Auch die ehemalige grüne Kandidatin Liliana Turri schießt sich genussvoll auf diese furchtbare autonome Provinz ein.
Turri und ihr Sparringpartner auf den Community-Seiten von Salto, Luca Marcon, führen einen antinazistischen Kreuzzug gegen Südtirol. Ihre Beiträge zeichnen ein Bild von Südtirol, das erschreckend ist. Hinter jedem Busch, der noch nicht »melioriert« wurde, steckt angeblich ein Südtiroler Nazi.
Luca Marcon stellte nach den Polemiken um das geplante Treffen der rechtsradikalen Burschenschaften in Algund fest, dass das politische Schweigen darüber »ohrenbetäubend« sei. Fakt ist aber, dass das Treffen auf Druck der Gemeindeverwaltung, auf Druck der Vizebürgermeisterin Alexandra Ganner (SVP) abgesagt werden musste. Ihr Chef, Bürgermeister Ulrich Gamper (SVP), zögerte lange, weil, so seine These, die Demokratie das aushalten müsste. Letztendlich setzte sich seine Stellvertreterin durch — seien wir froh darum.
Nicht sonderlich hilfreich war die Wortmeldung des Bürgermeisters von Lana, Harald Stauder (SVP). Aus ideologischen Gründen dürften laut Stauder Gemeindeverwaltungen keine Veranstaltungen verbieten. Aus ideologischen Gründen? Auch wenn es sich — wie bei den Burschenschaften — um ein Sammelsurium von Rechtspopulisten und Neo-Nazis handelt? Stauder, Landtagskandidat der SVP, biedert sich gerne der rechten Szene an.
Hat Marcon also recht? Nein, bereits am 14. Juni veröffentlichte den Aufruf der Meraner Antifa gegen das Burschenschaftstreffen. Marcon plünderte die Antifa-Stellungnahme, blendete aber gezielt die Verbindung zwischen den rechtsradikalen deutschen Burschenschaften und den Neofaschisten von CasaPound aus. So pflegt der rechtsextreme Verleger Philip Stein als ehemaliger Pressesprecher der Deutschen Burschenschaft Kontakte zu faschistischen Gruppen in Italien und nahm in den letzten Jahren mehrfach an Veranstaltungen von CasaPound teil. Diese Querverbindung interessiert Marcon anscheinend nicht.
Zweifelsohne ist das rechte Auge mancher SüdtirolerInnen allzuoft blind, das geißelt auch Martha Stocker, Historikern, langjährige SVP-Politikerin und eine erklärte »Patriotin« immer wieder. Nicht weniger klar ist in dieser Frage die Position des Landeshauptmannes. Auch das wird wahrscheinlich Marcon von seinem Südtirol bashing nicht abbringen. Wie auch immer, die Gedanken sind frei.
Verweigerte Zweisprachigkeit
Freie Gedanken pflegt auch Liliana Turri, ehemalige Kandidatin der Südtiroler Grünen. Im Doppel mit Marcon rechnet sie auf Salto immer wieder mit diesem hässlichen Südtirol der ethnischen Trennung und des gar nicht so verkappten Südtiroler Nationalismus ab.
Marcon lieferte eine Steilvorlage für eine Turri-Attacke auf die Schulpolitik: Dass die Südtiroler Dialekt reden, disqualifizierte Marcon als »völkisch«, als nationalsozialistisch. Turri strickt hier weiter. Sie wundert sich gar nicht darüber, dass die Südtiroler nicht Hochdeutsch sprechen. Hochdeutsch sei nicht die Sprache der Südtiroler, stellt Turri fest, sondern eine Fremdsprache. Sie fragt sich deshalb, wie die Südtiroler dazu kommen, die Italiener zu beschuldigen, sich der deutschen Sprache zu verweigern.
Turri pocht auf das diritto di essere bilingue. Dieses Recht verweigere die SVP der italienischen Sprachgruppe mit dem Veto gegen eine zweisprachige Schule, wie es von der italienischen Sprachgruppe gefordert werde. Seit dem Zweiten Weltkrieg »diktiere« die Volkspartei ihr Veto, diskriminiere somit die Angehörigen der italienischen Sprachgruppe: »Con conseguenze sociali e culturali che pesano come piombo. Una di queste è la Todesmarsch degli italiani in Alto Adige,« fasst Turri die angeblich dramatischen Konsequenzen der verbohrten SVP-Politik zusammen.
Sinnvoller wäre es gewesen, schlussfolgert Turri, in Südtirol nach 1945 eine einheitliche zweisprachige Schule aufzubauen, statt nach Sprachgruppen getrennte Bildungseinrichtungen. Sie plädiert dafür, ab dem Kindergarten die derzeitige italienischsprachige Schule durch das ladinische Modell des paritärischen zweisprachigen Unterrichts zu ersetzen. Denn: »È l’unica soluzione che possa portare il bilinguismo degli italiani ad un livello dignitoso, spendibile nella realtà locale.«
Überlegenswert. Ja, warum wird der Artikel 19 des Autonomiestatuts, der das Recht auf muttersprachlichen Unterricht festschreibt, nicht abgeändert? Die italienische Schule ist künftig mehrsprachig, so oder ähnlich. »Insomma all’abbattimento del muro che divide,« schreibt Turri. Diese Aussage verrät viel: Ist der Unterricht in der Muttersprache also eine Mauer? Turri lehnt offensichtlich den in der Autonomie verankerten Minderheitenschutz ab, weil er nationalsozialistisch geprägt sei.
Wer von ausserhalb der Provinzgrenzen kommt (aber auch einige, die innerhalb dieser Grenzen wohnen), sehen in der ethnisch-sprachlichen Trennung ein Zeichen fuer den Einfluss der NS-Ideologie.
— Liliana Turri
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