita) schrumpfen von sieben auf vier von 35.
  • Fortan sind zehn von 35 Abgeordneten (28,6%) weiblich, eine mehr als in der letzten Legislatur (25,7%). Dieses Verhältnis muss sich auch in der Landesregierung widerspiegeln — mindestens.
  • Die Anzahl der Fraktionen liegt wie am Ende der vorhergehenden Legislatur bei zwölf. Dies war damals jedoch das Ergebnis mehrerer Abspaltungen.2Enzian, Perspektiven für Südtirol, Forza Italia und Südtirol mit Widmann Die durchschnittliche Fraktionsstärke liegt bei unter drei Mitgliedern.
  • Die hohe Zersplitterung wird also wohl endgültig zum Problem, das gelöst werden muss. Da einfache Sperrklauseln minderheitenpolitisch problematisch sind, müssen andere Lösungen (Prozenthürde/Vollmandat mit Ausnahmen3z.B.: die stärkste Partei einer jeden Sprachgruppe wird von der Hürde ausgenommen, sprachgruppengerechte Wahlkreise, Einführung der Mindestfraktionsstärke4z.B.: weniger Rechte, Redezeit und/oder zumindest geringere Finanzmittel für Fraktionen unter zwei/drei Mitgliedern im Landtag o. ä.) angedacht werden.

Cëla enghe: 01 02 03 || 01 02 03

  • 1
    s. Flughafen-, Brixner Seilbahnabstimmung etc.
  • 2
    Enzian, Perspektiven für Südtirol, Forza Italia und Südtirol mit Widmann
  • 3
    z.B.: die stärkste Partei einer jeden Sprachgruppe wird von der Hürde ausgenommen
  • 4
    z.B.: weniger Rechte, Redezeit und/oder zumindest geringere Finanzmittel für Fraktionen unter zwei/drei Mitgliedern


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Comentârs

8 responses to “Zum Landtagswahlergebnis.”

  1. Stuff avatar
    Stuff

    Ich vermute, dass so einige Südtiroler zu STF oder JWA gewechselt sind, weil die SVP ihre Aufgabe als Volkspartei nicht mehr richtig wahrnimmt

    1. Harald Knoflach avatar
      Harald Knoflach

      Man kann von der SVP sagen, was man will. Aber sie ist mit Kompatscher schon eine Kraft der Mitte. Und wenn “das Volk” in der Mitte ist, dann wäre sie schon Volkspartei, oder? Es scheint eher, dass Teile des Volkes in Extreme abdriften und die Mitte erodiert.

      1. G.P. avatar
        G.P.

        Ja, die SVP ist eine Partei der Mitte … ABER sie ist nicht (mehr) für das Volk der Mitte da. Und dann passiert das, was in den letzten zehn Jahren überall in Europa passiert ist, der Rechtsruck.

      2. Martin Piger avatar
        Martin Piger

        Ich glaube die steigende Respektlosigkeit vieler unserer italienischen Mitbürger der deutschen Sprache gegenüber war der SVP in den letzten Jahren sowas von wurst. Es sind ja eh immer die Extremisten, die sich über den mangelnden Gebrauch der deutschen Sprache beschweren? Erst jetzt beim Problem in den deutschen Schulen in Bozen und Umgebung hat man sich kurz vor den Wahlen zu rühren begonnen, nicht, sobald das Kind ins Wasser gefallen war, sondern als es schon halb ertrunken war.
        Was Migranten anbelangt, hat man auch lange versäumt, klare Kante bei Missbrauch von Zuwendungen oder bei Integrationsverweigerung zu zeigen. Man versuchte sich unter Hinweis auf staatliche Kompetenzen durchzulavieren. Erst durch solches Verhalten werden extreme Kräfte, die diese Themen sich zueigen machen, stark gemacht.
        Insofern ist man wohl eine Kraft der Mitte, die aber schwierige und heikle Themen den Extremen überlässt.
        Klingt nicht wirklich souverän und bürgernah.

      3. artim avatar
        artim

        Ein seltsames Verständnis von “Partei der Mitte”, die sich nicht gegen innere und äußeren Feinde der offenen Gesellschaft verteidigt (vgl. K.Popper).
        Eine Partei, ein LH, ein OBM, die noch 2022 erklären, dass die national-rechtsextremen Brüder Italiens eine Gefahr für ganz Italien und Südtirol darstellen und anschließend diese nicht nur normalisiert, sondern sogar für anschlussfähig erklärt während sie gleichzeitig noch die eigene Wählerschaft, die an der Werteorientierung einer offenen Gesellschaft und der aus dem Widerstand entstandenen Partei festhält, abstößt.

  2. Stuff avatar
    Stuff

    Ich meinte natürlich als Volkspartei der Südtiroler. Wenn die Leute den Eindruck haben, es hat sich ein System herausgebildet, in dem einige Kreise systematisch auf Kosten der Allgemeinheit packeln und fregieren wen wählen die einfachen Südtiroler dann als ihre Volksvertreter? Es ist auch eine Absage an den italienischen Staat und die Bozner Zentralverwaltung, mit welchen sich viele im Rest des Landes nicht identifizieren können. Hier treffen verschiedene Welten aufeinander. Bei STF und JWA haben viele die Illusion, dass diese für mittlerweile schon verlorengegange Werte stehen könnten. Sie möchten sich wieder mehr als Südtiroler verstehen können und wünschen sich Zusammenhalt, offenen Diskurs und gelebte Solidarität zurück. Deswegen müssen nicht zwangsläufig alle rechts und rassistisch sein, auch wenn einige natürlich keinen Hehl daraus machen. Aber nicht an ihrem Gerede, sondern an ihren Taten sollst du sie messen…ob die Gewählten das Zeug dazu haben, diese Wünsche zu erfüllen, wird man sehen. Die alte Kruste wird zumindest mal aufgebrochen

  3. alessandro stenico avatar
    alessandro stenico

    Beispiel Nummer 3 : „Die stärkste Partei einer jeden Sprachgruppe wird von der Hürde ausgenommen“
    das hätte bei dieser Wahl nichts geändert, Fratelli war die stärkste Partei mit italienischen Kandidaten, aber was ist mit den anderen interethnischen Listen wo italienischsprachige Kandidaten noch mehr Vorzugstimmen bekommen haben ??? aber den Sprung im Landtag nicht geschafft haben?
    Als einzige Lösung sehe ich nur die „nicht Wähler“ mehr zu verstehen und motivieren.

    1. Simon avatar

      Ich hätte bei einer Minderheit, die (z.B. von einer 4%-Sperrklausel) diskriminiert werden könnte, vor allem an die Ladinerinnen gedacht. Dass die Ausnahme der »stärksten Partei einer jeden Sprachgruppe« im Grunde nur der kleinsten Sprachgemeinschaft zugute kommt, ist gewollt, da ja die beiden anderen eine Sperrklausel aus eigener Kraft überwinden können. Es kann aber auch andere Lösungen geben, wie die schon jetzt geltende Vorschrift, dass die Kandidatin der ladinischen Sprachgruppe mit den meisten Vorzugsstimmen in jedem Fall gewählt ist. Zwischen Vor- und Nachteilen der unterschiedlichen Modelle müsste man freilich abwägen.

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