Mir geht’s wie Simon. Mir graust. Italien versinkt in Trauer, verordnet von oben. Die rechtsrechte Regierung Meloni organisierte für den verstorbenen Silvio Berlusconi, weil einst Ministerpräsident, ein Staatsbegräbnis.
Meloni verpasste der Republik zusätzlich einen Tag der Staatstrauer. Das ist einmalig in dieser Republik. Das Parlament verabschiedete sich in eine Trauerwoche, ebenso die Ministerien und Behörden.
Diktatorenlike! Nicht von ungefähr würdigte der russische Kriegspräsident Putin den verstorbenen Berlusconi als einen echten Freund. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban, das Tauchboot Putins in der EU, beeilte sich ebenfalls, seine tiefe Trauer über den Tod eines »Kämpfers« auszudrücken. Es fehlten nur noch Lobhudeleien aus Peking, Ankara und Minsk.
Diese Trauergemeinde verwundert nicht, zählte Berlusconi doch zur illiberalen Allianz. Der Politikwissenschaftler Günther Pallaver beschrieb Berlusconi schon frühzeitig als einen Vorreiter der illiberalen Demokraten.
Auch viele Südtirolerinnen und Südtiroler verehrten Berlusconi, eine Dame im Dirndl posierte mit der Berlusconi-Statthalterin Michaela Biancofiore und warb um Südtiroler Stimmen, die ehemalige SVP-Senatorin Helga Thaler-Außerhofer biederte sich in der Ära Berlusconi den italienischen Rechten an, das allmächtige Verlagshaus machte kräftig Stimmung für den einst mächtigen Berlusconi, bei einer Parlamentswahl überraschten die Gadertaler mit ihrem Votum für Forza Italia.
Warum eigentlich? Er versprach »der Wirtschaft« weniger Steuern und Bürokratie. Wenig davon setzte er um. Er versicherte den Arbeitnehmenden mehr Lohn, auch das blieb Geschwafel. Gleichzeitig schränkte er den Aktionsradius der Gewerkschaften ein. Großteils gelungen. Die Gewerkschaften als Interessenvertretung konnte er empfindlich schwächen. Zum Schaden der Arbeitenden, der Sozialpartnerschaft. Seine Aufrufe, Steuern nicht zu zahlen, sind legendär. Da wird er wohl an sich selbst gedacht haben.
Ansonsten ist die Ära Berlusconi gepflastert von Skandalen, wie die rauschenden Partys mit minderjährigen Mädchen, zum Beispiel mit Ruby, der angeblichen Verwandten des ehemalige ägyptischen Präsidenten Mubarak, seiner unsäglich verlogenen Kampagne in Kumpanei mit der katholischen Kirche gegen die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften. Das konservative angeblich hochmoralische Italien sammelte sich hinter Berlusconi.
Gar nicht zu reden von seiner grenzenlosen Medienmacht, der in seiner Amtszeit auch noch die öffentlich-rechtliche Rai unter seine Kontrolle brachte. Sattsam Bekanntes, wenig Rechtsstaatliches, ein Vorgriff auf die Ära Trump. Berlusconi gilt nicht von ungefähr als Vorläufer von Donald Trump.
Berlusconi holte als Bündnispartner für seine konservative Forza Italia den neofaschistischen MSI in die Regierung, die Alleanza Nazionale von Gianfranco Fini. Er rühmte sich öffentlich, die Neo-FaschistInnen legitimiert zu haben. Nach Jahrzehnten der parlamentarischen Verbannung kamen die Mussolini-Erben als Junior-Partner an die Macht, seit den Parlamentswahlen im letzten Herbst sind sie als Senior-Partner an der Regierung.
In der Ära Berlusconi herrschte in der Autonomie-Politik großteils Stillstand. Wesentliche Durchführungsbestimmungen zwischen 1996 und 2018, mehr als 50, gehen auf Mitte-Links-Regierungen zurück. 30 genehmigten Rechts-Regierungen, meist handelte es sich um technische Anpassungen, analysierte der ehemalige SVP-Parlamentarier Karl Zeller die Autonomiepolitik der italienischen Regierungen.
Trotzdem, auch in Südtirol wird getrauert, um einen verurteilten Kriminellen, um nochmals Simon Constantini zu zitieren. Italien trauert, weil Berlusconi, »Milliardär, Frauenheld und Gesetzesbrecher« – Zitat Gerhard Mumelter auf Salto – »eine perfekte Synthese aller Gewohnheiten, Laster und Tugenden der Italiener« darstellt: »Etwa wenn er den Spielern seines Fussballclubs Monza für den Fall eines Sieges un pullmann di puttane versprach«. Der Applaus vieler Männer war ihm sicher. Un pullman di puttane und am Sonntag samt Familie husch in die Kirche. Berlusconi beschädigte das Öffentliche, auch das Moralische. Seine fragwürdige Hinterlassenschaft.
Seine politische Hinterlassenschaft ordnete die Staatstrauer an, Giorgia Meloni. In seiner Amtszeit Jugend-Ministerin, seit dem Herbst Ministerpräsident, wie sie sagt. Sie wird die Überreste der geschrumpften Berlusconi-Partei Forza Italia aufsaugen und ihre Mehrheit weiter ausbauen. Die dämliche Linke, die sich im Klein-Klein verliert, überlässt Meloni das Gesetz des Handelns. Wie einst Berlusconi.
Düstere Aussichten, ein Grund zum Verzweifeln, nicht zum Trauern.
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