von Andreas Unterkircher (SVP), LGBTQIA-Aktivist
Seit einigen Wochen spekulieren die Medien darüber, dass es nach den bevorstehenden Landtagswahlen in Südtirol zu einem Regierungsbündnis zwischen SVP und Fratelli d’Italia kommen könnte. Nun, ich erlebe dieses Szenario mit großer Besorgnis. Zunächst einmal als Bürger und Antifaschist, da wir wissen, dass die Partei von Giorgia Meloni Persönlichkeiten aus der extremen rechten Szene und reuelose Nostalgiker eines Regimes in sich trägt, das in Südtirol viel Übel verursacht hat, außer Italien selbst in den Abgrund zu stürzen.
Beunruhigt bin ich aber vor allem als LGBTQIA-Person. Fratelli d’Italia ist wegen ihrer schwulenfeinlichen und transphoben Positionen bekannt. Die Partei hat sowohl 2016 gegen das Gesetz für die Lebenspartnerschaften (Cirinnà-Gesetz) als auch 2021 gegen das Anti-Homophobie-Gesetz (Legge Zan) gestimmt. Von Spitzenexponenten kamen immer wieder Beleidigungen jeder Art. Letzthin wurden besonders die Regenbogenfamilien hart angegriffen.
Auch auf lokaler Ebene haben die Parteivertreter zu diesen Themen nie ein Blatt vor den Mund genommen. Eine Bozner FdI-Gemeinderätin ist vom Verein Centaurus (die Südtiroler LGBTQIA-Vertretung) verklagt worden, weil sie die Vereinsmitglieder in einer Presseaussendung schwarz auf weiß mit pädophilen Verlockern (pedofili adescatori) verglichen hatte. Der damalige Landtagsabgeordnete Alessandro Urzì protestierte lautstark, als die Vertreter von Centaurus beim Verfassen des Gesetzes, das die Südtiroler Antidiskriminierungsstelle einführte, vom Landtag als Experten angehört worden waren.
Und das sind nur einige Beispiele. Südtirol hat in den letzten Jahren auf dem Gebiet der Bürgerrechte von LGBTQIA+-Personen wichtige Schritte vollbracht. Beweis dafür ist die Ausbreitung von RE.A.DY, dem Netzwerk öffentlicher Körperschaften, die sich gegen Homo- und Transphobie einsetzen. Inzwischen zählt RE.A.DY in Südtirol stolze 24 Mitglieder, darunter Gemeinden, Bezirksgemeinschaften, die Gleichstellungsrätin und das Land Südtirol selbst.
Immer mehr Rathäuser im Lande hängen jährlich am Welttag gegen Homophobie (17. Mai) die Regenbogenfahne aus. Heuer war diese sogar bei der wöchentlichen Pressekonferenz von LH Kompatscher zu sehen. Ein wichtiges Signal. Ein Eintritt von Fratelli d’Italia in die Landesregierung würde diesen Prozess der Integration von Personen unterschiedlicher sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität in unserer Gesellschaft vielleicht nicht aufhalten können.
Dennoch könnte es zu gefährlichen Kürzungen bei der öffentlichen Finanzierung der LGBTQIA-Vereine im Lande kommen. Die Folge wäre weniger Geld für wichtige soziale Dienste wie Informationsarbeit, Sensibilisierungsprojekte gegen Gewalt in den Schulen und geschützte Wohneinrichtungen.
Ich bin mir bewusst, dass es in der SVP konservative Kräfte gibt, die mit den Positionen der Regierungschefin übereinstimmen. Vom linken Flügel der Partei erwarte ich mir jedoch einen konsequenten Antifaschismus und eine grundsätzliche Ablehnung eines Bündnisses mit Fratelli d’Italia.
Dieser Beitrag war zuvor in der TAZ vom 22. Juni 2023 erschienen. Verlinkungen: .
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