Immer wieder hört man auch in Südtirol, nicht selten wenn es um Themen wie Eigenstaatlichkeit oder Autonomieausbau geht, dass ohnehin 80% (oder gar 90%) der Vorschriften inzwischen nicht mehr in Rom, sondern in Brüssel gemacht würden. Mit dieser Aussage soll vermutlich auch die Notwendig- oder Sinnhaftigkeit einer Vertiefung der Selbstverwaltung relativiert werden.
Hierzu bin ich im Podcast Der Professor und der Wolf (Episode 6 – Neutralität und EU) von FM4 mit dem Tiroler Journalisten Armin Wolf und dem Wiener Politikwissenschafter Peter Filzmaier auf einen interessanten Faktencheck gestoßen, den ich hier wiedergebe:
Wolf: Jetzt eine Frage, die mir wirklich wichtig ist, weil man das so oft hört und auch immer wieder in der Zeitung liest: Bis zu 90% unserer Gesetze in Österreich würden in Wahrheit in Brüssel gemacht. Stimmt das?
Filzmaier: Nein, einfach nein, das ist frei erfunden, eine moderne Sage und Legende, wo man die Wurzeln kaum noch feststellen kann. […] Der ehemalige EU-Kommissionspräsident Jacques Delors hat 1988, vor langer Zeit einmal gesagt, nur auf den Wirtschaftsbereich bezogen glaubt er, dass in zehn Jahren — also 1998 — bis zu 80%, nicht 90% der Gesetze auf EU-Entscheidungen zurückgehen würden. Und Delors hat sich schlicht und einfach geirrt. Es ist so, dass je nach Studie — aber es gibt keine seriöse Studie die 90% sagt — zwischen 10% und 40% der einzelstaatlichen Gesetze auf EU-Entscheidungen zurückgehen, je nach Staat natürlich unterschiedlich und auch sehr unterschiedlich nach Themenbereichen. Im Umweltbereich sind es manchmal sogar mehr, in anderen Bereichen — beispielsweise in der Forschung — gab es auch lange Zeiten, wo kein einziges Gesetz auf eine EU-Entscheidung zurückging.
Transkription von mir
Cëla enghe: 01
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