Vorgestern ist der ehemalige italienische Staatspräsident Giorgio Napolitano (98) verstorben. Nicht erst seitdem wird er als großer Autonomiefürsprecher und Freund Südtirols bezeichnet, dem unser Land besonders viel verdanke — auch von denen, die sich nach dem Ableben von Silvio Berlusconi nicht gescheut hatten, auf die negativen Aspekte seines Handelns zu verweisen. Klar, zwischen den beiden Männern liegen Welten, dennoch wäre auch diesmal ein klein wenig Haltung wünschenswert gewesen.
Arno Kompatscher (SVP) bezeichnete Napolitano jetzt sogar als »Besonderen unter den Besonderen«, so wie Napolitano auch stets die Sonderstellung Südtirols als besondere unter den Sonderautonomien hervorgehoben habe. Wie den meisten anderen fallen aber auch dem Landeshauptmann vor allem zwei Dinge ein, die der ehemalige Staatspräsident »geleistet« hat:
- Er war persönlich bei der Entfernung des Grenzbalkens am Brenner anwesend, die wir aber dem europäischen Einigungsprozess verdanken.
- Er hat den Südtiroler Schützen das Tragen historischer, unscharf gemachter Waffen genehmigt.
Beides sind zwar nette, aber doch eher symbolische Gesten, die noch in seine Zeit als Innenminister fallen.
Zum Ausgleich für all die Lobhudelei der letzten Tage möchte ich jedoch auch daran erinnern, dass er
- den Ausbau der Autonomie stets höchstens in homöopathischer Dosis mitgetragen, als Staatspräsident aber zum Beispiel jede noch so große Schweinerei von Mario Monti — den er ausgewählt hatte — beurkundet hat, als dieser mit der Axt über unsere Zuständigkeiten hergefallen ist;
- in wichtigen Fragen der Südtirolautonomie nie mäßigend gegenüber ultranationalistischen Tendenzen eingegriffen hat;
- das undemokratische Dogma der staatlichen Unteilbarkeit niemals kritisch hinterfragt hat, und zwar weder vor noch während oder nach seiner Amtszeit als Staatspräsident;
- sich wie alle seine Vorgänger niemals für die Untaten und Verbrechen des italienischen Staates bei Südtirol entschuldigt hat, selbst dann nicht, als er mit dem Verdienstorden des Landes ausgezeichnet wurde;
- die Südtirolerinnen dafür jedoch 2011 in geradezu kolonialistischer Manier dazu aufgefordert hat, sich an den 150-Jahr-Feierlichkeiten zu beteiligen und sich endlich mit Italien zu identifizieren;
- keinerlei Verständnis für die ablehnende Haltung der Landespolitik in dieser Sache gezeigt hat;
- wenige Jahre später sogar behauptet hat, Südtirol habe sich für die Zugehörigkeit zu Italien entschieden, obschon dem Land und seinen Bürgerinnen eine freie und demokratische Entscheidung über den Verbleib bei Italien stets verwehrt wurde;
- sich regelmäßig über die Stärkung des italienischen Nationalgefühls gefreut und diesen auch selbst befeuert hat (vgl.
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), womit auch er letztendlich zur immer weiteren Verschiebung des politischen Diskurses nach rechts beigetragen hat; - im Übrigen durch seine äußerst fragwürdige Haltung und geschichtsrevisionistische Äußerungen der Karsthöhlenerzählung der extremen Rechten zum Durchbruch verholfen hat.1Napolitano bezeichnete die Massaker 2007 in seiner offiziellen Rede zum Erinnerungstag als »ethnische Säuberung« und legitimierte damit die Darstellung der Rechtsextremen, die Menschen seien aus ethnischen statt aus ideologischen Gründen umgebracht worden. Die zuvor von den Faschisten begangenen Verbrechen erwähnte er nicht.
Wenn Napolitano wirklich zu den ganz großen Unterstützerinnen der Südtirolautonomie gezählt werden muss, sagt das also wohl mehr über die anderen (und über die Autonomie selbst) aus als über Napolitano. Ihm kann man höchstens zugute halten, weniger autonomie- und minderheitenfeindlich als andere gewesen zu sein.
Möge er in Frieden ruhen.
- 1Napolitano bezeichnete die Massaker 2007 in seiner offiziellen Rede zum Erinnerungstag als »ethnische Säuberung« und legitimierte damit die Darstellung der Rechtsextremen, die Menschen seien aus ethnischen statt aus ideologischen Gründen umgebracht worden. Die zuvor von den Faschisten begangenen Verbrechen erwähnte er nicht.
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