Die Australier lehnen die Anerkennung der indigenen Völker mit großer Mehrheit ab.
Mit großer Mehrheit und hasserfüllt: Die weiße Wählerschaft stimmte beim Referendum dagegen, dass den Aborigines eine politische Mitsprache verfassungsrechtlich garantiert wird. Bereits im Vorfeld ergaben Umfragen die breite Ablehnung für die »Stimme im Parlament«.
Der sozialdemokratische Premier Anthony Albanese wollte die seit der Eroberung und Besiedelung verfolgten und diskriminierten indigenen Völker in die australische Politik einbinden. Ein zu wählendes indigenes Gremium sollte das Parlament bei indigenen Fragen beraten. Kein großer Wurf.
Trotzdem, die Konservativen, große Teile der Landbevölkerung, kleine und große Farmer, Großgrundbesitzer, Bergbauunternehmen, formten ihre erfolgreiche »Nein«-Kampagne. Fast 60 Prozent der Abstimmenden lehnten das Vorhaben ihrer Regierung ab. In allen Bundesstaaten überwog die Opposition gegen das indigene Anliegen. Die große Mehrheit der Australier stimmte also für die Beibehaltung der bisherigen indigenen Politik: Ausgrenzung, Diskriminierung, Ausbeutung, Assimilierung.
Die Reaktion des Aboriginal-Aktivisten Thomas Mayo zum Ausgang des Referendums: »Ich bin am Boden zerstört«. Mehrere Aktivisten wollen nach dieser Niederlage ihren jahrzehntelangen Kampf für mehr Rechte aufgeben. Der indigene Anwalt Noel Pearson will »für immer verstummen«. »Hass zu schüren ist so viel einfacher, als mit Fakten zu überzeugen«, kommentierte eine Aktivistin das Ergebnis. Aktivistinnen und Aktivisten sind auch entsetzt darüber, dass es viele rassistische Angriffe auf Indigene und Referendumsbefürworter gab.
Schützenhilfe von US-Rechten
Die TAZ zitierte Berichte, laut denen die Strategie der Nein-Kampagne von Beratern der ultrakonservativen US-Rechten entwickelt und umgesetzt wurde. US-Rechte, die dem Lager von Donald Trump angehören. Ihr Konzept der war äußerst erfolgreich: Die Medien wurden monatelang mit Halbwahrheiten, Fake News und Lügen geflutet.
Die üblen Botschaften kamen an. Wie die Warnung vor einem Rassismus gegenüber den Weißen, einer Spaltung der Gesellschaft durch indigene Rechte, vor Landverlust und höheren Steuern. Die indigenen Rechte wurden von den US-Rechten und ihren australischen Auftragsgebern als »rassisch bedingte Sonderrechte« für Ureinwohner verunglimpft. Die »weiße Koalition« verstieg sich zur Behauptung, die Entrechtung und der Völkermord an den Ureinwohnern seit der britischen Invasion 1788 hätten keine Folgen für Aborigines.
Die »Cowboys«, dieser toxische Mix aus Konservativen, White-Supremacy-Gruppierungen, Nationalisten, verängstigten Landbewohnern und großen Landbesitzern, behaupteten, das indigene Forum gebe den Ureinwohnern mehr Macht und Einfluss auf die Politik als »gewöhnlichen«, weißen Australiern. Gewarnt wurde auch vor der Rückgabe gestohlenen Landes sowie vor Mitspracherechten für Aborigines beim Abbau von Rohstoffen. Diese Hetze kennen die sprachlichen und nationalen Minderheiten in Europa auch.
Die so heftig angefeindete Körperschaft, das indigene Gremium, hätte nur eine beratende Funktion gehabt, keinesfalls eine gesetzgebende. Über die Zusammensetzung hätten nicht die indigenen Völker entschieden, sondern das Parlament. Letztendlich eine Farce, aber immerhin wäre es ein erster Schritt gewesen, die Ureinwohner anzuerkennen. Die Antwort darauf waren rassistische Anfeindungen. Oppositionsführer Peter Dutton warnte vor einer Spaltung des Volkes. Leitmotiv: Ein Kontinent, ein Volk.
»Indigenous Voice« als Wiedergutmachung
Was hätte die Verankerung der »indigenen Stimme« im Grundgesetz bedeutet? Die Ureinwohner wären zum ersten Mal in der Verfassung erwähnt worden. 1901 war das Grundgesetz in Kraft getreten, 113 Jahre nach Beginn der weißen Besiedlung. Viele Aborigines sprechen von der Invasion britischer Strafgefangener und ihrer Aufpasser.
Es dauerte 66 Jahre, bis 1967 Indigene als Bürger anerkannt wurden. Was für eine grenzenlose weiße Arroganz. Die Aborigines leben seit mehr als 60.000 Jahren auf dem australischen Kontinent. Und weitere 25 Jahre später, 1992, hob ein Gericht den Gründermythos auf, Australien sei vor der Ankunft der Weißen Terra Nullius gewesen — unbewohntes Niemandsland.
Die Anerkennung der Indigenen in der Verfassung war für Aktivistinnen und Aktivsten grundlegend. Die indigene Rechtsprofessorin Megan Davis würdigte die Referendumsvorlage als einen Weg, »um unsere Menschen zu ermächtigen und ihren rechtmäßigen Platz in unserem eigenen Land zu erhalten«. Das Referendum war die Folge langjähriger Verhandlungen zwischen den verschiedenen indigenen Nationen und Stämmen. Es war als eine Einladung an die australische Bevölkerung gedacht, die ersten Bewohner Australiens nach über einem Jahrhundert des Wartens im Grundgesetz anzuerkennen.
Diese Botschaft kam aber nicht an. Deutlich mehr als die Hälfte der Wählenden folgte dem Slogan If you don’t know, vote No — Wer nichts über die Vorlage weiß, soll mit Nein stimmen.
Anders formuliert, die Ignoranten in Kombination mit den Rassisten stellten klar: Es gibt keinen verfassungsmäßig garantierten Platz für die ersten Bewohner des Kontinents. War Gleichgültigkeit auch mit dabei, dann ist es miserabel um die Demokratie in Australien bestellt. Die Mehrheit interessiert sich nicht dafür, dass ihre Mitbürger weiterhin diskriminiert werden, dass ihnen mit der Referendums-Entscheidung Perspektiven und Hoffnungen genommen wurden.
Die Fakten sind grauenhaft: Indigene sterben im Durchschnitt acht Jahre früher als Nicht-Indigene, sie sind schlechter ausgebildet, häufiger im Gefängnis und Opfer von weißem Rassismus.
Das schmutzige Geschäft der rassistischen Allianz erledigte die konservative Politikerin Jacinta Price. Sie war eine der wenigen indigenen, aber wichtigen Stimmen der Referendumsgegner. Ihre Botschaft: Ureinwohner hätten der Kolonialisierung »Strom und regelmäßiges Essen« zu verdanken.
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